Hallo, liebe Foristen!
Da ich nun schon ein paar Jahre hier im Forum unterwegs bin, auch munter Hotels, Sehenswürdigkeiten und auch Kreuzfahrtschiffe bewerte, fallen mir mehr und mehr einige seltsame Trends auf, die ich hier gern mal mit Euch diskutieren würde.
Beispiel: die "hilfreiche" oder "nicht hilfreiche" Bewertung. Gebe ich einem Schiff oder einem Hotel einen "Daumen hoch" liegt die Quote für "hilfreich" in der Regel bei 100%. Gebe ich mit einen sehr spezfizierten Begründung einen "Daumen runter" oder empfehle gar nur mit gewissen Einschränkungen, gibt es vielleicht mal 20% oder 37%. Daraus leite ich mal flugs Folgendes ab: wir scheinen da eher eine Piep-Piep-Piep-Wir-Haben-Uns-Alle-Ganz-Doll-Lieb-Community zu sein, in der alles gern mit dem zuckersüßen Sirup der Lobhudelei übergossen werden muss, alles ist und muss gaaaanz toll sein und wehe, wenn einer mal aus der Reihe tanzt und was Negatives über das Schiff oder das Hotel sagt, das einem persönlich vielleicht gaaaanz doll zusagt, dann ist das wie eine persönliche Beleidigung. Ja, ich weiß, es ist ein bisschen provokant und knackig formuliert, aber es ist mein Eindruck. Liege ich denn da sooo falsch?
Genauso läuft es mit meiner Beobachtung in den Reiseforen. Da werden über Stunden und Tage aberwitzige Gewalttouren durch den Westen der USA oder Kanadas "ausgearbeitet", mit minutiösen Arbeitsplänen, wann man an welchem Nachmittag in San Francisco in welcher Kneipe welches Bier trinken und wann in Las Vegas zu welcher Stunde welches Café besuchen möchte, einschließlich Abfahrts- und Ankunfszeiten mit dem PKW und so weiter und so fort. Tägliche Fahrtstrecken übersteigen jedes Maß, das man sich in Europa noch freiwillig zumuten würde und dann kommt die Frage: "Was sagt Ihr dazu?" Sagen die User was dazu, dass nämlich sie diesen Reiseplan für absolut untauglich halten, erfolgt sehr häufig gar keine Reaktion oder eine recht pampige.
Liebe Leute, wollen denn hier so viele eigentlich eher gar keinen Ratschlag sondern suchen doch eher nur die Bestätigung ihrer eigenen Meinung? Wenn das denn so ist, dann brauchen wir keine Foren, dann reicht ein Post-it-Zettel daheim am Spiegel, auf dem geschrieben steht. "Ich weiß alles besser und meine Pläne sind immer optimal."
Warum werden kritische Aspekte stets so negativ beurteilt? Es kann doch nur von Vorteil sein, wenn zu einem Hotel oder Schiff mal nicht 100% aller Nutzer der Meinung sind, dass dieses oder jene Hotel oder Schiff ihren Vorstellungen entsprach, zumal wenn die Ansicht noch mit vielen Beispielen begründet wird. Dann kann ein jeder selbst entscheiden, ob der eine oder andere kritisch angemerkte Punkt für ihn wichtig sei oder nicht.
Noch eine Eigenart von Foren, die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Dass Urlaub nicht immer eitel Sonnenschein ist, erfährt man bei Reisekranken und -unfallversicherungen und den Fluglinien, die professionell Krankenrücktransporte betreiben. Es gehen also rein statistisch betrachtet von allen angetretenen Urlaubsreisen eine Zahl X massiv in die Hose. Lesen wir von denen etwas in den Reiseforen? Nein. Das mag verschiedene Gründe haben: erstens hat, wer mit gebrochenen Knochen oder Schlimmerem in einer Klinik liegt, andere Sorgen als in Reiseforen von seinem Leid zu berichten und zweitens, auch nach seiner Genesung, mal es den Betroffenen nicht sehr angenehm sein, davon zu erzählen, zumal wenn das Unglück auf gewissen Fehleinschätzungen eigener Fähigkeiten oder Ähnlichem beruhte. Ergo - erscheinen Reiseberichte, wenn sie denn mal (was selten genug vorkommt) nach absolvierter Reise auftauchen, stets in einem gewissen güldenen Lichte und man bekommt den sehr verfälschten Eindruck, dass alles immer gaaanz toll war, die Unterkünfte super, das Mietauto Klasse, das Essen dufte, die Route der Traum schlechthin und nichts trübte den Urlaubsgenuss nur im Ansatz.
Sind wir nicht alle intelligent genug um zu begreifen, dass die Realität eben nicht nur aus immerwährender Glückseligkeit besteht? Haben wir nicht alle schon einmal erfahren, dass unsere Lebenspläne, egal in welcher Situation, sich anders entwickelten als wir es vorgesehen hatten? Na bitte. Dann sollten wir auch aufhören damit zu glauben, dass die "wichtigsten Wochen des Jahres" mit einer Dr.-Oetker-Geling-Garantie daherkommen und konstruktive Kritik als das nehmen was es ist: eine Chance, die Vor- und Nachteile abzuwägen und aus den Erfahrungen und Meinungen anderer eine für sich selbst praktikable Schlussfolgerung zu ziehen.
Mehr wollte ich eigentlich auch gar nicht sagen. In diesem Sinne: weiterhin fröhliches Reisen mit möglichst geringem Katastrophenpotenzial...