Was für Zeiten … (die 70er Jahre)

Ich glaube dass gute, persönliche Beziehungen zwischen Geschäftspartnern – vor allem im Dienstleistungsbereich – wichtig und massgebend sind. Genauso glaube ich, dass je grösser die betroffenen Unternehmen (in der Touristik z. Bs. TUI und ThomasCook/Neckermann) desto schwieriger ist es, vor allem in heutigen Zeiten, diese persönliche Beziehungen herzustellen und zu erhalten. Ausserdem bin ich mir sicher dass es für Südländer (z. Bs. Führungskräfte aus Mittelmeerländern) leichter ist solche Beziehungen herzustellen als für Nordeuropäer. Die Charaktere und die Einstellungen sind da ganz verschieden.

In den Kinderschuhen des Tourismus in Spanien, konkret auf Mallorca, musste das fehlende Fachwissen und die mangelhafte, berufliche Ausbildung der mallorquinischen Touristiker (siehe “Unqualifizierte Touristikmanager (1)” und “Unqualifizierte Touristikmanager (2)” ) oftmals durch persönliches und privates Engagement der mallorquinischen Führungskräfte wettgemacht werden. Bei mir – wenn ich mich in diesem Zusammenhang als Mallorquiner bezeichnen darf - war das Mitte der 70er Jahre letzten Jahrhunderts nicht anders.

In einigen Jahren hatten sich unzählige Reisen ins Ausland zusammengeläppert. Auch damals waren Deutschland und England die wichtigsten Aufkommensmärkte. Man machte Bekanntschaft und hatte berufliche Verbindungen mit den Direktoren aller grossen Reiseveranstalter und Reisebüroketten. Man traf sich auf einschlägigen Kongressen und Tagungen (zum Beispiel vom Deutschen Reisebüroverband). Beim Überlegen wie man die wichtigsten Kontakte ‘ausbauen’ könne kam ich auf die Idee zu einer Art “Arbeitstreffen”/Brain Storming über ein verlängertes Wochenende auf Mallorca einzuladen. Im Vordergrund standen die persönlichen Beziehungen nicht nur zwischen mir (als Marketing- und Verkaufsleiter von IBEROTEL) und den Eingeladenen, sondern auch zwischen den Eingeladenen unter sich (man “siezte” sich noch). Geladen wurden die Geschäftsführer von HAPAG-LLOYD, QUELLE (damals Hauptgesellschafter der TUI), DER, ABR, FIRST- Reisebürogruppe und HOTELAGENT (Vorreiter von 1-2-3-Fly), also all jene unter deren Leitung ein Grossteil der deutschen Pauschalreisen verkauft wurde.

Das offizielle Programm fing mit einem Sektempfang am Flughafen an, beinhaltete ein kleines Tennistournier (alle waren Tennisspieler), einen Tag auf einer Segelyacht, Spanferkelessen auf einer Finca in den Bergen und ein abschliessendes Galaabendessen mit den Gesellschaftern und der Generaldirektion von IBEROTEL. Alles war bis ins kleinste Detaill geplant und organisiert, nichts durfte schief laufen.

Am Abend vor dem Spanferkelessen bekam ich einen Anruf vom Besitzer der Finca. Es täte ihm furchtbar leid, aber er hätte es total verschwitzt dass er schon vor Monaten dem Bischof von Mallorca genehmigt hätte mit den 51 Gemeindepfarrern aller Dörfer der Insel auf den Berg – den Teix – zu wandern und oben vor der Hütte des Königs Sancho (Sohn von Jaime II) an dessen 700. Geburtstag ein kleines Theaterstück über Sancho aufzuführen. Peinlich. Aber so kurzfristig konnten wir das Programm der geladenen, deutschen Touristikmanager natürlich nicht mehr ändern.

Auf dem Weg in die Berge erzählte ich den Gästen von den Pfarrern und dem Theaterstück. Alles kein Problem, die Pfarrer auf der einen Seite des ‘Dorfplatzes’, mit ihrer Paella, wir in der Hütte mit unserem Spanferkel. Gitarrenspieler waren organisert, an Getränken fehlte es nicht. Die erste Überraschung: alle Pfarrer waren in kurzen Hosen, einige spielten Gitarre, alle in bester Stimmung. Man begrüsste sich höflichst, man lud sich gegenseitig zum Aperitiv ein, der Sekt und der Wein flossen auf beiden Seiten in Mengen. Die Gruppen vermischten sich, einige Pfarrer hatten Theologie in Heidelberg studiert und sprachen deutsch. Wir richteten ‘gebrannten Rhum’ mit Kaffeebohnen (statt umgekehrt) an, für die Pfarrer gleich mit.

Dann kam die Aufführung des Theaterstücks. Ein Pfarrer las eine Geschichte/Ansprache von einem Pergament, Hintergrundmusik wurde auf einem Kassettenrekorder abgespielt, einer der Pfarrer wurde als Königin verkleidet, Lorbeerkrone ingebriffen. Die Deutschen konnten es nicht glauben. Zwei nahmen mich zur Seite und meinten: “Sag mal, wer sind diese Typen eigentlich? Das ist ja Wahnsinn was ihr euch das kosten lasst um uns hier 'anzumachen' und uns zu erzählen dass das die Gemeindepfarrer von ganz Mallorca sind!”.

Nach dem Theaterstück wurde Tontaubenschiessen organisiert, manch ein Pfarrer wollte es natürlich auch einmal versuchen. Es gab reichlich Cognac, Whisky und andere Getränke. Die gitarrenspielenden Pfarrer spielten zusammen mit unseren Gitarrenprofis. Die Stimmung wurde immer besser. Es wurde gelacht wie selten zuvor.

Geplant war am Nachmittag zurück ins Hotel zu fahren und nach auffrischen und umziehen in einem typisches Lokal in Palma Abendessen zu gehen. Aber um 20.00 Uhr waren wir immer noch am feiern auf dem Berg, wir mussten jemanden ins nächste Dorf – Soller – schicken um das Abendessen abzusagen. Was ‘a priori’ ein Problem war (die Pfarrer zusammen mit den Touristikern auf dem Berg) entwickelte sich zum einmaligen und unvergesslichen Höhepunkt des “Arbeitswochenende”.

Jahrelang war dieses Wochenende Gesprächsthema Nummer 1 jedes Mal wenn sich einige der Beteiligten irgendwo wieder trafen. Ganz zu schweigen von dem ‘Kollateralschaden’ für IBEROTEL: hatten wir ausnahmsweise einmal ein Auslastungsproblem in der Nebensaison genügten ein paar Telefonanrufe und innerhalb kürzester Zeit waren Sonderaktionen und IBEROTEL-Schaufensterdekorationen in vielen deutschen Reisebüros und die betroffenen Hotels waren schnellsten ausgebucht.