Die Bakterien- und Virenangst ist weit verbreitet und man sollte zunächst einmal die Kirche im Dorf lassen, bevor man seine gesamte Umgebung mit chemischen Keulen traktiert, denn zu diesem unheilvollen Trend geht es offenbar. Inzwischen wird schon mit "antibakteriellen" Spülmitteln geworben, die nur eines bewirken, dass nämlich in der Kläranlage die Bakterien gekillt werden, die die Gülle neutralisieren sollen, und sonst gar nichts. Für eine Wirkung im Spülwasser ist die Konzentration des Zeugs viel zu gring, aber Otto Normalpaniker fällt auf solchen Werbeschwachsinn gern rein.
Da glauben viele, man Müsse Geschirr stets mit 60 Grad spülen und Unterhosen immer bei 95 Grad kochen, weil man doch den "Bakterien" zu Leibe rücken müsse. Ja, wenn denn die eigenen Bakterien so schlimm sind, warum bringen Sie uns denn durch die Attacke aus der gerade getragenen Unterhose nicht einfach um und welchen Weg sollen die den gehen? Durch die Haut oder den Pipimann? Bakterien werden sowieso durch Waschen stark dezimiert, weggespült vom Wasser, neutralisiert vom Detergenz (der waschaktiven Substanz) und fertig. Und außerdem besteht von den Mikroorganismen, die in und auf einem leben, überhaupt keine Gefahr. Ca. 1,5 kg davon haben wir übrigens in uns, z.B. als Darmflora. Bekämpfen wir die etwa auch mit einem täglichen Schluck Domestos?
Zur Hygiene auf Reisen genügt häufiges und vor allem GRÜNDLICHES Händewaschen! Die meisten lassen 2 bis 4 Sekunden Wasser darüberlaufen, trocknen sich notdürftig ab und packen beim Verlassen der Toilette hübsch wieder an die Türklinke. Da kann man das Händewaschen auch lassen und am besten lieber gleich aus der Kloschüssel trinken - bietet denselben Effekt. Das Anfassen der Türklinke nach dem Händewaschen sollte vermieden werden und selbige ist mit einem Papierhandtuch zu öffnen.
Kreuzfahrten: es ist einer der vielen Mythen, dass es speziell auf Kreuzfahrtschiffen ständig zu Ausbrüchen des Norovirus käme. Allein die Publikationspflicht des CDC (Center of Desease Control, amerikanische Gesundheitsbehörde) betreffend alle Vorfälle auf Kreuzfahrtschiffen, die einen US-Hafen anlaufen, bewirkt, dass alle glauben, das Passagierdampfer Brutstätten von Bakterien und Viren seien. Fakt ist: die Zahl der Ausbrüche ist höchst gering, wenn man einmal die Gesamtzahl aller stattfindenden Kreuzfahrten berücksichtigt, was bedeutet: die Präventivmaßnahmen der Reedereien und die Hygienevorkehrungen an Bord sind wirksam.
Recherchieren Sie doch einmal, wie viele betroffene Passagiere es gibt, wie oft es überhaupt zu Vorfällen kommt und WER denn an Bord erkrankte. Dann stellen Sie fest: die Zahl erkrankter Crewmitglieder ist sehr gering und sinkt ständig, die Zahl betroffener Passagiere liegt deutlich höher (ist absolut natürlich immer noch gering) und der Prozentsatz steigt. daraus folgt: Die Besatzung wird durch intensives Hygienetraining immer besser in ihren Bemühungen, Passagiere aber immer nachlässiger und es gab und gibt immer wieder Fälle, in denen bereits erkrankte Passagiere an Bord kommen, das Medical Center nicht informieren und fröhlich ihre Keime auf dem Schiff verteilen, weil sie sich den Urlaub nicht vermiesen lassen wollen. Dass sie spätestens am nächsten Tag dann sowieso auf dem Klo hängen und nicht mehr herunterkommen (der Tag also ohnehin im Eimer ist, um beim Bild zu bleiben), ist eine Erkenntnis, die für jene zu spät kommt, die sich durch diesen unverantwortlichen Passagier bereits infiziert haben. Reedereien kann man hier überhaupt keinen Vorwurf machen, würde ich sagen, denn die appellieren an jeden und intensiv, sich korrekt zu verhalten, aber leider meinen es die selbsternannten Schlaumeier immer besser zu wissen.
Der Norovirus bricht überall aus: in Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen, Gemeinschaftsunterkünften, Hotels.... nur wird da kein großes Tamtam darum gemacht und oft weiß gar niemand, was es überhaupt war, wenn man einen Tag erbrechend und mit Durchfall verbrachte, es am nächsten Tag schon wieder OK ist und das Thema dann abgehakt wurde mit der Vorstellung "Da hab ich wohl was Falsches gegessen."
Es liegt hier also eher ein Wahrnehmungsproblem vor, das subjektiv ist und nicht viel mit der Realität zu tun hat. Die allgemeine Mikrobenangst ist bei vielen bis zur Hysterie gesteigert und mit übertriebener Hygiene erreicht man genau das Gegenteil dessen was man beabsichtigte: es entwickeln sich Autoimmunerkrankungen, also Allergien und bei Kindern, die in fast-sterilen Umgebungen aufwachsen, verkümmert gar das Immunsystem. Gutes Beispiel für gut gemeint und schlecht gemacht.
Daher entspanne man sich und wasche sich die Hände oft und zwar richtig. Wie das geht, kann man im Netz betrachten, und es dauert MINDESTENS 30 Sekunden. Man fasse sich nicht ständig an Mund, Nase, Augen, denn das sind die Einganspforten für Mikroorganismen. Man glaubt gar nicht, wie oft man das normalerweise tut. Und kommt man nach Haus, hat zuvor Haltestangen in der Bahn, den Einkaufswagen (Bakterienschleuder erster Güte) etc. angepackt - Händewaschen!
Desinfektionsmittel können Sie vergessen und gehören in die Abteilung "Überflüssiger Schnickschnack" (schließlich macht eine Industrie Riesenumsätze damit und besonders widersinnig wird's, wenn der Isopropanol noch mit einem Verfallsdatum etikettiert ist), und außerdem wirken diverse Desinfektionsmittel gar nicht viruzid, dassteht auch drauf. Mit viruziden Keulen herumzupanschen als Prävention ist wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen und den einzigen Mehrwert hat der Hersteller, der natürlich nicht müde wird, den Nutzen seines Prodktes zu betonen.
Bisschen die Füße am Boden halten, wie bei allem im Leben und entspannt zu bleiben, wenn es um die normalen Lebensrisiken geht.