Hallo Belinda,
Tipps hast du ja schon ausreichend bekommen, daher keine weiteren mehr von mir. Bzgl. eurer Juli-Reise bin ich ganz sicher, deine Tochter und du, ihr macht das schon richtig.
Zum Thema Zugfahren in Cuba hatte ich nach einer Cuba-Rundreise im Juli 2001 anlässlich der knapp 100 km langen Zugfahrt von Havanna nach Matanzas mal folgendes in mein Reisetagebuch geschrieben:
Ich sage zu Horacio, unserem Busfahrer während der Cuba-Rundreise. „Mann, ich habe hier auf Cuba schon so viele Gleise gesehen, aber noch nie einen Zug.“ Er lacht und meint: „Hier auf Cuba heißen sie Schnellzüge, sie sind so schnell, daß man sie nicht sieht.“
Nachdem ich den letzten Bus von Havanna nach Varadero verpaßt habe, fahre ich im Taxi zum Bahnterminal. Es ist eine Taxifahrerin. Wie immer frage ich, was sie für die Strecke nimmt. Meistens ist der Preis überteuert und man handelt ihn dann entsprechend runter. Sie meint nur: Was Du bereit bist zu zahlen. Die Antwort überrascht mich. Wahrscheinlich verdient sie so mehr, als viele ihrer feilschenden Kollegen.
Wir fahren also in Ihrem gelb-schwarzen klapprigen treuen Freund (Lada) zum Bahnterminal. Ich gebe ihr 3 Dollar und gehe zum Terminal. Ziemlich mit Gepäck beladen von einer fast 2-wöchigen Reise frage ich nach einem Zug in Richtung Matanzas. Wortlos zeigt eine Schalterbedienste nach links. Ich schleppe mich etwa 300m weiter bis zu einem anderen Schalter. Hier ist es zum Glück richtig. Wann fährt denn ein Zug, möchte ich wissen. Ahorita (jetzt gleich) bekomme ich zur Antwort. Ich zahle meine 3 Dollar, lege meinen Paß vor und bekomme einen Fahrschein, auf dem zig Zahlen stehen. „Beeilen Sie sich, meint die Frau am Schalter, steigen Sie gleich hier ein, sie haben keine Zeit mehr.“ Ich, bei 35 Grad schweißgebadet, frage nach, ob es im Zug etwas zu Trinken gibt. „Nein,“ ist die Antwort. „Und hier in der Nähe“, frage ich am Rande der vollständigen Dehydrierung?
„Ja, schon, aber Sie haben keine Zeit mehr. Beeilen Sie sich. Steigen Sie gleich hier ein“!!!
Ich renne über die Gleise und erreiche mit letzter Kraft noch meinen Zug. Der Einstieg in den Zug ähnelt doch sehr einem Klettersteig im Karwendel, doch vermutlich kommen mir die Stufen nur wegen meiner körperlichen Verfassung so unglaublich hoch vor.
Ich nehme also schweißtriefend im Zug Platz. Es ist unglaublich heiß und stickig. Außerdem auch ziemlich voll und sehr laut. Ich bekomme noch einen freien Platz und setze mich, nachdem ich das Gepäck über mir verstaut habe.
Es vergehen etwa 25 Minuten. Bisher hat sich der Zug noch nicht einen Millimeter bewegt. Es kommt eine Zugbedienstete und teilt mir nach Kontrolle meiner Fahrkarte mit, daß ich im falschen Wagen sitze. „Aber hier ist doch noch frei“, meine ich. „Ja schon, sagt sie, aber hier werden Sie wahrscheinlich bestohlen. Ich empfehle Ihnen, auf Ihren Platz zu gehen. Sie sind hier in Wagen 1 und müssen in Wagen 7. Gehen Sie mit Ihrem Gepäck bitte zu Ihrem Platz.“ „Aber wie soll ich denn durch die vollen Gänge mit dem vielen Gepäck? Kann ich nicht aussteigen und so in meinen Wagen gehen?“ „Nein, dazu ist keine Zeit mehr.“ „Können Sie denn nicht dem Zugfahrer signalisieren, daß es noch eine Minute dauert?“ „ Nein das geht nicht, bitte gehen Sie durch den Zug auf Ihren Platz.“
„Danke Hiob“, denke ich und setze mich in Bewegung. Tausend cubanische Augen sehen mich an.
Die Wagen sind in einer Geheimcodierung nummeriert, die man wohl nur als Cubaner verstehen kann. So frage ich mich dann allmählich durch. Unterwegs im Gepäckwagen sitzt dann ein Bahnangestellter und verkauft für 0,50 Dollar Dosenweise kalte Getränke. Ich stürze mich auf ihn und kaufe ihm 3 Dosen ab. Ich setze mich, wringe meine Klamotten aus, ziehe mir etwas anderes an und schlafe ziemlich schnell ein.
Zur Erläuterung für mein körperliches Unbehagen sollte ich vielleicht noch erklären, daß ich nicht vorhatte, im Zug von Havanna zurückzufahren, sondern für 10 Dollar in einem modernen Reisebus der Firma Viazul. Diese Busse sind vom Feinsten und mit einer Klimaanlage ausgestattet, die in der Regel so hoch gefahren wir, daß man sich vor Kälte nur schütteln kann. Deshalb hatte ich mich vor Antritt der Fahrt auf diese Verhältnisse mit langer Hose und langärmligem Hemd eingestellt. Nach Verpassen des Busses hatte ich mit dieser Bekleidungsordnung im Brutkasten Zug natürlich voll den „Zonk“ gezogen.
Von lautem Getöse werde ich wieder wach. Der Zug rattert und macht einen Lärm, so daß ich denke, Horacio hatte Recht mit seinem Schnellzug. Mit einer kleinen Verrenkung kann ich schräg rechts hinter mir durch ein Fenster sehen. Wir fahren, - ja - aber man könnte fast Blümchen pflücken. Das vom Zug ausgehende Geräusch ist offenbar weniger auf die atemberaubende Geschwindigkeit als vielmehr auf ein unglückliches Zusammentreffen von altem Zug und ebensolchem Gleiskörper zurückzuführen.
Plötzlich taucht ein Zugbediensteter auf und sagt laut zu mir: „Matanzas, mitkommen“!
Matanzas ist nun nicht mein neuer Spitzname hier, sondern mein gewählter Ausstiegsbahnhof. Ich bin verwirrt. Er gestikuliert recht wild und bedeutet mir, daß Eile geboten ist. Ich habe zwar keine Ahnung, was das Spiel zu bedeuten hat, füge mich aber lammfromm den Anweisungen des Zugpersonals. Auf demselben Weg wie zuvor renne ich mit meinem Gepäck durch den gesamten Zug. Er immer mindestens 10 Meter vor mir und immer Eile anzeigend. „Kommen Sie schon, wenn Sie nicht in der Knüste zurückbleiben wollen.“
So kommen wir letztlich auch an der Bediensteten an, die mich zuvor auf die Diebstahlgefahr aufmerksam gemacht hatte.
Ich bin natürlich wieder schweißgebadet. Kurz darauf hält der Zug an. Ich stürze mich heraus. Der Zugteil, für den ich meine Fahrkarte hatte steht noch mitten auf der Stecke. Daher dieser Umzug.
Kurz nach dem Aussteigen werde ich wieder, wie immer und überall, von vielen Freunden begrüßt: Amigo, amigo, amigo...Meine cubanischen „Freunde“ möchten gerne Seife, Shampoo oder Geld.
Ich steige in eine der am Bahnhof bereitstehenden Pferdekutschen, die für 1 Peso, (0,10 DM) die Bevölkerung transportieren. Daß so ein Pferdekutscher, die es auch zu Haufe in Cárdenas gibt, etwa das drei- bis vierfache von Reinas Einkommen als Fachärztin (525 Pesos) einfährt, sei hier nur am Rande erwähnt.
Er erklärt mir, daß er mich nicht für einen Peso befördern kann, sondern verpflichtet sei, einen Dollar zu nehmen, da ich Ausländer sei. Ich erkläre ihm, daß er sicherlich ebenso gut wie ich wisse, daß das nicht stimmt und er solle sich nicht länger für sein einnehmendes Wesen rechtfertigen, da ich ja bereit sei, den Dollar zu bezahlen. Die Mitreisenden gucken erstaunt auf. Der Kutscher schweigt bis zum Ende der Fahrt, es ist heiß, Sonne lacht – Blende acht.
Salu2
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