20. August 2007 12:55:54
Bild.T-Online
Seite 1 > News
Chaos beim Rauchergesetz
Sind unsere Politiker denn total benebelt?
Von N. BLOME, S. Ernst J. MEYER und J. TOPAR
Berlin – Riesen-Blamage für die Bundesregierung: Sechs Monate beraten vier Ministerien und eine Expertengruppe des Bundestages ein Gesetz zum Schutz der Nichtraucher – und in letzter Minute wird es wieder zurückgezogen.
Grund: Der Bund ist gar nicht zuständig, sondern die 16 Bundesländer. Hätte man das nicht gleich wissen können? Sind unsere Politiker denn total benebelt? Die Opposition ist fassungslos!
Der FDP-Abgeordnete Detlef Parr: „Dilettantisch, eine Bankrotterklärung der schwarz-roten Koalition!“ Grünen-Fraktionschefin Renate Künast: „Für die Arbeitsweise der Regierung zeigt sich hier, dass das Wort Murks noch steigerbar ist.“
Geradezu absurd: Alle haben es gewusst! Die vier zuständigen Ministerien (Gesundheit, Verbraucher, Innen und Justiz) bekriegten sich sogar mit Rechtsgutachten!
Schon im Juni gab es Warnungen, dass das sogenannte „Gaststättenrecht“ nach der Reform der Bund-Länder-Beziehungen (Föderalismusreform) ausschließlich Ländersache ist – ein bundesweites Gesetz gegen das Rauchen in Restaurants also nicht möglich ist
Nur für seine eigenen Gebäude und Ämter kann der Bund Nichtrauchen verfügen. Vor einer Woche dann wollten Verbraucherschutz- und Gesundheitsministerium das Gesetz retten – und wegen der Krebsgefahr für Raucher auf die Bundeszuständigkeit bei „Maßnahmen gegen gemeingefährliche Krankheiten“ stützen.
Ein Sprecher von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gestern: „Es ist nicht unehrenhaft, über das verfassungsmäßig Mögliche hinauszudenken.“ Klartext: Schmidt ahnte, dass sie das Grundgesetz verletzt.
Am vergangenen Mittwoch dann das endgültige Aus: Innen- und Justizministerium setzten sich bei einem Krisentreffen im Kanzleramt durch – das Gesetz kommt nicht! Jetzt droht beim Nichtraucherschutz Chaos in Deutschland – denn die Länder sind weder in der Sache noch im Zeitplan einig.
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller zu BILD: „Aus dem privaten Bereich sollte sich der Staat möglichst heraushalten. Ob in Restaurants oder Bars geraucht werden darf, sollten Besitzer und Kunden entscheiden. Natürlich macht es einen Unterschied, ob es um reine Speiselokale oder die Kneipe um die Ecke geht.“
Hotel- und Gaststätten-Präsident Ernst Fischer zu BILD: „Jetzt droht ein Rückfall in Kleinstaaterei, der Gäste und Wirte verprellt. Ein Flickenteppich wie beim Ladenschluss muss verhindert werden. Freiwillige Regelungen sind besser als Verbote und Bußgelder.“