Oft heißt es ja Leute sind woanders gastfreundlicher. "Sowas funktioniert in Deutschland nicht". Warum nicht? Weils keiner ausprobiert! In zeiten des Massentourismus der die Welt verändert fand ich es um so interessanter es vor der eigenen Haustür zu machen. Wo sonst kann man so authentisch reisen?
Also die "Deutschen" waren schon saucool. Ich glaube manchmal wäre ich selbst nicht so cool gewesen. Ich hab mir vorher überlegt wie es wäre wenn bei meinen Eltern oder meinen Freunden jemand klingeln würde. Da würde niemand eine Tür aufmachen so dachte ich. Warum also durchweg positive Erfahrungen?
Nun, zum einen haben mir die Leute immer gesagt das es darauf ankommt wie die Leute auftreten, und mir wurde durchweg eine sehr nette, aufgeweckte und sympatische Art bescheinigt. Es kommt sicherlich darauf an wie man fragt, und was man den Leuten erzählt.
Man sollte ehrlich und authentisch sein, und mit einem großen Backpack auf dem Rücken ist man keine potentielle Gefahr. Oft habe ich gemerkt das Leute anfangs sehr etwas vorsichtig waren. Ich erinnere mich an den 87 Jährigen Johannes und seine zweite "Mutti" tief in der Oberlausitz. Er sass Kartoffeln schälend auf der Veranda, als ich ihn ansprach, er war ja schon draußen. Am anfang vorsichtig, etwas misstrauisch wandelte sich das ganze in einen unglaublichen Abend.
Nach 2 Minuten war klar: Ich kann mein Zelt aufstellen. In Kreisbewegungen führte er zufällig arbeiten wie Gänseblümchen zupfen oder Geranien gießen aus und die Kreisbahnen wurden dann immer enger bis er direkt vorm Zelt stand. Der "Fremde" im Garten wurde also erstmal vorsichtig beäugt. Wir begannen uns erstmal über früher zu unterhalten. Im Krieg sei er gewesen, und was er nicht schon alles gemacht hätte.
Er ging, um nach 10 Minuten wiederzukommen. Ob ich duschen möchte? Was Essen möchte? Das Duschen nahm ich an, aber meinte ich kann mir selbst eine Dose Ravioli machen, schließlich wollte ich den alten Leuten keine Arbeit machen. Als ich aus der Dusche kam hatte seine "zweite Mutti" wie er seine zweite Frau liebevoll nannte schon ein Festtagsbüffet aufgefahren. Über Lachsscheiben, diverse Brotsorten, Knäckebrot und Toast, Käse, Wurst, Joguhrt, Salate war alles vorhanden.
Der Abend war höchstinteressant, es wurde viel erzählt und gelacht, und zwischendurch erwähnte ich wirklich ohne Hintergedanken, ich müsse in Dresden mein Fahrrad-Lager machen lassen, das wäre total hinüber. "Na ich bin dochn gelernter Schlosser, wäre dochn Witz wenn ich das nicht mehr hinbekomme".
Ich wollte dem alten Mann wirklich keine Arbeit machen, lehnte dankend ab und ging dann schlafen. Am nächsten Morgen wachte ich um 8 Uhr von Hammerschlägen auf. Johannes stand in seiner Werkstatt und hatte das Lager bereits zerlegt. Als ich wortlos vor ihm stand sagte er nur "Geh du erstmal richtig frühstücken, steht schon alles da". Diesmal war der Küchentisch sogar verlängert ausgezogen. Mutti war schon früh zum Becker und hatte Brötchen geholt. Mir war das schon fast unangenehm.
Ich ging später raus und half Johannes. Am Anfang hatte ich angst er würde das Fahrrad nie wieder zusammenbekommen und das nächste Radgeschäft war ca. 20km entfernt. Mit zittrigen Händen arbeitete er sich vor. Dieser alte 87 Jährige Mann bastelte ein komplett neues Kager inklusive Lagerkäfig aus alten Militärlagern aus NVA bestand! Ich war begeistert! In 2 Stunden.
Als ich mich bedankte und meine Sachen zusammensortierte Kam Mutti mit einem Lunschpacket. Tunfisch, Käse, Joguhrt, belegte Brote und 20 Euro, 10 von Mutti, 10 von Johannes. "Und die geben wir gern".
Dieses alte Paar beschäftigte mich noch lange. Ich habe mich später per Postkarte noch einmal bei Ihnen bedankt. Das war reine Gastfreundschaft. Und der Johannes ist mit seinen 87 Jahren nochmal richtig aufgeblüht. Vielleicht war es lange her das ihn jemand als Schlosser gebraucht hat. Vielleicht sind die beiden sonst auch eher einsam.
Und es sollten weitere Begegnungen dieser Art folgen. Egal ob 16 oder 87, die Reaktionen waren gleich. Ich denke wir leben in einem Land das relativ dicht besiedelt ist. 80 Millionen Menschen. Auf so engem Raum. Dadurch geht man sich oft auf den Keks, im Arbeitsleben herrscht oft Ellenbogenmentalität, viele fühlen sich wie im Hamsterrad der Dienstleistungegesellschaft, jeder ist beschäftigt mit seinem eigenen kleinen Leben.
In der Regel führt das zu einer egoistischen Daseinsform. Und zu einer misstrauischen. Vielleicht ist es gerade dieser Kontrast den ich den Leuten geliefert habe, der sie kurz aufblicken lässt und sie dazu führt etwas anderes zu unterstützen.
Ich habe in Dortmund Rowi den Clown getroffen. Der sagte mir: Wenn du jonglierst oder etwas aufführst, dann geben dir die Leute das Geld in erster Linie nicht für das was du tust. Viel eher wird ein Traum verkauft. Ein Traum von Freiheit und Abentteuer. Wenn Sie dir einen Euro in den Hut werfen oder dich unterstützen, dann Leben sie, wenn auch nur für einen kurzen Moment, diesen, Deinen Traum ein Stükchen mit " . Rowi war ziehmlich weise wie ich fand. Der Satz erklärt warum meine Reise funktioniert hat.
Ich war unterwegs in einem Erste-Welt-Land in dem die Leute zwar Geld hatten, aber in dem es Ihnen oft an anderen Dingen mangelte. Ich kann mir vorstellen das ich für einige Midlife-Crises verantwortlich bin, die ich bei einigen Leuten veruhrsacht habe........
Viele waren aber einfach nur herzensgute Menschen. Als ich wie erwähnt im touristenüberfüllten und sauteuren Königsee meine Bälle rausholte kam schon nach 1 Minute der Budenbesitzer von nebenan. Ich dachte "Na jetzt jagen die dich hier aber davon". Aber nein. "Dir fallen ja schon die Bälle aus der Hand, da musste doch erstmal was Essen". Die Eisverkäuferin von der anderen Bude versorgte mich mit Getränken, und als die Leute nichts gaben bekam ich das Tagestrinkgeld vom Chef.
Als ich das später einem Hubschrauberpiloten, der mich von Bergdesgarden nach Salzburg in Österreich im Auto mitnahm erzählte, sagte der nur "Was denn? Bei uuuuuunssss? Sowas gibts bei uuuuuuns? Das glaub ich dir nicht."
Das heißt: Wir haben oft ein zu schlechtes Bild von uns und unserer Umwelt. Das heißt auch: Zeitung abbestellen, mal wieder öfters mit den Nachbarn reden, aufgeschlossener durch die Welt gehen und sich nicht durch Fehlinformationen in den Medien und ständige schlechte Nachrichten ein einseitiges falsches Weltbild aufquatschen lassen.......