Ist zwar schon letzten September gewesen,aber wen`s interessiert...?
Auf den Spuren Livingstones: Drei Wochen auf Zeltsafari in Malawi
Frauenquote? Nein danke! Auf abenteuerlichen Zeltsafaris im tiefsten Afrika haben sich die Damen längst ihre Plätze erobert. Für Dr. David Livingstone, der vor gut 150 Jahren durch das Innere des südöstlichen Afrikas treckte und als erster Europäer den traumhaft schönen Malawisee erblickte, waren Afrikaexpeditionen etwas für harte Männer. Heute folgen mehr unternehmungslustige Frauen als Männer den Spuren des legendären schottischen Arztes, Afrikaforschers und Missionars, der auf vier mehrjährigen Expeditionen die Region für das britische Weltreich zwischen 1841 und 1873 erkundete.
Die Frauendominanz von sieben zu fünf – vier Paare, drei allein reisende Frauen und ein allein reisender Mann – wurde nur durch Albrecht aus Metzingen, der die Tour organisierte und anführte, und durch seinen afrikanischen Begleiter und Koch, Clement, egalisiert. Er habe auch schon eine reine Frauentour durchs Innere Afrikas gefahren, berichtet Albrecht, und alle Teilnehmerinnen seien längst im fortgeschrittenen Rentenalter gewesen. Dr. Albrecht Gorthner ist Biologe und Reiseveranstalter und seit zwei Jahrzehnten in Malawi zuhause.
David Livingstone standen vor eineinhalb Jahrhunderten keine Geländewagen zur Verfügung. Doch auch motorisiert fordert im Oktober 2012 eine dreiwöchige Tour durchs wilde Berg- und Tiefland Malawis den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einiges ab. Oben in über zweitausend Metern Höhe fröstelt es sie nachts bei Temperaturen um zehn Grad, unten im Tiefland des Shireflusses machen ihnen fast 40 Grad Hitze zu schaffen. Rund 2600 Kilometer über schwierige Straßen und Pisten sind kein Pappenstil.
Petra aus Berlin erweist sich dabei als brillante Fahrerin. Sie steuert einen der drei voll bepackten Landrover Defender über schwierigste Berg- und Geröllwege und steht den fünf anderen Fahrern Albrecht, Friedhelm, Matthias, Jo und Wolfgang, die sich abwechseln, in nichts an Feingefühl und Power im Low- und High-Gear-Bereich nach. Christiane aus Stuttgart baut ihr Zelt mit eingespielter Routine auf und ab - kein Wunder, es ist schon ihre zweite Zeltsafari durch die Wildnis Afrikas in diesem Jahr. Sie ist längst vom Afrikavirus infiziert. Ines aus Südhessen, die als einzige erstmals in Schwarzafrika unterwegs ist, ist schon nach wenigen Tagen der Faszination der Landschaft, der Freundlichkeit der Menschen und der Ursprünglichkeit der Wildnis erlegen. Ich selbst war auch schon oft in Afrika,meist eine Mischung von Hotel/Hostel/Zelt,aber immer eine Rundreise mit viel Natur.Eine reine Zelttour vom 1.bis letzten Tag war auch neu für mich,macht aber Sinn,denn die Unterkunftsmöglichkeiten sind dort sehr begrenzt.Und mitten im NP oder am See ist es im Zelt sowieso viel schöner.Man erlebt dort die Natur direkter und mit allen Sinnen.
Doch in einem Punkt sind die Männer den Frauen in Längen voraus: beim Fotografieren. Friedhelm und Matthias haben ihre monströsen Hightech-Objektive von morgens bis abends auf atemberaubende Landschaften am See und im Hochgebirge, auf Elefanten und Krokodile, auf Flusspferde und Paviane, auf Fischer und Fischadler, auf Marktfrauen und Waschfrauen gerichtet. Und immer wieder auf Kinder. Die neugierigen Mädchen und Buben drängen sich vor die Kameras und bestaunen sich selbst Sekunden später auf den Displays. Den "Musungos", den Fremden, wird neugierig und freundlich begegnet.
Das kleine Land Malawi – ungefähr so groß wie die ehemalige DDR und mit gut 14 Millionen Einwohnern dicht bevölkert – hat sich viel afrikanische Ursprünglichkeit bewahrt. Seine Nachbarn sind Sambia, Tansania und Mosambik. Die Menschen sind offen und freundlich. Sie lachen viel und lassen sich meist gerne fotografieren. Dennoch sollte man sie immer um Erlaubnis fragen. Albrecht hält seine Mitreisenden dazu an, keine Geschenke zu verteilen, um sie nicht zum Betteln zu verleiten.
Malawi hat neun Nationalparks und Wildreservate, einige hoch in den Bergen, die anderen im Tiefland. Im Vwaza Marsh Wildlife Reservat beobachten wir auf unseren Pirschfahrten Pukus, Kudus, Impalas und morgens beim Aufstehen am Lake Kazuni zum ersten Mal Elefanten und Flusspferde. Rund 2000 Elefanten soll es in Malawi geben, davon ca. 800 allein im Liwonde-Nationalpark am südlichen Ende des Malawisees. Sie sind fast eine Landplage und wegen ihrer schlechten Erfahrungen mit Wilderern mitunter auch aggressiv. Ihren Spuren begegnen wir immer
wieder: Losungen auf dem ausgetrockneten Boden und immense Schäden an der sensiblen Vegetation.
Über eine abenteuerliche Route geht es bis auf 2300 Meter hinauf zum baumlosen Nyika-Plateau im Norden des Landes. Abends und nachts wird es in den Zelten empfindlich kalt. Auf den Pirschfahrten im Nationalpark begegnen wir Buschböcken, Ducker, Roan- und Elandantilopen und vielen Zebras. Nur Löwen und Giraffen entdecken wir in Malawi nicht.
Am siebten Tag erblicken wir zum ersten Mal den Malawisee. Riesig liegt er vor uns – 575
Kilometer lang und bis zu 85 Kilometer breit - feiner Sandstrand mit Einbäumen der Fischer,
glasklares, warmes Wasser. Schemenhaft erkennen wir auf der gegenüber liegenden Seite die Berge Tansanias. Die Sonnenaufgänge um halb sechs Uhr sind ein Traum. Wir bleiben zwei Nächte bei Karonga im Norden des Landes, nur etwa 25 km von der tansanischen Grenze entfernt. Direkt am See hat Albrecht ein Grundstück samt Haus, sein Lebensmittelpunkt für die vielen Monate, die er alljährlich nicht in Metzingen ist. Wir baden, relaxen und bummeln durch Karonga. Nach den Abenteuern und Anstrengungen der vergangenen Tage stehen uns neue bevor.
Wir fahren am neunten Tag bis Chilumba eine asphaltierte Straße in Seenähe, um dann auf einer extremen Bergstrecke mit Geröll und Steinen durch steile 20 Haarnadelkurven im Schritttempo ins Gebirge zu holpern. Den Fahrzeugen und ihren Fahrern wird alles abverlangt. "Stanley", das große Leitfahrzeug, das Albrecht führt, schafft es nicht auf Anhieb durch die engen Kurven. Es muss zurückgesetzt werden, ein kritisches Unterfangen im abschüssigen Gelände . "Emin Pascha" und
"Eliza", die beiden kleineren Wagen mit engerem Wendekreis, kommen leichter rum. Oben, auf 1200 Meter Höhe, erreichen wir die traditionsreiche Livingstonia Mission. Uns trifft fast der
Schlag: "Stanleys" Hinterachse ist gebrochen. Albrecht ist erstmal fassungslos und wir waren uns nicht sicher,wie das dort oben,so weit weg von allen städttischen Möglichkeiten,gelöst werden könnte.
Was tun? Ist es das Ende der Tour? Nach einer Weile der Schockstarre gelingt es ihm, hier
oben drei geschickte Mechaniker aufzutreiben, die an einem Sonntag Abend bis tief in die Nacht die Hinterachse ausbauen und sie in mühevoller Arbeit schweißen. Am nächsten Nachmittag ist die Achse wieder drin. Und sie hält.
Ein Tag ist verloren. Was soll's? Livingstonia hat viel zu bieten: In der weitläufigen Siedlung aus roten Ziegelhäusern leben rund 10.000 Menschen. Das ehrwürdige Gordon Memorial Hospital gilt als bestes Krankenhaus des Landes. Das gewaltige Gebäude der Secondary School erinnert an ein Kloster. Das Klima ist mild, die Aussicht über die Berge Richtung Malawisee grandios.
Am elften und zwölften Tag der Tour geht's abermals zum See. Bei Chintheche glaubt man, in der
Karibik zu sein: eine Bilderbuchbucht, glasklares Wasser, feinster Sand und eine Lodge mit erfrischenden Drinks und leckerem Essen.
Im südlichen Tiefland, wo der See zu Ende ist und der Shirefluss Richtung Sambesi fließt, faszinieren der Liwonde- und der Lengwe-Nationalpark mit ihrem Tierreichtum: Elefanten, Hippos, Krokodile, Wasserböcke, Antilopen, Warzen- und Buschschweine, Büffel und viele Vogelarten. Im aufgestauten Shirefluss spielt sich im Morgengrauen ein faszinierendes Schauspiel ab: Das Wasser brodelt, dicke Leiber klatschen aufeinander. Zwei Hippos liefern sich einen erbitterten Kampf, der mit der Flucht des einen Tieres ans Ufer endet.
Reisen in Malawi sind spannend: Die meisten Tankstellen haben geschlossen, weil Diesel wegen Devisenknappheit Mangelware ist. Nervig sind die vielen Polizeikontrollen: Meist wollen die
Polizisten eine Geschwindigkeitsüberschreitung ausgemacht haben, mal fällt ihnen auch ein, Führerscheine und Fahrzeugpapiere kontrollieren oder die Versicherung überprüfen zu müssen. Sie suchen so lange, bis sie irgendeinen Grund für einen Strafzettel gefunden haben.
Fast noch härter: Auch Bier ist rar in Malawi. An manchen Abenden muss eine 0,3-Liter-Flasche pro Kopf und Abend genügen. Dafür gibt es recht guten südafrikanischen Rotwein aus dem Fünf-
Liter-Tetrapack. Das Essen, das Clement aus aktuellen Marktangeboten zusammenstellt, ist einfach aber geschmackvoll: oft Reis und Nudeln, viel Gemüse, seltener Fleisch und Fisch, alles gut gewürzt. Reis-, Nudel- und Kartoffelreste vom Abend gibt es am nächsten Morgen neben Toast, Honig und Marmelade zum Frühstück. Gewöhnungsbedürftig, aber alle haben zugelangt.
Malawi ist ein heiteres Land. Ursprünglich, unverdorben, friedfertig. Es gab seit Ende der Kolonialzeit keinen bewaffneten Konflikt. Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Fahrräder verhundertfacht, meist aus indischer und chinesischer Produktion. Sie dienen als Taxi und Transportmittel. Offene Armut ist selten, Slums Fehlanzeige. Die meisten Häuser sind klein und
bescheiden, aber solide aus vor Ort gebrannten Ziegeln gebaut.
Malawi, seit 1964 Präsidialrepublik im britischen Commonwealth, hat mit Joyce Banda übrigens eine Präsidentin als Staatsoberhaupt. Frauenpower im Inneren Afrikas.