Teil I Unser Chevy
Wir haben Anfang Juni zusammen mit Reinas Schwager einen Chevrolet Bj 1949 mit 6-Zylinder Reihenmotor und 3-Gang Lenkradschaltung erworben. Nun bin ich ja schon an einiges gewöhnt, so dass mich kaum noch etwas schockiert. So war es dann auch mit diesem großen roten Ungetüm.
Ich wäre ja nicht im Traum auf die Idee gekommen, den Wagen zu kaufen aber die Feierabend-Mechaniker des Hauses und auch ein weiterer "Profi-Mechaniker", Freund der Familie, sagten, der Wagen sei für seine Verhältnisse in gutem Zustand. Nie würde ich es wagen, da zu widersprechen.
Nun darf man nicht den Fehler begehen, das Fahrgefühl eines solchen Chevys mit dem eines unserer Fahrzeuge zu vergleichen. Als schmucker Oldtimer in einem zu schlechten Zustand und als Fortbewegungsmittel?? Angucken ja, reinsetzen auch ok, aber kaufen???
Wenn der Wagen erst mal läuft, also der Anlasser soll ja ein typisches Chevy-Problem sein, so dass bis zu 10 Startversuche recht normal sind, also wenn er erst einmal läuft und sich auch bewegt, die Schaltung soll auch ein typisches Chevy-Problem sein, so dass man auch schon mal auf einer Strecke von Cárdenas nach Varadero (13 km) 5 mal aussteigen, die Motorhaube öffnen und die Schaltstangen dort in die richtige Stellung bringen muss, also wenn der Wagen einmal läuft und sich auch bewegt, schlägt einem sofort ein leicht betäubender Benzingeruch entgegen. Das ist auch ganz gut so, denn dann spürt man die Schmerzen, der vom Motor in den Innenraum dringenden und sich auf die Pedale, hauptsächlich das Gaspedal übertragenden Hitze nicht so schnell.
Es empfiehlt sich in jedem Fall mehrere Lappen, Wechselzeug und ausreichend Getränke im Fahrzeug mitzuführen. Bei den hier ständig über 30 Grad Celsius liegenden Temperaturen passiert es häufig, um das Wort täglich zu vermeiden, dass aus den unterschiedlichsten Gründen eine „normale“ Fahrweise nicht möglich ist und die erstrebte Rückkehr nach Hause nur mit verminderter Geschwindigkeit, bis hin zum Schritttempo erfolgen muss. Da kommen dann Benzindämpfe und Saunatemperaturen benebelnd zusammen. Von einer Ohnmacht bin ich übrigens bisher noch verschont geblieben. Tatsache ist jedoch, dass ich nach so einer etwas gemächlicheren Rückkehr aus Varadero erst einmal des Zuspruchs und erhöhten Pflegeaufwandes durch Reina bedarf, was mir die Tortur dann letztlich doch wieder versüßt.
Die Tankweise auf Cuba unterscheidet sich von der in Deutschland in mehrfacher Hinsicht. Zunächst einmal haben die allermeisten dieser etwas älteren Fahrzeuge überhaupt keine Tanks mehr, in die man etwas hinein schütten könnte. Entweder befindet sich in der „Fahrgastzelle“ oder aber im Kofferraum ein Gefäß, in das man das Benzin hinein schüttet. 5, 10 oder 20 Liter-Kanister sind an der Tagesordnung. Das mutet alles recht abenteuerlich an, insbesondere wenn man bedenkt, dass es sich ja um hoch brennbares Benzin handelt.
Man holt also den Tankbehälter aus seinem Fahrzeug, der ja ohnehin nur provisorisch mit einer Schnur oder einem Kabel befestigt ist, und füllt des erworbene Benzin ein. An der Tankstelle funktioniert das recht zügig. In den anderen Fällen klappt es recht gut über einen Trichter (in der Regel abgeschnittene Mineralwasser oder Cola-Plastikflaschen).
Unser Kfz, oder besser noch unser Kraftwerk, gehört mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 30 Litern pro 100 km nicht wirklich zu den sparsamsten Modellen. Den Vorschlag, doch einen Tankwagen anzuhängen habe ich nicht erst einmal gehört. Es haben sich schon mehrere „Experten“ darum gekümmert. Bisher leider nur mit dem Erfolg, das der anfängliche Verbrauch von 25 Litern nun leider der Vergangenheit angehört und nun in Form einer galoppierenden Benzininflation innerhalb weniger Tage bereits auf 30 Liter gestiegen ist. Natürlich fährt man unter solchen Verhältnissen nicht 100 km sondern rechnet nur aus, wieviel km man mit einem Liter schafft. Mit 3,33 km/Liter werde ich wohl recht nah an den Verbrauch eines Leopard II-Panzers herankommen, was im übrigen auch für die Anlassversuche des Chevys gilt, was die austretende Qualmwolke jeweils eindrucksvoll unterstreicht. Wenn man sich bei den Anlassversuchen des Chevys die Starversuche mit den Startpatronen von Hardy Krüger als Flugzeugkonstrukteur und Steward Granger als Pilot beim „Flug des Phönix“ ins Gedächtnis ruft, so hat man schon eine annähernde Vorstellung des täglichen Anlassszenarios.
Die gesamte Steuerung des Fahrzeugs hing in den ersten Wochen nur an zwei kleinen und völlig verrosteten Schrauben, was nicht gerade zum Fahrgenuss beitrug. Das wurde nun repariert. Nun hat der Chevy ein Lenkverhalten, das noch am ehesten mit einem Ozeantanker vergleichbar ist. Das bedingt jedoch eine sehr vorausschauende Fahrweise, was jedoch im Stadtverkehr naturgemäß etwas komplizierter ist, als auf hoher See.
Gestern habe ich beim Öffnen der Fahrertür, (lässt sich übrigens nur von außen öffnen, macht aber nix, da ja bei den Dämpfen und der Hitze ohnehin das Fenster geöffnet ist, und man somit die Tür von außen öffnen kann) also, da habe ich versehentlich die auf dieser Seite noch vorhandene Türsperre herausgerissen, so dass die Tür nun in einem Winkel von etwa 30 Grad offen blieb. Nach vielen vergeblichen Versuchen in völliger Dunkelheit hatte Reina die Schnauze voll und warf sich mit aller Kraft von außen gegen die Tür. Sie ging zu. Dass sie sich nun nicht mehr öffnen ließ, versteht sich von selbst. Mit vereinten Kräften und Tritten mit voller Kraft von innen haben wir die Tür dann gerade doch wieder aufbekommen.
Da solche Probleme in der Regel nur dann auftauchen, wenn ich am Steuer sitze, lässt das für mich nur den einen Schluss zu: Chevy fahren ist wie Salsa tanzen, als Ausländer lernt man es nie!!!
Salu2
infocuba