• rumsstein
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    geschrieben 1521449270594

    Dolce far niente

    Sonnenstrahlen umspielen mein Gesicht. Ich öffne vorsichtig die Augen und versuche, mich zu orientieren. Ahja, richtig, ich bin im Urlaub. Es ist mein erster Urlaubstag und ich habe mir fest vorgenommen, nichts zu tun. Gar nichts. Nada, niente, rien.

    Folgerichtig bleibe ich erst einmal liegen. Dann regen sich erste Überlebensbedürfnisse. Kaffee. Ich schäle mich aus dem Bett und tapse benommen zum Schreibtisch. Alles ist vorbereitet, ich lege nur den Schalter am Wasserkocher um. Dann brenne ich mir eine Zigarette an.

    Ich werde heute nichts tun. Also kein Frühstück. Sagt mein Ich. Mein Es ist anderer Meinung, es hat Hunger. Mein Über-Ich versucht zu vermitteln. Frühstück sei ja keine Tätigkeit im eigentlichen Sinn, sondern eher eine Notwendigkeit. Wir drei sind uns einig.

    Das Frühstück ist eine Offenbarung. Türkischer Zopfkäse, Börek, Honig von der Wabe, Wunschkonzertomelette. Ich bin meinem Über-Ich sehr dankbar. Also weiter mit dem Nichtstun. Vorsichtigen Schrittes begebe ich mich zur Terrasse der Raucherbar und bestelle mir einen Cappuccino. „Herrliches Wetter heute, nicht wahr?“ spricht mich die Dame vom Nachbartisch an. Sie wird so um die 40 sein, très chic gekleidet. „Ja, und so angenehm warm.“ Ich suche nach einer Fortsetzung des Small Talks. „Und was haben sie so heute vor?“ – „Nichts, ich mache heute absolut nichts.“ – „Das ist aber lustig, ich nämlich auch nicht. Einfach gar nichts.“ Ich versuche, das Gespräch auf eine etwas höhere Ebene zu heben. „Eigentlich kann man ja gar nicht nichts machen. Genauso wenig, wie man nicht nicht kommunizieren kann. In dem Moment, in dem wir miteinander sprechen, tun wir ja schon etwas.“ Mit einem merkwürdigen Blick in meine Richtung steht die Dame auf und tänzelt davon. Vielleicht hätte ich beim Wetter bleiben sollen.

    So, und was mache ich jetzt nicht? Schwimmen gehen zum Beispiel, darauf hätte ich schon Lust. Gestrichen, zu viel Action. Obwohl…, wenn man sich nur ins Wasser setzt, so ganz ohne Schwimmbewegungen? Man würde ja nur das Umgebungsmedium austauschen, flüssig statt gasförmig. Gedacht, getan.

    Halb stehend, halb hockend genieße ich das eigentlich zu warme Nass, nichtstuenderweise, versteht sich. Neben mir ziehen zwei ältere Damen einsam ihre Bahnen, vor mir spielen ein paar Kinder im Wasser Ball. Der Ball prallt irgendwo ab und landet platschend direkt vor mir. Ich werfe ihn den Kindern zu. Ein fröhliches „shukran“ sagt mir, dass es sich wohl um arabische Kinder handelt. Waren das nicht die, die sich immer unmöglich benehmen? Q.e.d.. Der Ball kommt wieder zu mir, diesmal ist es Absicht. Ich soll mitspielen. Ach, zum Scheitan mit dem Nichtstun.

    Die ältere Dame baut sich vor mir auf. „Wir schwimmen hier.“ – „Schön. Wir spielen Ball.“ Offensichtlich nicht die Antwort, die sie erwartet hat. „Das stört aber.“ – „Dann spielen Sie doch mit.“ Die ältere Dame zischelt etwas von Frechheit und schwimmt majestätisch von dannen. Die Kinder verlieren auch bald die Lust, ich gehe auf mein Zimmer und ziehe mich um. Jetzt werde ich an den Strand gehen. Mein Vorhaben ist ersatzlos gestrichen. Nichtstun ist einfach viel zu anstrengend.

    Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben. (Alexander Freiherr von Humboldt)
  • vonschmeling
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    geschrieben 1534891190661 , zuletzt editiert von vonschmeling

    Ich nenne keine Freundschaft heiß,

    die niemals, wenn´s ihr unbequem,

    den Freund zu überraschen weiß

    trotzdem.

    Denn wenn sie Zeit und Mühe scheut,

    ein Unverhofft zu bringen,

    das einen Freund unendlich freut,

    dann hat sie keine Schwingen.

    Den Umfang einer Wolke misst

    kein Mensch. Weil sie nicht rastet

    noch ihre Freiheit je vergisst.

    Ich glaube: Keine Wolke ist

    mit Arbeit überlastet.

    Joachim Ringelnatz

    Moderator*in im Reiseforum für die Bereiche Allgemeine Fragen und Reiseveranstalter/ Im Auftrag der Admins.
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