Hallo zusammen
Schmunzelnd konsumiere ich immer wieder die Postings heutiger Südamerika-Reisender mit Fragen wie: Wo ist es schöner oder welches Hotel ist besser? Jedes Land in Südamerika hat seine landschaftlichen und kulturellen Reize. Obwohl ich zugeben muss: Venezuela ist für mich das schönste und abwechslungsreichste Land Lateinamerikas. Aber eines haben alle Staaten gemeinsam: Losgelöst von der jeweiligen politischen Lage -- die fröhlichen und lebenslustigen Einheimischen mit Musik im Blut!
Vor Jahren bot sich mir die Gelegenheit, in einigen, bei heutigen Touristen beliebten Ländern als junger Projektleiter im Auftrag eines Multis, beim Aufbau von staatlichen Kraftwerken mitzuarbeiten und im Arbeitseinsatz, der Freizeit und in den Ferien, Land und Leute auf mehr oder weniger abenteuerliche Weise intensiv kennenzulernen. Mit Wehmut und zugegeben einer Portion Egoismus, denke ich allerdings an die paradiesischen Zeiten zurück, als die Länder noch nicht von Massentouristen überflutet wurden.
Eine Ferienwoche gemeinsam mit einem Arbeitskollegen, z.B. in Machu-Picchu (Peru) als einzige Besucher der gut erhaltenen geheimnisvollen Inkastätte oder eine mehrtägige Robinsonade auf einer unbewohnten und menschenleeren Karibikinsel, vorgelagert der Küste Venezuelas waren keine Seltenheit. Auch einen Trip zu den Tafelbergen und dem Salto Angel, damals nur mit einem privaten Kleinflugzeug möglich und Übernachtung unter freiem Himmel in der Hängematte unter einem Moskitonetz, habe ich noch in bester Erinnerung.
Heute fehlt Machu-Picchu in keinem 0/8/15 Südamerika-Angebot und die kleinen vorgelagerten Inseln Venezuelas haben sich zu Ghettos des Massentourismus entwickelt. Dank Neckermann und TUI & Co. bucht man heute vor Ort zur Abwechslung an das monotone Strandleben mit den weltweit aufkommenden AI-Bunkern eine abenteuerliche Jeepfahrt, selbstverständlich im Konvoi oder fliegt schnell in den Urwald und besucht einen Indiostamm. Ob zu ihrem Wohl -- ist eine andere Frage!
Meine Besuche, unter anderen zu den zivilisationsfeindlichen Motilonen oder zu den Yanomani im “Territorio Amazonas” waren damals nur in Begleitung von Missionaren möglich. Und auch das nur mit gewissen Einschränkungen. Auf einige weitere interessante Besuche musste ich leider verzichten. Bedingt durch die Regenzeit, verzögerte sich die Rückreise in die Zivilisation manchmal bis zu zwei/drei Monaten. Für die Missionare und ihren Chef und "CEO" in Rom kein Problem, aber mein Arbeitgeber, ein Multi aus heimatlichen Gefilden, dem schnöden Mammon verplichtet, sah das etwas anders! Kann sein, dass ich meinem Arbeitgeber Unrecht tue und er nur verhindern wollte, dass mir böses angetan wird. Hin und wieder kam es vor, dass Missionare spurlos verschwanden und einige Jahre später als "Schrumpfkopf" wieder auftauchten. In meinem Arbeitszimmer habe ich einen Schrumpfkopf aufgehängt. Muss allerdings gestehen, es handelt sich lediglich um eine Imitation aus Ziegenhaut. Und das ist auch gut so.
Mit glänzenden Augen schilderte mir kürzlich eine Touristin ihren abenteuerlichen Besuch bei den "halbnackten Wilden" in ihren primitiven Urwaldbehausungen, die fassungslos die Funktionen von Handy, Feuerzeug und Kugelschreiber bestaunten. Ich verzichtete darauf, der guten Frau die Illusion zu nehmen und ihr zu erklären, dass die vermeintlichen ,,halbnackten Wilden" nach dem Rückzug der mit Fotoapparaten und Videokameras bewaffneten Invasionstruppen ihre gut eingerichteten Bungalows aufsuchen und in Jeans und T-Shirt mit einem Bier aus dem Kühlschrank per Satellit das abendliche Fernsehprogramm genießen.
Als inzwischen pensionierter, aber immer noch Fernwehgeplagter "Grufti", besuche ich gemeinsam mit meiner Frau nach Möglichkeit auf dem Land oder Wasserweg die letzten Paradiese auf unserem (noch) schönen Planeten. Ist eine Flugreise unumgänglich, buchen wir, sofern möglich, eine Airline aus dem Land, das wir individuell bereisen wollen. Die herzlichen Kontakte mit einheimischen Passagieren, die uns immer wieder wertvolle Ratschläge betreffend Transport, Unterkunft und Verpflegung abseits·des Massentourismus in ihrem Heimatland vermitteln, sind unbezahlbar. Der geneigte Leser verzeihe mir, dass ich die Länder und die Orte unserer persönlichen Paradiese nicht verrate.
Gruß
Pesche