Hallo!
Ich werde hier auch meine Erfahrungen mit Mietwagen in der Türkei zum besten geben. Dabei fasse ich das ganze Thema mal etwas zusammen (wo mieten, Versicherung, Verkehrsregeln,...).
Vorab Nr.1: Ich habe volles Verständnis dafür, wenn jemand nach einem Jahr Fließbandarbeit oder Ackerei auf dem Bau an einer Urlaubsgestaltung mit selbstorganisierten Ausflügen kein Interesse hat und sich nur erholen möchte - für alle anderen hier meine Tipps für einen erlebnisreichen Türkei-Urlaub. Ich freue mich über jede Rückmeldung!
Vorab Nr.2: Meine Erfahrungen beziehen sich auf Aufenthalte an der Türkischen Riviera. Daher bitte Verständnis, wenn sich Lykien- oder Ägäis-Reisende geographisch nicht so berücksichtigt fühlen.
1. Warum Türkei-Urlaub mit Mietwagen?
a) Viele interessante Ziele wie Naturschönheiten (z.B. Köprülü-Schlucht, Saklikent), einsame Strände (z.B. Gazipasa) oder historische Stätten (z.B. Selge, Seleukia, Termessos) sind nicht anders zu erreichen. Weder werden dort hin organisierte Bustouren angeboten, noch fahren Dolmus-Busse.
b) Man ist zeitlich voll flexibel und muß z.B. nicht aufs Frühstück im Hotel verzichten, nur weil um 07.30 Uhr der Bus abfährt. Man kann am Ziel solange verweilen, wie man selbst Lust hat.
c) Organisierte Bustouren - vor allem über die Reiseleitung - sind grundsätzlich überteuert, haben den Charakter einer Massenabfertigung und weisen oft Elemente einer "Kaffeefahrt" (Zwangspausen bei Teppich-, Leder-, Schmuckverkauf mit aufdringlichen Verkäufern) auf.
2. Wo und wann mieten?
a) Bitte nicht: Wer nicht sinnlos Geld verschenken will, unterläßt die Buchung eines Mietwagens von Deutschland aus, sei es über das Reisebüro oder das Internet bzw. die Buchung am Flughafen vor Ort. Ebenfalls meiden sollte man die Vermittlung über die Hotel-Rezeption oder die Reiseleitung, da diese durch ihre Provisionen unnötig den Preis treiben.
b) Wo dann? Vorzugsweise bei lokalen Anbietern vor Ort (auch nicht bei den Büros der internationalen Ketten, dort ebenfalls Mondpreise). Unabhängige, lokale Anbieter haben ihre Büros in den Touristenzentren, oft in Kombination mit der Vermittlung von Bustouren. Liegt das eigene Urlaubshotel etwas abseits, lohnt sich die Fahrt mit dem Dolmus in das nächste touristische Zentrum, um zwischen verschiedenen Anbietern wählen zu können. Keine Sorge: Gute Vermieter bieten die kostenlose Abholung des Wagens vom Hotel am Ende der Mietzeit an. Man gibt den Schlüssel dann einfach an der Rezeption ab.
3. Wie mieten?
a) Türken sind geschäftstüchtig: Steht man neugierig genug vor dem Laden, wird man sicher bald angesprochen (auf deutsch, Touristen werden erkannt). Aushändende Preise auf Werbetafeln haben oft nur Orientierungscharakter. Es kommt sehr auf das individuelle Verhandlungsgeschick an.
b) Verhandlung und Vertragsgestaltung:
aa) Welches Fahrzeug? Stets im Angebot sind in der Regel in der Türkei in Lizenz gefertigte Fiat- (Sahin, Palio, Albea) und Renault-Modelle (Clio Symbol), Koreaner (Hyundai Accent) und Suzuki-Jeeps. Fahrzeuge ohne Servo und Klima sollte man meiden, ABS gibt es leider fast nie (auch nicht, wenn in der deutschen Ausstattung üblicherweise vorhanden).
Seltener im Anbot sind Zweiräder. Wegen der erheblichen Entfernungen kann man damit aber auch wenig anfangen.
bb) Preise und Versicherung: Hat man sich auf ein Fahrzeug festgelegt, geht es um den Preis. Allgemein üblich sind Verträge mit unbegrenzten Kilometern, Haftpflicht und Vollkasko (man achte auf den Einschluß von Glas- und Reifenschäden sowie den Ausschluß von Selbstbeteiligungen). Achtung: Die Deckungssummen entsprechen bei lokalen Anbietern nicht deutschen Versicherungen!
"Mallorca-Police" ist also empfehlenswert - diese erstreckt den Kfz-Haftfpflichtschutz nach deutschem Recht auf den Urlaubs-Mietwagen (nicht die Vollkasko!).
Will man für eine Woche mieten, sollte man zuerst nach dem Preis für 3 Tage fragen, bei einer Mietdauer von 2 Wochen sollte man mit einer Woche "anfangen" - der Verkäufer wird dann langsam "warm" (nach dem Preis für einen Tag zu fragen, ist lächerlich).
Auf der Basis einer Mietdauer von 12 Tagen (zweiwöchige Reise) würde ich für einen Wagen der unteren Kategorie jedenfalls außerhalb der Hochsaison nicht mehr als 20,- € pro Tag zahlen (inkl. freie km und Versicherung).
cc) Zahlungsweise: Bargeld lacht (hat in € gehandelt, spart man nichts mehr, wenn man nach einem Lira-Preis fragt), Kreditkartenakzeptanz bei kleineren Anbietern meist nur gegen Aufpreis. Grundsätzlich Vorkasse.
c) Fahrzeugübernahme: Augen auf! Vorschäden notieren, prüfender Blick auf die Reifen und den Gesamtzustand. Tank ist zumeist fast leer, Auto wird ebenso zurückgegeben (Achtung: Keine Restvergütung!). Wo sind Reserverad und Wagenheber? Notrufnummer des Vermieters? Fahrzeugpapiere an Bord? - Vertragskopie genügt nicht!!
d) Von Deutschland aus mitbringen: Verbandskasten und Warndreieck (sind nie im Auto), Ersatzlampen-Box.
4. Auf der Straße
a) Tanken
aa) Allgemeines: Dichtes Tankstellennetz entlang der Hauptstraßen, zumeist 24h geöffnet. Keine nennenswerten Preisunterschiede zwischen den diversen Marken (Total, Shell, BP, Opet, Apet, Petrol Ofisi, Türkpetrol, Europet, Sunpet,...). Preise an den Preistafeln müssen nicht immer aktuell sein, oft ist der Tankwart nur zu bequem, die Zahlen zu ändern. SB-Tanken ist unbekannt.
bb) Zahlungsweise: Es werden die gängigen Kredit- sowie EC-Karten ohne Aufpreis akzeptiert. Bar sollte man nur in Lira zahlen, bei €-Zahlung ist der Wechselkurs sicherlich miserabel.
cc) Treibstoffangebot: Wie in Deutschland, Super bleifrei (95 Oktan) heißt "Kursunsuz", Achtung: "Süper Benzin" ist verbleites Benzin! Diesel heißt "Motorin".
dd) Preise: Z. Zt. deutlich teurer als in Deutschland, 1 l Super bleifrei aktuell 2,56 YTL = 1,53 €, 1l Diesel aktuell 1,99 YTL = 1,19 €.
ee) Sonstige Leistungen an Tankstellen: Zumeist umfassendes Shop-Angebot, Toiletten fast immer kostenlos und gut benutzbar.
b) Orientierung unterwegs
aa) Karten und Pläne: Straßenkarten nach deutschen Maßstäben sind nicht erhältlich - weder vor Ort noch von Deutschland aus. Die Ausgabe allzu guter Landkarten untersagt wohl das türkische Militär. Die allerorts angebotenen Touristenkarten genügen - im Zusammenspiel mit einem guten Reiseführer - jedoch allemal.
bb) Beschilderung: Auf Orte wird in weiß auf blauem Grund hingewiesen, auf touristische Ziele in weiß auf braunem Grund, dahinter als einfache Zahl die Entfernung in Kilometern. Außerhalb geschlossener Ortschaften ist die Beschilderung ausreichend, in städtischen Ballungsräumen (Antalya, Alanya, Konya, Denizli,...) dagegen sehr knapp gehalten und teilweise schlecht sichtbar bzw. mißverständlich. Hier sind Aufmerksamkeit und ein guter Orientierungssinn angeraten.
Straßennamen in Großstädten sind nicht überall üblich, teilweise schlecht zu sehen bzw. nicht aussagekräftig (so werden in Antalya die Straßen reihenweise einfach durchnumeriert).
c) Parken
Soweit in Städten nicht am Straßenrand möglich, ist das Parken in der Regel kostenpflichtig, öffentliche Parkplätze sind teilweise schwer zu finden (z.B. in Antalya-Altstadt direkt am alten Hafen). Bei historischen Sehenswürdigkeiten sind ausreichend kostenpflichtige Parkplätze vorhanden, Gebühr zumeist 1,- bis 2,- YTL.
5. Verkehrsregeln und Teilnahme am Straßenverkehr
a) Allgemeines
Verkehrsregeln und -zeichen entsprechen dem von Deutschland gewohnten. Hier die Übersetzung einiger Aufschriften in türkischer Sprache:
Dikkat = Achtung, Vorsicht
Dur = Stop
sehir merkezi = Stadtmitte
yavas = Langsam fahren
Die Höchstgeschwindigkeit beträgt auf Landstraßen 90 km/h, auf Autobahnen (selten) 130 km/h und innerhalb geschlossener Ortschaften (wohl nicht gleichzusetzen mit den Ortsschildern, diese bezeichnen eher die Gemeindegrenzen!) 50 km/h.
Geschwindigkeits- und Verkehrskontrollen sind häufig, die niedrigste Geldstraße für Geschwindigkeitsüberschreitungen liegt wohl bei umgerechnet 50,- €.
b) Soweit die Theorie - und nun die Praxis:
Allgmein gilt, daß die geschriebenen Verkehrsregeln nur einen groben Rahmen vorgeben, der von den Verkehrsteilnehmern auf recht eigenwillige Weise ausgefüllt wird. Dabei wird sehr selbstbewußt, aber nicht grob rücksichtslos gefahren.
- Überholverbote, durchgezogene Mittellinien und Sperrflächen werden kaum beachtet, Geschwindigkeitsbegrenzungen, vor allem in Baustellenbereichen, wenig respektiert.
- An Zebrastreifen wird grundsätzlich nicht gehalten: Will man dort bremsen, achte man auf eventuellen rückwärtigen Verkehr und freue sich dann an den erstaunten Blicken der Fußgänger.
- Vorsicht bei Ampelkreuzungen: Nicht alle Verkehrsteilnehmer interessieren sich für das Farbenspiel, dauert es zu lange, fährt schon mal einer noch bei "Rot" los. Oft sind die Glühlampen einzelner Farben durchgebrannt.
- Auf den Straßen, auch auf autobahnartig ausgebauten, sind allerlei fragwürdige Fahrzeuge unterwegs: Von Traktoren mit Anhängern und Passagiern darauf, wahnwitzig beladenen und museumsreifen Lkws bis zu riesigen Straßenbaufahrzeugen oder Eselkarren kann einem alles begegnen. Diese Fahrzeuge verlassen bzw. biegen auf die Straßen an den unmöglichsten Stellen ein, so daß man Abstand halten und stets bremsbereit sein sollte. Fußgänger überqueren die Fahrbahn zumeist recht gedankenlos und mit einem erstaunlichen Gottvertrauen.
- Vor allem in Großstädten werden markierte Fahrspuren nicht beachtet. Es gilt dann schon mal "aus 3 mach´ 4". Möchte man an großen Kreuzungen nicht abbiegen, ordne man sich immer in der Mitte ein; man wird sonst gnadenlos mit zum Abbiegen gedrängt.
- Von Fahrten bei Dunkelheit ist nicht generell abzuraten. Es ist allerdings zu bedenken, daß vor allem landwirtschaftliche Fahrzeuge meist schlecht bis gar nicht beleuchtet sind und man diese aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit bei der Annäherung erst entsprechend spät wahrnimmt. Auch viele andere Fahrzeuge sind nur mangelhaft beleuchtet und Baustellen sowie sonstige Gefahrenstellen wie etwa abgestellte Fahrzeuge werden nicht nach deutschen Maßstäben abgesichert. Vom Fernlicht wird auch bei Gegenverkehr recht ausgiebiger Gebrauch gemacht, wer abblendet, schaut in die Dunkelheit.
- Die Überholabsicht ist - auch auf mehrspurigen Straßen - durch Hupe bzw. Lichthupe anzuzeigen. - Vor gefährlichen Kurven sollte immer gehupt werden.
- Vor allem schwere Fahrzeuge wie Lkw und Busse schleudern oft viel Dreck auf. Um die "Verzierung " des Autos mit Steinschlägen zu vermeiden, sollte man entsprechenden Abstand halten.
- Generell gilt, daß ein aufmerksamer Beifahrer viel wert ist. Soweit dieser tatsächlich als "Copilot" agiert, lassen sich viele gefährliche Situationen bereits im Vorfeld vermeiden.
c) Straßenzustand
Der Straßenzustand ist im allgemeinen sehr gut. Der türkische Staat investiert intensiv in den Ausbau des Verkehrsnetzes, was auch damit zusammenhängt, daß andere Verkehrsträger nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
So ist etwa die Fernstraße D-400 zwischen Antalya und Alanya inzwischen fast durchgehend mindestens vierspurig ausgebaut. Auch die anderen Fernstraßen sind durchgehend asphaltiert und gut ausgebaut. Auch abseits der Hauptverkehrswege sind die Straßen asphaltiert und problemlos befahrbar (wer hier dumme Bemerkungen machen möchte, sollte nur einmal einige Ortsverbindungsstraßen in den nördlichen Landkreisen des Landes Brandenburg benutzen!).
Vom Fahrbahnbelag abgesehen müssen im Vergleich mit Deutschland jedoch dort Abstriche gemacht werden, wo es um die sonstige "Sicherheitsausstattung" geht: So fehlen teilweise Leitplanken an gefährlichen Kurven (vor allem im Gebirge) und die Beschilderung bezüglich etwaiger Gefahrenstellen könnte umfangreicher sein.
6. Ausblick
Ist man zum ersten Mal in der Türkei mit dem Auto unterwegs, sollte man zumindest einen Tag zur "Eingewöhnung" einplanen. Danach gewöhnt man sich an die örtlichen Verhältnisse recht schnell und lernt auch, mehr als in Deutschland mit- bzw. vorauszudenken, um eventuell gefahrbringendem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer rechtzeitig zu begegnen. Um zügig im Verkehr mitschwimmen zu können, ist die Übernahme einiger örtlicher Verhaltensweisen nützlich. Man kann dann zu Hause wieder darauf verzichten, trotz Verbots zu überholen (man kommt sonst manchmal an Lkws nie vorbei) oder ein wenig schneller durch die Baustellenbereiche zu fahren.
Hoffentlich habe ich mit meinem "Aufsatz" dem einen oder anderen die Entscheidung für einen Türkei-Urlaub mit selbstorganisierten Ausflügen erleichtert. Einmalige Erlebnisse werden der Lohn für das "Wagnis Mietwagen" sein.
Viele Grüße - freue mich auf Resonanz!