Moin zusammen!
Handelt es sich um einen Flug von oder nach der Europäischen Union, dann unterliegt jede Airline - auch eine ausländische, die nicht ihren Sitz in der EU hat - den Richtlinien der EU-Fluggastrechte. Bestehen berechtigte Ansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung, dann sind auch diese Airlines zur Entschädigung verpflichtet. Also lohnt es sich, auf sein Recht zu bestehen, unabhängig von der Airline.
Was mich wundert, besonders bei mehrstüdigen Verspätungen, dass so wenige Passagiere ein Protokoll des Geschehens führen, denn es macht einen gravierenden Unterschied, ob man mit einer Verspätung von 2:55 Std. am Zielort ankommt oder mit 3:04 Std. Delay. Diverse Websites im Netz bieten "historical flight data" an, also die Flugdaten auch länger zurückliegender Flüge, jedoch meistens nur noch Abschluss eines kostenpflichtigen Zugangs. Man muss sich also überlegen, ob sich diese Investition lohnt.
Wendet man sich bei berechtigem Anspruch an die zuständige Fluggesellschaft, erhält man häufig entweder gar keine Antwort oder eine, in der die Ansprüche abgelehnt werden. Oft werden falsche und rechtlich irrelevante Begründungen genannt, dass z.B. ein Streik beim Bodenpersonal in XYZ nicht von der Fluggesellschaft verantwortet werden könne oder es wird schlichtweg mit dem Wetter argumentiert, obwohl ganz andere Gründe vorlagen oder sogar mehrere, bei denen das Wetter nur eine untergeordnete Rolle einnahm.
Einen solchen Fall hatte ich hinter mir, als mit einem Gewitter über FRA argumentiert wurde. Dieses hatte aber nur 20 Minuten Verzögerung des Einsteigens ausgelöst an einem anderen deutschen Flughafen und mehrere organisatorische Versäumnisse gepaart mit technischen Ausfällen, wodurch wir eine Gesamtverspätung von ca. 2 Std. aufsummierten, inklusive Verpassen des Langstreckenflugs, und die darauf folgende Umbuchung brachte uns mit 10 Std. Verspätung ans Ziel. Die Airline lehnte die Zahlung ab mit begründung Wetter, und das Amtsgericht Frankfurt sah das ganz anders. Fazit: 1.708 EUR Erstattung, also 2 x 600 EUR plus meine Anwalts- und Gerichtskosten.
Tipp: reist man zu zweit oder einer noch größeren Gruppe unter einer Buchungsnummer, sollte man zuerst den Anspruch eines einzigen Passagiers zu klären versuchen, denn dann können alle anderen Beteiligten als Zeugen auftreten. Reiserechtsportale beanspruchen für sich einen Teil der Entschädigung als Provision, der Gewinn für den Passagier Besteht darin, dass er sich um den Beschwerdeprozess nicht weiter kümmern muss und er kein Prozesskostenrisiko erleidet, denn im Falle des Anspruchsablehnung fallen keine Gebühren an. Nimmt das Reiserechtsportal den Fall an, dann fand zuvor eine interne Prüfung der Verfahrenaussichten statt, und somit bestehen gute Gewinnchancen.
Für die Zukunft kann man nur raten: Zeichnet sich eine Verspätung ab, sollte das Sammeln von Beweisen los gehen. Fotografieren der Anzeige am Gate. Screenshots von Flightradar24 speichern, welche die Verspätungen ebenfalls protokolliert. Oft kommt eines zum anderen. Hier fehlt ein Bus, da fehlt eine Treppe, da fällt das Hilfstriebwerk aus, da kam das Flugzeug zu spät, die Crew war nicht rechtzeitig da, hat Ruhezeitkonflikte und und und... all das wird per Ansage am Gate oder auch im Flugzeug bekannt gegeben. Einfach filmen mit Handy oder Digicam, Ton aufzeichnen, fertig und notieren, wann welche Information an die Passagiere ging. Die Richter wissen um die Haltung der Airlines, die auch berechtigte Forderungen oft von vorn herein ablehnen, um Millionenbeträge zu sparen, weil die meisten Kunden vor juristischen Auseinandersetzungen zurück schrecken, und urteilen daher äußerst verbraucherfreundlich.
Es gibt ganze Kanzleien, die nur von Prozessen gegen Airlines leben. Wie kann das sein? Weil Airlines ständig verlieren *lg*