Zu den wohl eindrucksvollsten Museen des Nordens gehört ohne Frage das „Fabrikmuseum Delmenhorst“ auf dem Gelände der ehemaligen „Nordwolle“ unweit des Bahnhofes. Die „Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei“, so der korrekte Name, war lange Zeit der größte Arbeitgeber der Stadt Delmenhorst und beschäftigte in ihrer wirtschaftlichen Glanzzeit mehr als 28.000 Arbeiter, die zum Großteil auf dem Firmengelände wohnten und firmeneigene Sozialeinrichtungen wie eine Badeanstalt, ein eigenes Krankenhaus und ein Erholungsheim in Anspruch nehmen konnten. Die „Nordwolle“ wurde als Familienbetrieb 1884 gegründet und expandierte in der Folgezeit über mehrere Generationen, bis die Firma 1931 in Konkurs ging, sich von diesem Schlag nie wieder richtig erholte und ihre Pforten 50 Jahre später endgültig schließen musste. Das Fabrikmuseum zeigt im Turbinenhaus und einem angegliederten Kämmereigebäude alle Schritte der Wollverarbeitung anhand der historischen Maschinen und beleuchtet sowohl den Fabrikalltag, als auch die Lebenssituation der Arbeiter. Ein Teil des Museums ist der Besitzer-Dynastie Lahusen gewidmet, die einst das Unternehmen zur Blüte geführt hatte und dieses letztlich durch mangelnde Flexibilität und Ignoranz der Weltwirtschaftskrise in die Insolvenz trieb: Während der letzte Firmenchef noch im Konkursjahr Präses der Handelskammer Bremen wurde, ein repräsentatives Verwaltungsgebäude in der Bremer Innenstadt errichtete und auf einem Landsitz residierte, der immerhin über 107 Zimmer verfügte und dessen Park ständig von 80 Gärtnern gepflegt wurde, kam es zum Zusammenbruch des weltweit operierenden Unternehmens. Der Besitzer und sein Bruder wurden 2 Jahre später wegen Bilanzverschleierung und Untreue zu Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt – das unrühmliche Ende einer Unternehmensgeschichte im Übergang vom Rohstoffhandel zur Industrieproduktion. Der Besuch des Fabrikmuseums Delmenhorst hat mich nachhaltig beeindruckt und nach dem Rundgang versteht man besser, warum sich die „Nordwolle“ als eine eigene „Stadt in der Stadt“ sah – eine Entdeckungsreise durch das Museum ist aus meiner Sicht auch eine längere Anreise wert.