@timeoutafrica sagte:
Nachdem ich schon rund 20 Jahre in Afrika reise (vorallem Südäquatorialafrika) und seit Jahren hier wohne möchte ich hier versuchen, ein wenig an "Emotionalität" aus dem Thema zu nehmen:
Ach, ich (der auch seinen Fuß das erste Mal 1985 auf afrikanische Erde südlich des Äquators setzte), empfinde diesen Thread überhaupt nicht als emotional. Ganz normal, überwiegend sachlich aber stringent und deutlich ausgetauscht, These + Antithese, nur gelegentlich ohne Synthese...
Tatsächlich muss jede/r selbst entscheiden ob pro oder contra Malariaprophylaxe. Und ja, wir reden gerne von "seriösen" Quellen und wissenschaftlichen Daten/Beweisen obwohl jede/r gut gebildete Europäer/in weiss, dass Daten immer erst durch ihre persönliche Interpretation und dem Interesse dahinter an Aussagekraft gewinnen. [...]
Richtig, muss am Ende jeder selbst entscheiden. Wurde hier auch von niemandem in Frage gestellt.
Allerdings halte ich persönlich(!) es für sinnvoller, zumal in so elementaren Dingen wie der Risikobewertung potentiell tödlich verlaufender Infektionen, Entscheidungen anhand von seriösen Quellen (ohne Anführungsstriche) und nachvollziehbarer wissenschaftlicher Erkenntnis zu treffen.
Heißt: Sich beispielsweise nicht auf Glaube oder Dogmen von Fortschritts- und Impfgegenern betreffs der bösen Pharmlobby etc. und angeblich im Hintergrund vorhandener unredlicher Interessen zu verlassen.
Gut zu wissen:
Ich habe zb noch nie Prophylaxe genommen und bin noch NIE an Malaria erkrankt. Eine Prophylaxe über Monate oder gar Jahre zu nehmen ist (so zumindest zeigt sich die Realität hier !) für 99% der Menschen die in einem Malariagebiet wohnen unvorstellbar und undurchführbar, von den Kosten gar nicht zu reden.
Gut zu wissen:
Ich fahre immer Auto ohne Gurt und bin noch NIE aus dem Auto geschleudert worden. Oder wie jetzt?
Erhebung einer persönlichen Erfahrung zum allgemeingültigen Standard?
Richtig ist, dass bei langem Aufenthalt, also bei z.B. Residenten, der Verzicht auf medikamentöse(!) Prophylaxe sinnvoll sein kann und lediglich die Verfügbarkeit einer Stand-by-Therapie sichergestellt sein sollte.
Das wird aber, nach Check der individuellen Umstände, auch durch kompetente Institutionen, also seriöse Quellen (wieder ohne Anführungsstriche), nicht negiert.
Andererseits ... Mein jüngster Sohn war kürzlich 6 Wochen bei uns in Kenia (Südküste) und hat sich trotz enormem Aufwand an einreiben, sprühen, und gutem, dichtem Moskitonetz, langen Hosen und und und doch tatsächlich angesteckt und musste im Spital behandelt werden (Artimesia IV und "coartem" im Anschluss für 2 Tage).
Ja, auch die genannten klassischen Repellents und Vorsichtsmaßnahmen können keine 100%-Garantie gewährleisten.
Und auch eine medikamentöse Prophylaxe, so er sie genommen hätte, hätte die Infektion nicht verhindert. Aber möglicherweise, auch hier nur möglicherweise und nicht 100%ig, die akute Erkrankung bzw. den Schweregrad des Verlaufs bzw. der Symptome zum Positiven beeinflusst. Und genau darum geht es in dieser Frage auch.
Da wir in der heutigen Zeit aber über sehr gute (auch pflanzliche) Medikamente verfügen, ist die Behandlung von "Malaria Tropica" mittlerweile eine Standardprozedur geworden. Die meisten Menschen die an Malaria sterben haben entweder die Symptome über längere Zeit nicht bemerkt/beachtet, hatten keinen Zugang zu medizinischer Behandlung und/oder hatten bereits vor der Erkrankung ein sehr schlechtes Immunsystem. Ob wir wollen oder nicht: Es gibt eben den EINEN kausalen Zusammenhang schlicht nicht. Es müssen (unsere Erfahrung hier) immer mehrere Faktoren zusammenspielen.
Pflanzliche Medikamente, nicht zur Linderung von Syptomen (wenn überhaupt), sondern zwecks Behandlung einer Malaria?
Da wäre sie dann wieder, Homöopathie und Esoterik. Dann kann ich auch zum Juju-Medizinmann gehen und auf das Beste hoffen...
Richtig ist allein, dass in den allermeisten Fällen die von Dir genannten Umstände die wesentlichen Faktoren für einen tödlichen Verlauf darstellen. Infektion + fehlende / unsachgemäße Behandlung = Chancenerhöhung für tödlichen Verlauf. Da ist sie, die wesentliche Kausalität.
Erwägungen:
In jedem Falle sollte jeder Afrikareisende sich ausführlich über die Thematik informieren und wohlwollend BEIDE Seiten abwägen und dann seine individuelle Entscheidung treffen. Angst ist bekannterweise ein schlechter Berater, (geborgtes) Wissen hingegen eine gute Hilfe. Vorallem sollte man sich darüber im klaren sein, dass wir, wenn wir leben wollen, nicht alle Risiken ausschalten können. Jeder Tourist spricht vor/während seines Aufenthaltes hier über Malaria. Keiner spricht über die valablen Risiken sich einem "Kamikaze-TukTuk'ler" oder Motorradfahrer (Boda Boda wie es hier heisst) anzuvertrauen. Nicht zu reden von den Touristen die sich mit HIV anstecken, in sturer Blindheit vor den offensichtlichen Tatsachen. Aber was nützen schon Daten und Fakten, alles nur Papiertiger die mir nichts nützen wenns mich erwischt - sei es auf der deutschen Autobahn oder am Strand von Kenia durch den Stich einer Anopheles Mücke ! Wenn uns jemand statistische Daten geben könnte, wie gross das Risiko für einen Touristen während seines Urlaubes an Malaria zu erkranken ist, wären wir vielleicht entspannter ...
Ja. Stimme im Wesentlichen zu.
Bezüglich der Statistik: Deine statistische Wahrscheinlichkeit, während eines Urlaubs von einer den Erreger übertragenden Mücke gestochen zu werden, zu erkranken und daran zu sterben ist gering. Was aber auch, rein zahlenmäßig (bezogen auf Erkrankungsfälle oder tödliche Verläufe) eben auch daran liegt, dass eben in diesem Bereich Prophylaxe (medikamentöser und nichtmedikamentöser Art) betrieben wird.
All diese Erwägungen werden aber dann hinfällig, wenn Du oder Dein Kind etc. gerade betroffen ist und den statistischen Ausreißer darstellt.
So wie eine hier im Forum ehemals sehr aktive Mitforistin...
Es bleibt eben die individuelle Risikoabwägung, möglichst auf Basis empirischer Daten aus anerkannten Quellen.
Einen (zu)relativierenden Vergleich möchte ich deshalb wagen: in Deutschland sterben je nach Statistik und Jahr etwa 200-300'000 Menschen an einem Herzinfarkt - an Malaria sterben in Afrika ca. 400'000 Menschen (WHO Angaben). In Deutschland leben etwa 80 Millionen Menschen, in Afrika ca. 1 Milliarde ... noch Fragen zu Risiken und Prophylaxe ?
Warum bringst Du diese völlig sinnfreie Relativierung, wenn Du selbst schon möglicherweise die Sinnfreiheit erkennst und andeutest?
Weil "nur" 400.000 Menschen (in Worten: Vierhunderttausend) von ca. 1.000.000.000 Menschen in Afrika, oder "nur" weltweit ca. alle 2 Minuten (beachte: Alle zwei Minuten!) ein Kind an Malaria stirbt (nicht erkrankt. Stirbt!), wäre also Deiner Meinung nach schon allein das sich Beschäftigen mit den möglichen Risiken oder den Möglichkeiten und der Sinnhaftigkeit von Prophylaxe verzichtbar?
Klare Antwort: Nein, offensichtlich nicht verzichtbar.
Was bleibt ? Eigenen, gesunden Menschenverstand einschalten, sich über beide Seiten (pro/contra Prophylaxe) zum Thema Malaria gut informieren, sich ein gutes Immunsystem zulegen (hilft auch in Europa ..), und ein bisschen mehr Vertrauen ins Leben entwickeln. Dann wird dein Afrikabesuch wunderschön .. und vielleicht kommst du immer wieder und wieder und wieder ...
Ja, in der Tat.
Bezüglich der Malaria (und anderer Infektionen im jeweiligen Reiseland) bleibt aber auch festzustellen:
- Informiere Dich, welche Infektionsrisiken bestehen,
- informiere Dich über mögliche Vermeidungsstrategien,
- nimm eine Daten- und Risikobewertung vor,
- hole, falls Du selbst eine kompetente Risiko- oder Datenbewertung nicht vornehmen kannst (können die wenigsten Reisenden), kompetenten Rat ein.
Ziehe dabei in Erwägung:
- Als kompetent, im Licht der Erkenntnisse der Neuzeit, gilt möglicherweise in reisemedizinischen Fragen nicht der in Afrika lebende Ex-Tourist, Frau Meier von nebenan oder der örtliche Medizinmann, sondern einschlägige, sich mit der Materie wissenschaftlich beschäftigende Institutionen (z.B. WHO, Tropeninstitute, Fachärzte).
Und dann triff, unter Beachtung all dieser gewonnenen Informationen und Ratschläge, Deine individuelle Entscheidung.
Auch wenn ich Dich, @timeoutafrica, nicht überzeugen werde - ich werde hier zumindest immer Beiträgen widersprechen, die in Fragen der Malariaprophylaxe mit Esoterik, Bauchgefühl, Glaube, statistischen Ableitungen und eigener Erfahrung als Basis einer Entscheidungsfindung argumentieren.
In diesem Sinne.
Gruß