Man sollte folgendes nicht unberücksichtigt lassen: Der Kasper im Präsidialamt hat jetzt vier Jahre alle Aufmerksamkeit, alle Wut und alle Konzentration der politischen Gegner auf sich gezogen. Dafür konnten die Republikaner unbehelligt im Hintergrund das Land ganz nach ihren Vorstellungen umbauen: Eliminierung vieler Umweltgesetze, Aufkündigung aus ihrer Sicht lästiger Handelsabkommen, Beseitigung von Regulierungen im Finanzsektor und final jetzt auch noch eine jahrelange Dominanz im so wichtige Supreme Court. Aus Sicht eines Republikaners bedeutet das: "Promises kept", wie ja auch so oft auf Plakaten zu lesen war. Zwar rümpfen auch Republikaner ob des Trumpschens Verhaltens die Nase, aber so lange die Richtung stimmt, landet das Kreuzchen zielsicher wie selbstverständlich bei der Grand Old Party. Überhaupt kann ein Präsident in Amerika, insbesondere ein republikanischer, eigentlich nur einen Fehler machen: Plötzlich ein eigenes politisches Gewissen entwickeln, das den Interessen des Establishments zu wider läuft. Ich denke, was das betrifft, war Trump völlig unverdächtig. Somit reiht er sich ein in die Reihe von Schießbudenfiguren republikanischer Präsidenten vom miesen Schauspieler über den Säufer bis eben nun... Trump. Ob sich das Niveau danach noch tiefer legen lässt... We will see Manche Republikaner fabulieren ja schon von einer erneuten Kandidatur Trumps 2024.
Hinzu kommt es, dass es den Republikanern und insbesondere Trump immer wieder gelingt, den Demokraten das Mäntelchen der Sozialisten umzuhängen, obwohl die, aus unserer Warte betrachtet, wohl noch eher rechts von Merkels CDU stehen. Und Sozialismus wird von den meisten Amerikanern, von den Intellektuellen in den großen Städten vielleicht mal abgesehen, als höchst schädlich und unamerikanisch empfunden, ebenso übrigens wie jede Form von gesetzlicher Krankenversicherung. Der "american way" ist halt: Sorg für Dich selbst und so wenig staatliche Einmischung wie möglich. Mit dieser Karte hat Trump wohl vor allem bei dem immer größer werdenden Anteil von Latinos gepunktet, die vor sozialistischen Systemen geflohen sind. Darüber hinaus gehen manche Kommentatoren sogar so weit, dass sein Machogehabe Latinomännern wohl imponiert haben soll, so dass er gerade bei denen wohl besonders hohe Stimmanteile geholt hat. Ich bin mir jedenfalls sicher: Hätten die Demokraten Bernie Sanders aufgestellt, hätte Trump wohl deutlich gewonnen. Den Multimillionär Joe Biden unter Sozialismusverdacht zu bringen, dürfte da schon wesentlich schwerer, aber wie man sieht nicht unmöglich gewesen sein.
Außenpolitisch empfand ich Trump -so verrückt das auch klingt- übrigens fast noch als ehrlich, da er klar ausgesprochen hat, was m.E. jeder US Präsident vor ihm und vermutlich auch jeder nach ihm stets zur Prämisse gemacht hat: "America First!". Alles obamasche Verklausulieren und alle politische Korrektheit kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, das die USA stets nur ihre eigene Interessen vertreten und dies auch weiter tun werden. So gesehen sollte man auch von Joe Biden nicht all zu viel erwarten.
Und ein letzter Punkt, der zahlt auf das ein, was der Bekannte von vs geschrieben hat: Linke Intellektuelle, die sich im Glanz ihrer eigenen Erhabenheit sonnen und die Meinungsmehrheit in den Medien für sich beanspruchen, sollten stets aufpassen, dass sie die Bodenhaftung nicht verlieren und die Ängste und Sorgen ganz normaler Bürger noch wahrnehmen. Wer im Rust Belt von Arbeitslosigkeit bedroht ist, den interessiert ein Klimawandel nun mal einen feuchten Kehricht. Der hat Angst vor Fremden und fühlt sich wohler mit einer schönen großen Mauer im Süden. Und der will ernst- und wahrgenommen und nicht einfach nur als dumm beschimpft werden. Das haben die Demokraten einfach zu lange versäumt und somit ist zumindest vor vier Jahren manch Denkzettelkreuzchen beim Trump gelandet, wenn auch unter großer Scham. Daher auch die oft falschen Prognosen: Denn Trump wird zwar gewählt, aber es gibt einige, die aus Scham nicht offen dazu stehen.