• Dirk-1708
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    geschrieben 1105447563000

      BGH stärkt Rechte von Reisekunden bei Hotelüberbuchung

    Entschädigungsanspruch

    bei Ausfall des gebuchten Urlaubs

    Verbraucher, die eine gebuchte Reise wegen Hotelüberbuchung nicht antreten, und ein Ersatzangebot als ungleichwertig ablehnen, haben wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit Anspruch auf eine Entschädigung vom Reiseveranstalter. Das geht aus einem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe hervor.11.01.2005  Dabei müssen die Kunden nicht beweisen, dass sie während der ursprünglich gebuchten Reisezeit auch wirklich zu Hause geblieben sind. Eine Entschädigungszahlung muss vom Veranstalter auch dann bezahlt werden, wenn der Verbraucher statt der ausgefallenen Reise eine Ersatzreise macht.  

    Urlaub oder Zeit verbracht?

    Der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat sprach damit zwei Reisekunden Geldersatz zu, die auf den Malediven zwei Wochen lang tauchen und schnorcheln wollten. Eine Woche vor Reisebeginn wurde ihnen vom Reiseveranstalter TUI mitgeteilt, dass das Hotel überbucht sei. Das angebotene Ersatzhotel auf einer anderen Insel lehnten beide Reisekunden ab, weil es nicht über eine Hausbucht verfügte. Aktenzeichen Bundesgerichtshof X ZR 118/03 Die TUI Deutschland GmbH erstattete den beiden Kunden zwar den Reisepreis, wollte aber keine zusätzliche Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zahlen. Das Unternehmen argumentierte, die beiden hätten den Urlaub anderweitig verbracht.  

    Subjektiver Wunsch

    Darauf kam es nach der BGH-Entscheidung aber nicht an. Die Bundesrichter bestätigten das Urteil der Landgericht Hannovers, wonach den Reisekunden die Hälfte des Reispreises als Entschädigung zusteht.   Der BGH nahm den Fall auch zum Anlass, Grundsätze über die Annahmepflicht eines Ersatzangebots aufzustellen: Demnach muss ein Ersatzangebot des Reiseveranstalters den subjektiven Urlaubswünschen der Kunden entsprechen. Ist das Angebot nicht gleichwertig, darf der Kunde es ablehnen und Entschädigung für seine nutzlos aufgewendete Urlaubszeit verlangen.  

    Auch während der Reise

    Dieser Entschädigungsanspruch gilt nach dem Gesetz übrigens auch dann, wenn die Reise zwar angetreten wird, aber die Bedingungen am Urlaubsort so schlecht sind, dass eine Erholung während des Urlaubs nicht möglich ist. In solchen Extremfällen kann sogar eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises in Frage kommen.   Die Entschädigungshöhe bleibt jedoch von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Nach dem jetzigen BGH-Urteil haben die Gerichte bei der Zumessung einen weiten Gestaltungsspielraum, wobei sich die Entschädigungshöhe am Reisepreis orientiert. Im Falle der verpatzten Malediven-Reise erachteten die Bundesrichter eine Entschädigung in Höhe des halben Reisepreises für angemessen. Quelle: www.zdf.de

    Mit einem leeren Kopf nickt es sich leichter.
  • mosaik
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    geschrieben 1105447842000

    Grundsätzlich sehe ich bzw. sah ich diese Sache auch so (mir war der Fall noch vor Urteilsverkündigung bekannt). Der einzige Punkt, der allerdings für den Laien wichtig ist, ist:

    ...Der Senat hat bestätigt, dass der Reiseveranstalter nicht berechtigt ist, den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen als dem gebuchten Urlaubsort unterzubringen...

    Und genau der Punkt war auch meine Meinung, dass Inseln vergleichbar mit Urlaubsorten sind und nicht, weil es "Malediven" heißt, als ein Urlaubsort angesehen werden kann-können.

    Das heißt jedoch im Klartext: wenn ich Side, Südtürkei buche, so muss ich durchaus ein Hotel akzeptieren, dass fünf Kilometer am anderen Ende des Strandes liegt, sofern es den gleichen Standard - Ausstattung aufweist. Selbstverständlich bleibt mir zwar in diesem Fall das kostenlose Rücktrittsrecht, jedoch entfiele in diesem Fall die Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden.

    Dieses Urteil stellt auch klar, dass die bisherige gängige Praxis, Kunden Ersatzhotels in Urlaubsregionen anzubieten nicht hingenommen werden muss. Vor allem, wenn diese Änderung erst kurz vor dem Urlaub bekannt wird (man nennt diese Taktik bei uns in den Alpen: Vogel-friss-oder-stirb...).

    Gruß

    Peter

  • Bulgarienfan
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    geschrieben 1105476113000

    Hallo Peter,

    wie sieht das denn aus, wenn man erst am Ankunftsflughafen erfährt, dass das Hotel überbucht ist?

    Uns ist das letztes Jahr so gegangen. Wir wurden dann letztendlich in ein anderes Hotel in der Nähe des von uns gebuchten gebracht. Das Ersatzhotel hatte sogar einen Stern mehr. Wir waren es zufrieden und haben natürlich keinen Schadensersatz gefordert.

    Aber gibt es da Bestimmungen, welche Kategorie das Ersatzhotel in einem solchen Fall haben muss? Genügt ein gleichwertiges oder muss es, wie viele behaupten, einen Stern mehr haben als das ursprünglich gebuchte?

    Viele Grüße vom Bulgarienfan

    Einmal Bulgarien - immer Bulgarien! Once in Bulgaria - forever in Bulgaria! Веднъж в България – завинаги в България! Однажды в Болгарии – навсегда в Болгарии!
  • salvamor41
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    geschrieben 1105490255000

    Die von Dirk wiedergegebene neue Rechtsprechung ist meines Erachtens überfällig und bedeutet für die pauschal reisenden Gäste einen wesentlichen Fortschritt.

    Als Nicht-Reisekaufmann versuche ich, mir vorzustellen, wie diese Hotelüberbuchungen überhaupt zustande kommen. Sollte meine Schilderung von der Realität abweichen, bitte ich darum, mir das nachzusehen und mich zu korrigieren. 

    Ich unterstelle, daß die Überbuchungen ihren Ursprung nicht bei den Veranstaltern, sondern bei den Hotels haben. Offenbar verkaufen die Hotels den Veranstaltern für identische Zeiträume ja wohl mehr Zimmer, als sie aufgrund ihrer Kapazität eigentlich de facto zur Verfügung stellen können. 

    Grund: Sie fürchten, daß die Zimmerkontingente, die sie den Veranstaltern en bloc verkauft haben, nicht ausgeschöpft werden und sie teilweise auf leeren, unbezahlten Zimmern sitzen bleiben.

    (Dieser Vorgang ist wohl analog zu den Überbuchungen im Flugverkehr zu sehen, wo die Gesellschaften bewußt mehr Sitze verkaufen, als sie haben, weil jeder leere Sitz sie viel Geld kostet.) 

    Was geschieht nun, wenn ein Gast ein Zimmer im Hotel xyz bucht? Der Veranstalter müßte doch eigentlich bei dem Hotel nachfragen, ob das Zimmer für den gewünschten Zeitraum frei ist oder nicht. Bestätigt das Hotel die Buchung verbindlich, müßte doch das Risiko Überbuchung in diesem Falle voll auf das Hotel übergehen. Das bedeutet, daß, wenn das Hotel trotz gegenteiliger Zusage überbucht ist, etwaige Regreßforderungen von Gästen vom Reiseveranstalter an das Hotel weitergegeben werden können, sofern entsprechende Vertragsklauseln vereinbart wurden.

    Nach der neuen Rechtsprechung werden also im Endeffekt die Hotels die Schadenersatzforderungen der Gäste erfüllen müssen. Könnte es nicht sein, daß sich die Hotels zukünftig 3x überlegen, ob sie Buchungen bestätigen, wenn das Damoklesschwert Regreßforderung über ihnen hängt?

    Das würde wiederum dazu führen, daß sich das Thema Überbuchungen irgendwann erledigt!? 

    ><o(((°> Don't feed the Trolls <°)))o><
  • mosaik
    Dabei seit: 1082419200000
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    geschrieben 1105517857000

    Guten Morgen Bulgarienfan,

    ist das gebuchte Hotel aus welchen Gründen auch immer bei Ankunft nicht verfügbar, so muss der Veranstalter eine gleichwertige Unterkunft im selben Urlaubsort anbieten. Kann er dies nicht, so muss er ohne Mehrkosten eine höherwertige Unterkunft im selben Urlaubsort anbieten.

    Kann er auch dies nicht, so muss er die nächst gelegene gleichwertige oder höherwertige Unterkunft anbieten, die man - siehe Urteil - jedoch nicht annehmen muss und - theoretisch gesprochen - sofort wieder heimfliegen kann, Geld zurück plus entgangene Urlaubsfreuden einklagen kann.

    Akzeptiert man jedoch die angebotene Alternative, erlöschen weiter gehende Ansprüche. Ausgenommen natürlich, die Alternative hätte Mängel, die man selbstverständlich dann wieder "ganz normal" reklamieren muss und kann.

    Gruß

    Peter

  • mosaik
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    geschrieben 1105518119000

    Salvamor, du liegt richtig.

    Die Überbuchungen passieren fast ausschließlich durch das Hotel selbst: 10 Reiseveranstalter wollen das Hotel mit 100 Betten in ihren Katalog aufnehmen, jeder Veranstalter will aber 15 Betten haben. Da der Hotelier erst etwa vier bis sechs Wochen vor dem jeweiligen Ankunftstermin den tatsächlichen Verkauf* erfährt, gibt er allen 10 Veranstaltern die gewünschten 15 Betten (oder zumindest einen Teil).

    Nun verkaufen aber tatsächlich alle ihre Kontingente - dann ist das Hotel überbucht. Jener Veranstalter, der die größte "Macht" im Hotel hat, bekommt seine Betten, die anderen haben das Nachsehen.

    * es wäre nicht verwaltbar, jede Woche jedem Hotel den Verkaufsstand zu melden. Natürlich melden Veranstalter besonders gute Auslastungen schon früher, aber da ja nicht alle Veranstalter gleich arbeiten, hat der Hotelier trotzdem nicht den tatsächlich verkauften aktuellen Stand frühzeitig parat.

    Gruß

    Peter

  • mosaik
    Dabei seit: 1082419200000
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    geschrieben 1105518303000

    Nachtrag:

    Ja, die Hotels müssen meist die Mehrkosten bei Überbuchungen an den Veranstalter bezahlen. Meist ist dies in den Verträgen so geregelt.

    Treibt es ein Hotel besonders bunt, nimmt es der Veranstalter aus dem Katalog, um im nächsten Jahr bei einem anderen Veranstalter mit den gleichen Problemen wieder aufzutauchen.

    Gruß

    Peter

  • salvamor41
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    geschrieben 1105526707000

    @ Peter

    Danke für Deine Einschätzung. Wird die neue Rechtsprechung denn Deiner Meinung nach dazu führen, daß das "Problem Hotelüberbuchungen" kleiner wird und es womöglich irgendwann sogar ganz verschwindet? 

    Jedes Hotel wird es sich doch in Zukunft sehr genau überlegen, ob es unrealistische Zusagen macht, wenn die Veranstalter konsequent die Regreßforderungen der Kunden an die Hotels weitergeben. Zahlen die Hotels womöglich diese Regreßforderungen "gerne", wenn sie nur garantiert ein volles Haus haben? Diese Kosten ließen sich womöglich in der Kalkulation des Zimmerpreises unterbringen, würden insoweit dann von den Gästen indirekt mitbezahlt.

    Oder ist es in Wirklichkeit so, daß die Veranstalter das "Risiko Regreßforderungen bei Überbuchung" in ihrer Kalkulation unterbringen und auf Regreßforderungen an die Hotels verzichten?

    So oder so würde dieses "Spielchen" auf dem Rücken des Urlaubers ausgetragen, er würde seine evtl. Regreßforderung mit vorfinanzieren und wäre der eigentlich Gelackmeierte!!

    Bitte, ich bin, wie gesagt, kein Reisefachmann, versuche mich nur, in die Problematik reinzudenken.  

    ><o(((°> Don't feed the Trolls <°)))o><
  • mosaik
    Dabei seit: 1082419200000
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    geschrieben 1105532561000

    Hallo salvamor,

    die Problematik existiert eigentlich immer schon;

    "Bestrafungen" von Veranstaltern auch immer schon;

    aber wirklich geändert hat es sich nicht;

    Beide Seiten stehen immer stärker unter Druck, noch günstiger anzubieten, noch mehr zu verkaufen. Zwangshaftplichtversicherung (Insolvenz), Kerosinpreis-Schwankungen (siehe Urteil, dass Erhöhung teilweise rechtswidrig sind...) und andere kalkulatorische Massnahmen lassen eigentlich dem Veranstalter keinen Spielraum ohne nicht deutlich Mehrkosten auf den Endpreis zu schlagen.

    Die Hoteliers kämpfen sowieso schon seit längerem damit, Jahr für Jahr gleich wenig oder noch weniger für ihre Betten zu bekommen, wenn sie bei den Big Playern mit dabei sein wollen. Also haben auch die keinen Spielraum.

    Somit sind leer bleibende Betten das teurere Übel und man wird wohl in Zukunft noch stärker mit Überbuchungen rechnen müssen. Theoretisch gesprochen machen es ja alle Hotels und kein Veranstalter kann alle Hotels rausschmeissen.

    Ich möchte bei dieser Gelegenheit wieder einmal erwähnen, dass die Mehrheit der Pauschalreisen 2004 nicht wirklich wesentlich teurer waren als in den 80er Jahren des letzten Jahrtausends (klingt doch gut, oder?). Das heißt, beide Seiten hielten die Preise stets möglichst unten, um noch mehr Passagiere - Gäste zu bekommen.

    Jetzt, sozusagen, auf "Marktgerechtes Niveau" die Preise anzuheben, wäre wie die Faust aufs Auge und würde zehntausende Kunden wahrscheinlich vorübergehend von Urlaubsbuchungen abhalten (bei der Marktlage sowieso...).

    Irgendwie errinnert mich diese Entwicklung an: Made in China anstatt Handarbeit in der Schweiz: Reisefachleute werden immer weniger (bezahlt...), die Riesenunternehmen werden von Bankern geleitet (siehe TUI: im Vorstand kein Mitglied mehr aus dem Reisebürosektor, nur Banker...) und das angestellte Personal schlecht bezahlt und schlecht ausgebildet.

    Pauschalreisen verkommen zur billigen Massenware ohne Anspruch auf Qualität... könnte eine der Richtungen des Tourismus der nächsten Jahre sein...

    meint

    Peter

  • Sina1
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    gesperrt
    geschrieben 1105533152000

    Die Konsequenz aus diesem Urteil wird sein, daß die Veranstalter sich künftig wohl genau überlegen werden, ob sie ihre Kunden bei Overbooking vor Reiseantritt informieren. Wenn der Kunde nämlich erstmal im Zielgebiet ist und erst dort erfährt, daß sein gebuchtes Hotel leider nicht zur Verfügung steht, hat auch er eine Schadensminderungspflicht. Das heißt, er kann nicht einfach in den nächsten Flieger steigen, nach hause fliegen und Schadensersatz verlangen, sondern muß sich erst einmal mit der angebotenen Alternative begnügen und vor Ort Abhilfe verlangen.

    Mal ganz davon abgesehen ist ein sofortiger Rückflug mangels freier Plätze meist ohnehin nicht.

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