Medien-Spott nach BER-Debakel
Auf die kurzfristige Verschiebung des Eröffnungstermins für den neuen Hauptstadtflughafen reagieren Publikumsmedien mit Hohn. Während die Branche relativiert, wächst in Berlin und Brandenburg der Druck nicht nur auf die Regierungsspitzen.Berliner und Brandenburger Zeitungen haben sich vom Schönefelder Flughafen-Debakel zu besonders einfallsreichen Schlagzeilen und Titelseiten inspirieren lassen. Schon gestern waren Vorwürfe laut geworden, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hätten sich nicht ausreichend um ihre Pflichten im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft gekümmert.
Auf Seite 1 des «Berliner Kuriers» grüßt Wowereit am Mittwoch lachend mit einer aufgesetzten Kapitänsmütze. «Der regierende Bruchpilot», heißt es dazu. Wowereit und Platzeck seien die «Versager von Schönefeld». «Berlin fällt aus allen Wolken» titelt der «Tagesspiegel» zu der geplatzten Eröffnung. Schlüpfrig dagegen die «taz»: «Berlin kriegt keinen hoch.»
Kurz formuliert es die «Bild»: «Berlin blamiert» - und berichtet, die Brandschutzprobleme seien bereits seit sechs Monaten bekannt. Die «Potsdamer Neuen Nachrichten» berichten derweil, dass die Betriebsgenehmigung entgegen den Angaben des Flughafens von offizieller Stelle verweigert wurde.
Die Titelseite der «Berliner Zeitung» sowie der Schwesterzeitung «Frankfurter Rundschau» ziert ein großes rotes Fragezeichen, dazu die Zeile «In der Warteschleife». Es ist die Rede vom «Projekt der Bruchpiloten». Die «Berliner Morgenpost» wendet sich direkt an die Leser, von denen auch viele Passagiere sind: «Ihr Abflug verspätet sich.». Zudem geht es um den Flughafenchef: «Schwarz stürzt mit seinem wichtigsten Projekt ab».
Ähnlich sieht es die größte Boulevardzeitung der Hauptstadt, die «B.Z.», mit den Worten «ganz Deutschland lacht über uns» stellt sie auf der Titelseite die Frage: «Keine fliegt (außer dem BER-Chef?)».
Flughafen-Chef Rainer Schwarz hat für die Verschiebung der Eröffnung des Hauptstadtairports Berlin-Brandenburg Fehler in der Projektsteuerung verantwortlich gemacht. Nach seiner Darstellung hat es in diesem Bereich Fehleinschätzungen über den Umfang der lösbaren Aufgaben bis zur Inbetriebnahme gegeben. Einen Rücktritt lehnte Schwarz erneut ab.
Laut «Tagesspiegel» bewegt sich nun «ein gewaltiger Schwarm des Spotts himmelwärts». Berlin sei jetzt «die lustigste Stadt der Welt». Auch «Neues Deutschland» lässt es in den Berichten zu den Mängeln mit der Entrauchungsanlage nicht an Häme fehlen: «Willy Brandt fehlt es an Brandschutz».
Auch die Brandenburger Presse ist schockiert von der überraschenden Nachricht. «Großflughafen bleibt Großbaustelle» titelt die «Märkische Allgemeine Zeitung» in Potsdam. Das Blatt lässt in seinen Aufmacherbericht ein gelbes Warnschild hineinragen. «Betreten der Baustelle verboten - Eltern haften für Ihre Kinder.» Im «Oranienburger Generalanzeiger» heißt es zur am Dienstag besonders sichtbar gewordenen Enttäuschung des Brandenburger Ministerpräsidenten: «Platzeck tobt». Die «Märkische Oderzeitung» sieht «Flughafen-Manager im Tief».
Branche relativiert
In Berlin geht die Ursachenforschung zu den Brandschutz-Problemen am neuen Hauptstadtflughafen weiter. Die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg verlangen von ihrer Flughafengesellschaft detaillierte Aufklärung, warum die Schwierigkeiten erst so spät ans Licht kommen konnten. Zudem deutet sich ein parlamentarisches Nachspiel an: Die Opposition im Abgeordnetenhaus will wissen, welche Schadenersatzansprüche auf das Unternehmen zukommen und den Senat am Donnerstag in Plenum ins Kreuzfeuer nehmen.
Airlines und Fluggäste müssen nun umdisponieren. Die bisherigen Flughäfen Tegel und Schönefeld bleiben länger als geplant offen. So sollen keine der im Sommer geplanten Flüge ausfallen. Nun wird angestrebt, den Hauptstadtflughafen im August in Betrieb zu nehmen. Noch unklar ist, wer wem möglicherweise Schadenersatz zahlen muss.
Berlins oberster Tourismuswerber Burkhard Kieker sieht in der geplatzten Eröffnung des Hauptstadtflughafens auch Vorteile für das Ansehen der Deutschen in der Welt. «Jetzt sagen alle: Ach guck mal an, bei denen geht auch mal was schief», sagte Kieker am Mittwoch. Das könne den «Musterschülern» aus Deutschland Sympathien einbringen, auch wenn nun der Spott groß sei. «Wir haben es geschafft: Die Häme ist unser. Die Welt lacht über uns.» Das sei aber nur vorübergehend und erledige sich, wenn der Flughafen in Betrieb ist, hob Kieker hervor. «Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, dann sind auch der Imageschaden und die Häme vergessen.»
Stand: 09.05.2012 - 12:03 Uhr - Quelle: dpa, dapd, AFP, airliners.de