... um den letzten Satz aufzunehmen: Die Situation der Hotels in der Türkei ist traurig.
Stimmt. Als Wirtschaftswissenschaftler würde ich mir jetzt die Fakten anschauen, die dafür verantwortlich sind. Da mehrere Hotels davon betroffen sind, würde ich das jeweilige Hotelmanagement ausschließen. Das Konkurrenzangebot hat sich auch nicht groß verändert; andere Billig-Urlaubsländer kommen teilweise noch schlechter weg; ein neues "Trend-Urlaubsland" ist nicht aufgetaucht. Das Urlauber-Potential hat auch nicht abgenommen - nur eben sein Ziel verlagert. Türkei nach unten, Spanien z.B. nach oben. Für einen Trend kommt das zu schnell und zu heftig.
Was also könnte die Ursache sein für den touristischen Einbruch in der Türkei? Ich glaube, es liegt nicht an den wirtschaftlichen Faktoren.
Abgesehen von individuellen Kriterien, die für die Wahl des Urlaubslandes entscheidend sind, sind Urlauber auch Konsumenten und beim Konsumentenverhalten gibt es nunmal unterschiedliche Typologien. Da haben wir beispielsweise den "Preisbewussten", der nach der Devise "Geiz ist geil" versucht, mit möglicht wenig Geld viel Urlaub zu bekommen. Um diesen Konsumententyp muss sich die Tourismusbranche in der Türkei keine Gedanken machen.
Dann gibt es noch einen Typ - nennen wir ihn mal den "Sicherheitsbewussten". Der denkt zuerst an die Sicherheit seiner Familie. Medienberichte über die Sicherheitslage in der Türkei und die politische Situation, vielleicht auch Stammtischgespräche verleiten ihn dazu, seinen Urlaub lieber auf den Kanaren zu verbringen.
Dann hätten wir den - ich nenne ihn mal- "Ideologen". Der hat genug Geld, Mut und leider aber auch Ideale. Die Türkei gefällt ihm zwar, aber nicht die politische Situation. Er will mit seinem Boykott ein Zeichen setzen.
Natürlich erhebt diese "Typologie" keinen Anspruch auf Vollständigkeit, macht aber m.M. deutlich, dass die Ursache des touristischen Einburchs in der Türkei keinen wirtschaftlichen Hintergrund hat sondern einen politischen.
Mit Russland hat sich Erdogan angelegt - Russen dürfen nicht mehr in die Türkei reisen.
Und die EU hat er auch verprellt - da wollen viele nicht mehr in die Türkei reisen.
Als Europäer ist es immer schwer nachvollziehbar, wieso dieser Mann so einen Rückhalt in der Bevölkerung hat (nun gut, nach den Wahlen in den USA nicht mehr). Aber er hat die Türkei in seiner Regierungszeit wirtschaftlich nach oben gebracht. Was passiert jetzt aber mit ihm, wenn die Wirtschaft einbricht?
Zum Islam: Der Islam sieht keine Trennung von Staat und Religion vor. Atatürk hat diese Trennung damals in der Türkei eingeführt und sie westlicher ausgerichtet. Ziel von Erdogan und seiner konservativen-islamistischen Partei ist, diese Trennung wieder rückgängig zu machen.
Eine Diskussion über die wirtschaftliche Lage der Hotels in der Türkei lässt sich daher m.M. nicht von der Politik (und in diesem Fall auch von der Religion) trennen.
Zur Medienschelte: ja ja die Lügenpresse. Natürlich machen Medien Meinungen und beeinflussen damit auch Stammtischgespräche. Aber bei uns wird vorher nicht staatlich vorgegeben, mit welcher Meinung der Stammtisch versorgt wird. Und wenn nur die Hälfte der Sprüche Erdogans, die hier bekannt werden, an einen türkischen Stammtisch gelangen, kann ich mir schon "Deutschenfeindlichkeit" vorstellen. Völkermords-Vorwürfe passen nunmal nicht zu Nationalstolz.