@wuelfi71 sagte:
So klar ist das trotz Deines selbstbewussten Auftretens und reichlichen Gebrauchs von Fettbuchstaben m.E. nicht. Nach normalen Rechtsgrundsätzen kann eine Pauschale immer nur anstelle der tatsächlich entstandenen Kosten treten, nie zusätzlich dazu gefordert werden, so wie vonschmeling es auch ausgeführt hat. Es handelt sich somit um einen Mindestbetrag, das sagt eigentlich auch schon der gesunde Menschenverstand.
Ein paar ganz Schlaue haben dann ein sehr weit hergeholtes Konstrukt entwickelt: Ihrer (Minder-)meinung nach soll die Pauschale nur immaterielle Schäden entschädigen, so dass materielle Schäden zusätzlich geltend gemacht werden könnten. Dabei beziehen sie sich auf ein BGH-Urteil aus der Mottenkiste, nämlich BGH, 09.03.1982 - VI ZR 317/80, in dem es um einen Unfall auf einen nicht gestreuten Weg ging. (...)
Wer also meint, zusätzlich zur Pauschale sich noch Beträge vom Luftverkehrsunternehmen erklagen zu können, begibt sich m.E. auf dünnes Eis (...)
@Wülfi71, na ja, so reichlich - wie von Dir erhofft - war der Gebrauch von Fettbuchstaben nun auch wieder nicht. Du darfst im Übrigen natürlich Deine eigene Rechtsauffassung haben, aber sie ist leider nicht zutreffend. Maßgebend für Schadenersatzforderungen bei Flugannullierungen/-verspätungen ist nicht ein "BGH-Urteil aus der Mottenkiste", das sich mit ungestreuten Gehwegen im Schnee beschäftigt, sondern - wie bereits ausgeführt - die EU-FluggastrechteVO 261/2004. Bezüglich Flugannullierungen sind in Art. 5, Abs. 1a) Entschädigungen für Auslagen unter Bezugnahme auf Art. 8 geregelt und zusätzlich in Art. 5, Abs. 1c) Entschädigungen für immaterielle Schäden/Unannehmlichkeiten unter Bezugnahme auf Art. 7 geregelt. Hier geht's also nicht um "ein paar ganz Schlaue" oder eine fragwürdige "Mindermeinung", wie von Dir fälschlicherweise wahrgenommen, sondern um die aktuelle Rechtslage.
@wuelfi71 sagte:
Auf jeden Fall hat es gereicht, den BGH damit zu verwirren, der drauf hin eine Anfrage an den Gerichtshof der Europäischen Union gestellt hat. Was daraus geworden ist, konnte ich leider nicht mehr recherchieren.
Nein, der BGH war nicht verwirrt. Der BGH hat den EuGH auch nicht wegen ungestreuter Schneewege angerufen, sondern - wie im Übrigen auch das Handelsgericht Wien - aufgrund einer im Jahre 2009 aktuell vorliegenden Klage bezüglich großer Flugverspätungen. Dabei ging es genau um diesen Punkt der Entschädigung von materiellen Auslagen und einer zusätzlichen Entschädigungspauschale für immaterielle Schäden/Unannehmlichkeiten. Der BGH hat dabei auf einen Schwachpunkt der EU-VO 261/2004 hingewiesen, dass nämlich dort große Flugverspätungen schlechter gestellt werden als Flugannullierungen, obwohl der Schaden für den Fluggast vergleichbar ist. Dazu hat der EuGH im November 2009 festgestellt, dass Fluggäste, die von einer großen Verspätung betroffen sind, einen ähnlichen Schaden in Form eines Zeitverlusts erleiden wie Fluggäste bei einer Flugannullierung und sich somit in einer vergleichbaren Lage befinden. Es wäre daher - laut EuGH - nicht gerechtfertigt, die Fluggäste verspäteter Flüge anders zu behandeln, wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Demzufolge hat der EuGH entschieden, dass Fluggästen bei Verspätungen von über 3 Stunden am Zielort neben den bereits bestehenden Entschädigungen für materielle Schäden gem. Art 8, EU-VO 261/2004, ebenso wie bei Flugannullierungen auch eine Entschädigungspauschale für immaterielle Schäden/Unannehmlichkeiten gem. Art 7, EU-VO 261/2004, zusteht.