@ballonflieger sagte:
M.E. ist die EU-Richtlinie mehr als eindeutig: "(39) Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass Reisende, die eine Pauschalreise erwerben, vor der Insolvenz des Reiseveranstalters in vollem Umfang geschützt sind. (...) Es bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, wie der Insolvenzschutz auszugestalten ist, sie sollten aber einen wirksamen Schutz gewährleisten. Wirksamkeit bedeutet, dass der Schutz verfügbar ist, sobald infolge der Liquiditätsprobleme des Reiseveranstalters Reiseleistungen nicht durchgeführt werden, nicht oder nur zum Teil durchgeführt werden sollen oder Leistungserbringer von Reisenden deren Bezahlung verlangen. Die Mitgliedstaaten sollten verlangen können, dass Reiseveranstalter den Reisenden eine Bescheinigung ausstellen, mit der ein direkter Anspruch gegen den Anbieter des Insolvenzschutzes dokumentiert wird."
(40) der EU-Richtlinie befasst sich lediglich mit der Ausgestaltung der Wirksamkeit des Insolvenzschutzes, hebt aber natürlich die Kernaussage des (39), dass Reisende, die eine Pauschalreise erwerben, vom Staat vor der Insolvenz des Reiseveranstalters in vollem Umfang geschützt werden müssen, nicht auf.
Die Bundesregierung wiederum hat ihre Verantwortung gem. EU-Richtlinie über § 651r BGB auf die Reiseveranstalter abgewälzt. Dort heißt es in Abs. 1: „Der Reiseveranstalter hat sicherzustellen, dass dem Reisenden der gezahlte Reisepreis erstattet wird, soweit im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters 1. Reiseleistungen ausfallen oder 2. der Reisende im Hinblick auf erbrachte Reiseleistungen Zahlungsaufforderungen von Leistungserbringern nachkommt, deren Entgeltforderungen der Reiseveranstalter nicht erfüllt hat.“ Die von der Bundesregierung beschlossene Begrenzung der Haftung auf 110 Mio. bezieht sich gem. § 651r, Abs. 3, nicht auf die Reiseveranstalter, schon gar nicht auf den Staat, sondern lediglich auf den Insolvenz-Versicherer: „(…) Verlangt der Reisende eine Erstattung nach Absatz 1, hat der Kundengeldabsicherer den Anspruch unverzüglich zu erfüllen. Er kann seine Haftung für die von ihm in einem Geschäftsjahr insgesamt nach diesem Gesetz zu erstattenden Beträge auf 110 Millionen Euro begrenzen.“
Die Bundesregierung hätte allerdings wissen müssen, dass das von ihr ausgeklüngelte Konzept, die Auflagen aus der EU-Richtlinie auf die Reiseveranstalter abzuwälzen, in sich zusammenbricht, wenn ein großer Reiseveranstalter, dessen „Reisevolumen“ 110 Mio. übersteigt, sich mit nur einem Insolvenz-Versicherer absichert. Ich sehe hier darum gleich zwei Versäumnisse der Bundesregierung, die eine Staatshaftung nicht nur nahelegen, sondern unabdingbar machen:
1. Völlig unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinie aufgrund der festgelegten 110-Mio.-Deckelung, die zwar für den Insolvenz-Versicherer sinnvoll ist, hinsichtlich eines großen Reiseveranstalters aber als naiv bis dilettantisch bewertet werden muss.
2. Verletzung der Aufsichtspflicht in Verantwortung der Umsetzung der EU-Richtlinie: Wenn eine Deckelung der Insolvenz-Versicherung auf 110 Mio. laut § 651r BGB festgelegt ist, muss einem großen Reiseveranstalter mit mehr als 110 Mio. „Reisevolumen“ entweder auferlegt werden, zwei oder drei Insolvenz-Versicherungen abzuschließen, oder aber ein derart großer Reiseveranstalter darf unter dem Gesichtspunkt der 110-Mio.-Deckelung auf dem deutschen Markt nicht zugelassen werden.
Fehlkonzeption nennt man das wohl. Erdacht von Dilettanten.
Kurz: Aufgrund der beschriebenen hanebüchenen Versäumnisse des Staates hinsichtlich der ihm und keinem anderen auferlegten Umsetzung gem. EU-Richtlinie, muss der Staat zwangsläufig für seine Fehler und den immensen dadurch entstandenen Schaden haften, den er einer Vielzahl seiner Bürger durch diese fatale Fehlkonzeption zugefügt hat.
Ich gehe daher davon aus, dass es zur Anerkennung dieser katastrophalen Fehler keiner Klage bedarf, sondern der Staat diese aus eigenem Antrieb erkennt – und den von ihm angerichteten Schaden begleicht.