Amrum, das "bessere" Sylt? Zu hoch gepokert & verloren. Schade eigentlich
So würde ich es zusammenfassen. Ich kenne Amrum sehr gut. Und schon sehr, sehr lange.
Schon meine Eltern waren in den 1960er Jahren auf Amrum, als fast niemand diese Insel kannte, und die Landwirtschaft noch das Maß aller kleinen Dinge auf Amrum waren. Muffelig und Eigenbrötler, kaum Hochdeutsch, aber friesisch - wenn man Glück hatte bestenfalls Plattdeutsch. Weit-gereiste Amrumer sprachen sogar Missingsch, also halbwegs verständlich. Aber von den alten Amrumern lebt heute keiner mehr. Eines aber waren sie: hilfsbereit, authentisch und letzlich warmherzig und sehr freundlich. Man lieh sich an der alten Scheune in Nebel sein Fahrrad bei einem alten, freundlichen Mann, die Fahrräder waren uralte und ziemlich klapprige Holländer-Räder, aber fahrbereit. Die Gastronomie belief sich auf ein paar Häuser, allesamt aber wirklich gut und in keinster Weise "abgehoben-arrogant". Das mittlerweile abgerissene Bahnhofs-Hotel in Nebel war so eine typische gut-bürgerliche Dorfschänke. Da spielte der Nachwuchs des Hauses noch neben der Küche, der Angestellte Barkeeper (Jahre später sah ich ihn in Steenodde hinter den Tresen des Likedeeler). Das war das alte Amrum. Das alte Hospiz an der Nordspitze stand noch, Georg Queedens hielt seine "Nordsee-Mordsee" Vorträge und verkaufte seine schönen Fotobücher und Amrum-Chroniken. Es war alles etwas langsamer, rauer, urtypisch und hatte einen wirklich rauen aber gemütlichen Charme.
Ab den 1990er Jahren änderte sich das mehr und mehr. Denn Amrum war längst kein "Geheimtipp" mehr. Es wurde Mode. Schlechte Mode. Mehr und mehr hielt Schicki-Micki - Einzug. Die "Gäste" kamen mit weitaus höheren Ansprüchen und das Amt Amrum dachte sich damals wohl: was Sylt kann, können wir auch. Und durch TV und Filmen wurde Amrum immer berühmter. Das hat Amrum insgesamt sehr geschadet. Um es klar zu sagen: das ist kein Vorwurf an die Amrumer, denn jeder muss irgendwie Geld verdienen, und wir alle würden vermutlich als einzelne/r auch nicht anders handeln. Man baute, man wurde teurer und teurer, man benötigte Personal vom Festland, mehr und mehr Auswärtige kauften sich auf Amrum ein. Mehr und mehr Auswärtige wohnen auf Amrum. Mehr und mehr Wohnungen und Häuser mit nachgemachten Friesenflair, Fußbodenheizung und "schöner-Wohnen" Ambiente hinter Kunststoff-Fenstern. Heute ist Amrum ein gut geölter Abfertigungsort für Touristen. Eine Illusion einer alten Insel. Alles schön sauber, aber immer deutlich zu teuer. Fähre hin oder her: das Preis-Leistungsverhältnis ist schon lange aus dem Ruder gelaufen. Die unfreundliche Bedienung vom Festland, die als Saisonkraft hinter allen möglichen Tresen steht, will nur eines: Job machen und dann nach Hause. Da ist nicht mehr viel mit Ursprünglichkeit. Aber auch wir Touristen - und das gehört eben zur Ehrlichkeit hinzu - sind heute andere, als vor Jahren. Heute sind es oftmals selbst ziemlich arrogante "Persönlichkeiten", die mit ihren kleinen Kindern mit Laktose-Intolleranz und Tierhaar-Allergie auf Amrum aufschlagen und High-Society-Feeling ausgerechnet in Nordfriesland erwarten und einfordern. (Bitte um Nachsicht, habe es etwas überspitzt geschrieben)
Fazit: Amrum wurde in den letzten 30 Jahren völlig verbaut, zu viele Neubauten, zu viele "Fremde" die sich dort eingekauft haben, zu teuer, hat seinen alten Charme verloren und ist schon lange nicht mehr das, was es einmal war. Für mich hat sich daraus ergeben, das Föhr jetzt die für mich bessere, teilweise noch echt nordfriesische Insel ist. Wobei auch hier der Trend exakt in die selbe Richtung weißt, wie zuvor schon auf Amrum. Eines aber hat Amrum, was alle anderen nicht haben. Den schönsten Leuchtturm, im Herbst und Winter immer noch halbwegs ruhe, den schönsten Nordsee-Strand (Kniepsand) und geht man durch die paar Gassen in Nebel erahnt man hier und da noch, wie es früher einmal gewesen sein muss.