Moin! Zu sehr verschiedenen Zeiten war ich bereits in West-Kanada unterwegs und zunächst muss man betonen, dass es natürlich korrekt ist, Juli und August als Hochsaison anzusehen. Auch Kanadier kosten die helle und vergleichsweise warme Sommerzeit aus und davon jede Minute, denn alle die draußen sein können, sind draußen unterwegs, mit Katze und Hund, Boot, und Pick-Up-Truck, Grill und Zelt, und Angeln und mehr.
Dennoch ist der Westen Kanadas so weitläufig, dass sich die Menschenmassen gut verteilen und ich niemals solche Überfüllungen erlebte wie sie in europäischen Reisezielen herrschten. Wie man den vielen Beiträgen dieser Reiseforen entnehmen kann, scheint die große Mehrheit der Urlauber mit einem Urlaub immer noch eher Palmenstrände und Baden zu verbinden. Insofern kann ich Euch nur beglückwünschen zu Eurer Entscheidung, denn West-Kanada ist ein absoluter Traum, der Euch verzaubern wird.
Zunächst würde ich mir einen guten Reiseführer besorgen für Tipps und Ideen, denn auch wenn man 4 Wochen Zeit hat, wird man Prioritäten setzen und sich überlegen müssen, was man anschaut und was man weglassen muss. Der Flug nach Calgary mit Reise westwärts und Rückreise ab Vancouver ist ein Klassiker, den ich für den Einsteiger unbedingt empfehle. Von Calgary würde ich direkt mit dem Mietwagen Richtung Banff / Lake Louise fahren, um dort zwei oder besser drei Nächte zu bleiben, zur Akklimatisierung besonders wegen der Zeitzonenverschiebung und um die Schönheit der Rocky Mountains zu bewundern. In und um Banff und Lake Louise gibt es exzellente Wanderwege, z.B. am Johnston Canyon, am Lake Louise, dazu die erlesenen Fairmont Bahnhotels an beiden Orten, tolle rustikale Lodges und Naturerlebnisse, die auch von Park Rangers organisiert werden. Ein kleines Frühstück im Posthotel Lake Louise, unter schweizerischer Leitung, kann das Ganze noch abrunden. Natürlich werdet Ihr feststellen, dass die Übernachtungspreise in dieser Zeit recht hoch sein werden, aber die Nachfrage bestimmt eben den Preis und ich würde frühzeitig reservieren. Behaltet die Fahrtzeiten und -strecken im Auge und gönnt Euch am jeweiligen Ort genügend Zeit, um etwas zu sehen.
Der Ort Barkerville, ein wieder zum Leben erweckter Goldgräberort, liegt recht abgelegen, aber wenn es die Zeit und Route erlauben, ist es ein echtes Hightlight (www.barkerville.ca)
Vancouver ist wunderbar. So viel zu tun. Die Fahrt auf den Hausberg Grouse Mountain mit Greifvogel-Show und Lumberjack-Stunt muss man gesehen haben, tolle Aussicht auf die Stadt. Gastown, Stanley Park, Coal Harbour, die schrille und liberale Denman Street mit zwei Enden an jeweiligen Stränden und toller Stimmung am Abend, echt klasse. Gutes Eis gibt es bei Il Gelato d'Oro oder so ähnlich, neben dem English Bay Hotel. Science World lockt in der Nähe des Stadios mit echter Wissenschaft zum Anfassen. Hier kann man viel unternehmen. Und dann fährt man nach Tsawwassen und setzt mit der gebuchten Fähre von www.bcferries.ca nach Sidney auf Vancouver Island und erkundet den britischsten Ort außerhalb des UK, Victoria, der Hauptstadt von British Columbia. Dort sollte man unbedingt Whale Watching ausprobieren, mein Favorit war bis jetzt immer "Eagle Wings", die geben sogar eine Wal-Sichtungsgarantie und stellen einen Voucher für eine zweite Tour aus, unbegrenzt gültig, falls kein Wal sich blicken ließ.
Das Fairmont Empress Hotel thront majestätisch vor dem glitzernden Hafen, wo die Wasserflugzeuge abheben und "wassern", die knuffigen kleinen gelben Taxiboote herumkurven, und das Fairmont gehört auch hier zu den legendären Bahnhotels, mit denen die Reichen im 19. Jahrhundert erstmals den Westen bereisen konnten und auf ihren gewohnten Luxus nicht verzichten mussten. Im Fairmont gibt es nachmittags eine Britische Teezeremonie, die man sich gönnen sollte. Pro Person um 50 EUR oder so, mit tollen Tees und Live-Pianomusik, ein echtes Erlebnis.
Die Whale Watching Tours beginnen in einem süßen und knallbunten Hausbootareal, so dass man da ruhig etwas früher aufrauschen sollte, um die herrlichen Farbenspiele in der Morgensonne zu bewundern und tolle Fotos zu machen, so lange noch keine Touristenmengen vor Ort sind, wie es einige Stunden später der Fall ist, denn es fahren auch Kreuzfahrtschiffe nach Victoria. Tolles chinesisches Essen hatten wir im dortigen Chnatown im "Ocean Garden Restaurant", es war soooo megalecker, wir waren völlig hin und weg.
Vancouver Island ist eine Welt für sich, 450 km "lang" und locker 100 km "breit", also man könnte fast sagen 20% von Deutschland oder so. Also gibt es auch hier viel zu entdecken und man sollte die Größe des Landes, nicht unterschätzen, was für die USA und Kanada allgemein gilt. Eine Fahrt an die Westküste, den berühmten Pacific Rim, sollte man unbedingt unternehmen, da liegen die zwei knuffigen Ortschaften Ucluelet und Tofino. Tofino ist ein sehr hippes Surferparadies, entsprechend viele schlanke Flipflopmenschen mit Dreadlocks laufen da herum, mir gefällt zum Übernachten Ucluelet besser, mit seinem tollen Rundwanderweg, vorbei an dem berühmten Leuchtfeuer und den Bimmel- und Hup-Bojen im Wasser. Auf dem Weg nach Westen kommt man an Cathedral Grove vorbei, das ist ein naturbelassener Borealer Regenwald im Urzustand. Es liegt am Alberni Highway zwischen Qualicum Beach und Alberni. Es werden keine Bäume gefällt, kein Totholz entfernt und wenn man einer umkippt und quer über dem Weg zu liegen kommt, schneidet man allerhöchstens ein Stück heraus, dass die Leute hindurchgehen können. Das ist soooo beeindruckend. Mit einem Navi findet man sicher hin und es ist auch ausgeschildert. Zunächst gibt es eine Zone mit verminderter Höchstgeschwindigkeit, dann entdeckt man zu beiden Seiten des gewundenen Highways eine limitierte Zahl von Parkplätzen, und oftmals ist gerade "alles besetzt". Nicht verzweifeln - denn es geht gemächlich zu, man nimmt aufeinander Rücksicht und man wartet einfach hinter den abgestellten PKW oder RV, bis einer rausfährt. Denn es sind alle hier irgendwie "auf der Durchreise" und niemand bleibt viel länger als eine Stunde, obwohl die gigantischen Baumriesen und die wahnsinnige Wildnis durchaus zwei Stunden wert sind, und es befinden sich schöne Rundwege zu beiden Seiten der Straße, nicht verpassen! So etwas kennt man fast gar nicht, weil unsere Wälder meistens Forste sind und es wird Totholz immer wegtransportiert!
In Ucluelet gibt es tolle rustikale Lodges, oft mit Kaminen, die sich mit einigen zu kaufenden Holzscheiten gemütlich entfachen lassen oder gleich mit Gas betrieben werden. Das Wetter kann von Strahlend Blau bis trüb-grau-verregnet wechseln, aber dafür ist man ja auch in der Zone des borealen Regenwaldes, und auch in einem nebligtrüben Regenwetter entfaltet die Landschaft auf dem Rundwanderweg ihre ganz eigene zauberhafte Stimmung.
Die Fahrten vom Festland nach Vancouver Island sind übrigens auch sehr unterhaltsam. Zwischen Tsawwassen südlich von Vancouver nach Idney hat man die tollsten Blicke unterwegs, da die Fähre sich durch einige Inselwelten schlängelt, weiter nördlich kann man auch fahren, dann kommt man z.B. beim Rückweg nördlich von Vancouver aufs Festland - die Strecke hat aber mehr freie Wasserflächen und weniger Fjordgefühl wie bei der südlichen Route von oder nach Tsawwassen, und bei schönem Wetter ist das natürlich exquisit.
Auf der ganzen Reise wird man vieles von the First Nations hören, das ist der offizielle Begriff für die Ureinwohner, die wir oft mit "Indianer" bezeichnen. Wenn sich da Gelegenheiten bieten, Siedlungen, Gebräuche und Kultur kennen zu lernen... es lohnt sich. Bevor ich nun stundenlang weiter schreibe, würde ich vorschlagen, sich einfach mit einem Reiseführer ein bisschen einzustimmen. Da es bis zur Reise noch ein gutes Jahr hin ist, habt Ihr noch richtig viel Zeit für Planungen und Hotelreservierungen und somit auch den vollen Zugriff auf alle möglichen Unterkünfte.
Bei vier Wochen Zeit könnte man überlegen, ob man eine kleine Schiffsreise von Vancouver nach Alaska und zurück ins Auge fasst. Auch das hat seine ganz eigenen Reize. Die Fahrten gehen üblicherweise eine Woche lang. Einige sind One-Way-Trips, die in Vancouver beginnen und in Alaska enden, aber es gibt auch ebenso viele Round-Trips innerhalb einer Woche. Nahe einer Abbruchkante eines Tidal Glaciers (ins Meer mündenden Gletschers) auf dem Schiffsdeck das Kalben und Donnern von Eisabbrüchen zu beobachten, das hat was. Viel Spaß beim Weiteren Planen!