Meine Kindheit und meine Jugend habe ich, bis auf zwei Jahre in einem Internat, in zwei kleinen Ortschaften im äußersten Westen der BRD, ganz in der Nähe der belgischen Grenze, verbracht. Ich erinnere mich sehr gerne vor allem an meine Kindheit, habe diese Zeit unbelastet verbracht. Wir haben uns selber Bolzplätze gebaut, später im örtlichen Fussballclub gespielt, wir lebten inmitten einer fast unberührten Natur. Es war eine wunderschöne Zeit. Alles, was mich dann später an dieser "Idylle" störte, war damals kein Thema für mich, weil ich halt nichts anderes kannte.
Aus beruflichen Gründen verließ ich mit 21 Jahren mein Dorf und zog in eine ca. 80 km entfernte Großstadt. Dort, mitten in der City, lebe ich jetzt seit fast 43 Jahren und ich könnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, noch einmal zurück in mein Dorf zu ziehen.
Ich schätze an der Großstadt sehr die mich umgebende Anonymität. In meinem Dorf lebte ich wie auf dem Präsentierteller, jeder kannte jeden, wußte über die privaten, finanziellen und sogar intimsten Verhältnisse Bescheid, und wenn man nicht Bescheid wußte, wurde solange gebohrt und nachgeforscht, bis der Wissensdurst gestillt war. Der Klatsch und Tratsch blühte. Wenn nix richtiges bekannt war, was man tratschen konnte, wurde einfach etwas erfunden. Ich schätze auch das kulturelle Angebot der Großstadt sehr, in meinem Dorf gibt es nicht einmal ein Kino.
Am meisten schätze ich aber die großstädtische Lebensart, die Menschen sind einfach toleranter, nicht so "narrow-minded" wie auf dem Dorf. Die Gruppenzwänge in meinem Dorf gingen mir zuletzt immer mehr auf den Senkel. Wenn man sich outfitmäßig unterschied, nicht die Partei wählte, die die überwiegende Mehrheit dort wählte, wenn man weite Reisen unternahm und darüber erzählte etc., geriet man ganz schnell ins gesellschaftliche Abseits, wurde geschnitten oder sogar gemobbt.
Und trotzdem: Ich bin ehrlich, manchmal geht mir der Verkehr, der Lärm, der Smog und auch der Dreck (in jeder Beziehung) der Großstadt auf die Nerven. Dann müssen wir mal wieder durchatmen, setzen uns ins Auto, gehen dort in der herrlichen Natur spazieren und....sind heilfroh, wenn wir dann ganz schnell wieder die Großstadt haben. Wir merken: Auf Dauer würde das nix mehr!
Ich habe aber sehr großes Verständnis dafür, wenn jemand von Natur aus lieber in kleineren Ortschaften wohnt, besonders Familien mit kleinen Kindernhaben es mitten in der City einer Großstadt schwer!