Die spanische Billigfluglinie sorgt seit Monaten fast täglich für Schlagzeilen, weil Passagiere tage- und nächtelang auf Flughäfen ausharren müssen. Jetzt steht sie vor dem Aus.
Guillermina hatte ihrer Mutter in den letzten Stunden ihres Lebens nicht beistehen können. Nun wollte die in Spanien lebende Chilenin wenigstens zur Beisetzung der Mutter die letzte Ehre erweisen. Es sollte ihr nicht gelingen. Sie kam zu spät, weil ihr Flugzeug von Madrid nach Santiago de Chile über 30 Stunden Verspätung hatte. Ihr Landsmann Gonzalo verpasste einen Prozess, in dem er als Staatsanwalt die Anklage vertreten sollte. Seine Maschine, die ihn und seine Frau von den Flitterwochen heimbringen sollte, flog zwei Tage später ab als vorgesehen.
Die beiden Chilenen gehören zu den Tausenden von Fluggästen, die „Opfer“ der Verspätungen von Flugzeugen der Gesellschaft Air Madrid wurden. So hatte es ein Flug von Barcelona nach Buenos Aires auf eine Verspätung von 120 Stunden gebracht. Der Durchschnitt liegt bei über vier Stunden. Eine Air-Madrid-Maschine benötigte für die Route Madrid-Mallorca, die normalerweise in einer Stunde zurückgelegt wird, mehr als 20 Stunden.
Die spanischen Behörden hatten die Linie mehrfach aufgefordert, ihre Flugpläne einzuhalten. Nun scheinen sie die Geduld verloren zu haben. Das Verkehrsministerium drohte, Air Madrid noch vor Silvester bis auf Weiteres die Lizenz zu entziehen. Schon mehrfach hatte an den Abfertigungsschaltern der Gesellschaft die Polizei einschreiten müssen, weil Passagiere nach stunden- und tagelanger Wartezeit die Nerven verloren und handgreiflich wurden. Mal pöbelten aufgebrachte Fluggäste das Schalterpersonal an, mal wollten sie eine Startbahn blockieren.
Ausreden für Verspätungen
Air Madrid wurde vor drei Jahren gegründet und hat sich auf die Routen zwischen Spanien und Lateinamerika spezialisiert. Die Fluggäste sind zu einem großen Teil in Europa lebende Zuwanderer aus Mittel- und Südamerika. Die dem mallorquinischen Hotelier José Luis Carrillo gehörende Linie verzeichnete ein rasantes Wachstum. Mit ihren neun Airbus-Maschinen transportiert sie 2,6 Millionen Passagiere im Jahr.
Für die vielen Verspätungen findet Air Madrid immer neue Erklärungen. Firmenchef Carrillo sprach mal von einer „beispiellosen Pechsträhne“, weil seine Flugzeuge länger gewartet werden mussten als geplant. Mal gab er den Passagieren die Schuld, weil diese zu viel Gepäck mitführten und die Maschine deshalb Zwischenlandungen zum Auftanken einlegen müssten. Und mal sah er eine Verschwörung der Konkurrenz am Werk.
Fluggarantie nur bis Samstag
Die spanische Flugaufsicht wies darauf hin, dass die Air-Madrid-Flüge nur bis zum kommenden Samstag garantiert seien. Falls das Unternehmen noch vor Weihnachten seine Lizenz verliert, droht auf den Flughäfen ein Chaos. Air Madrid hat nach eigenen Angaben 300 000 Tickets verkauft. Umbuchungen auf Maschinen anderer Linien werden kaum möglich sein, weil die meisten Flüge wegen der Feiertage ausgebucht sind. Mehrere Passagiere, die am Mittwoch mit Air Madrid nach Südamerika flogen, stellten sich bang die Frage: „Wie kommen wir nur zurück?“
QUELLE: http://www.focus.de/reisen/trends-service/air-madrid_nid_41004.html