S.V.k.P., eine hoch interessante, lebhafte Diskussion über ein brisantes Thema hast Du da losgetreten!
Ich muß gestehen, daß ich bei diesem Thema hin und her gerissen bin wie selten. Eine eindeutige Meinung wie manche meiner Vorredner habe ich nicht.
Einerseits gibt es sie wirklich, die notorischen Nörgler, und zwar in manchmal geradezu "faszinierenden" Varianten. Wir haben sie erlebt, wie sie eine einzige Kakerlake zu einem Heer von Ungeziefer hochstilisierten, wie sie sich beim Gastgeber bitterlich über das schlechte Wetter beschwerten ("das haben sie uns aber ganz anders geschildert!"), wie sie sich beim Gastgeber darüber mokierten, daß ihnen morgens der Rücken weh täte, weil sie nicht, wie zu Hause, in Wasserbetten schlafen könnten, wie sie sich beschwerten, daß die Delfine nicht pünktlich erschienen ("sie haben aber gesagt, daß nachmittags Delfine kämen").
Die skurrilsten Sachen haben wir erlebt.
Es ist inzwischen für manche Zeitgenossen ein regelrechter Sport geworden, zu reklamieren, sich zu beklagen, schlecht zu machen, wo objektiv nichts schlecht zu machen ist, zu diffamieren und oft auch über juristische Klagen für eine Leistung bezahltes Geld zurück zu erstreiten.
Die Medien spielen dabei ein durchsichtiges Spiel. Sie stellen sich, um die Sensationsgier ihrer Leser zu befriedigen, fast immer auf die Seite der "betrogenen" Kunden. Die Auflageninteressen der Medienfirmen verlangen das!
Aber, was sind die wirklichen Gründe für diese eklatant zunehmende Nörgel- und Klagefreudigkeit der Kunden? Ich denke, darüber sollte man sich einmal Gedanken machen, auch wenn viele Betrachtungsweisen eher spekulativen Charakter haben.
Sicher spielt der Zeitgeist eine Rolle! "Wichtig bin ich, ich, ich und nochmals ich...", Werte wie Fairness und Solidarität verkommen immer mehr zu hohlen Phrasen, wenn es darum geht, persönliche Vorteile zu ergattern. Der Einsatz von Ellenbogen, manchmal mit Rasierklingen daran, ist in! "Durchsetzungsvermögen" nennt man das in gewissen Kreisen, in Wirklichkeit ist es eine Art Bankrotterklärung des anständigen, menschlichen Miteinanderumgehens!
Diese Entwicklung ist allerdings nicht nur im Bereich Urlaubsreisen zu beobachten, sie zieht sich schon länger wie ein roter Faden durch alle Branchen, Handel, Dienstleistung und Industrie sind gleichermaßen betroffren. Und auch der private Bereich ist von diesem verheerenden Zeitgeist nicht verschont geblieben.
Wo kommt er her, dieser Zeitgeist, der eine immer größere Rolle des persönlichen Egoismus vorsieht? Ganz sicher spielt die zunehmende soziale Kälte in diesem Lande als Folge der katastrophalen Situation auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle. Möglicherweise trägt der dadurch ausgelöste Kostendruck, dem die Menschen immer mehr ausgesetzt sind, zu einer Vorrohung der Sitten bei. Schließlich bleibt den Menschen im Durchschnitt aus mehreren Gründen immer weniger Geld in der Tasche. Andererseits möchte man aber, was eigentlich angebracht wäre, keine Abstriche am Lebensstandard machen, und der Urlaub gehört dazu.
Die mangelnde Solidarisierung der Menschen mit ihren Mitmenschen, die auch zu diesen Erscheinungsformen zählt, hat z.B. auch zur Folge, daß eine Identifizierung mit dem Arbeitgeber, früher gang und gäbe, immer weniger vorhanden ist. Man hat allerdings auch den Eindruck, daß eine intensivere Identifizierung der Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitgeber von vielen Firmenleitungen gar nicht mehr gerne gesehen wird. Man möchte zwar gerne die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer voll ausschöpfen, andererseits sie aber auch schnell und problemlos wieder los werden, wenn es in den Kram paßt. Der transparente Arbeitnehmer ist gefragt! Und ein transparenter, entidentifizierter AN ist weit einfacher zu handlen. Anders ist das Verhalten vieler Firmenleitungen nicht zu erklären!
Den Menschen sind die Vorbilder, die Idole, mit denen man sich identifizieren konnte, abhanden gekommen. Das Unternehmen, in dem man sich jahrelang wohl gefühlt hat, spielt eine veränderte Rolle, Idole in der Politik und der Wirtschaft, die es früher zuhauf gab (Adenauer, Brandt, Herrhausen, Beitz etc.) sind weit und breit nicht mehr zu entdecken. Die neuerlich verstärkte Hinwendung zu den Päpsten ist Indiz dafür. Orientierungslosigkeit hat sich breit gemacht, die dazu führt, daß sich immer mehr Menschen in sich zurückziehen. Auch unsere zunehmende Single-Gesellschaft trägt dazu bei.
Das alles scheint im ersten Moment sehr weit hergeholt zu sein, um eine Erklärung, warum immer mehr Menschen sich und anderen den Urlaub durch überzogenes, unberechtigtes Nörgeln vergällen, zu finden. Wenn man aber nicht nur feststellen möchte, daß Vorgänge so sind, wie sie sind, statt dessen wissen möchte, wo Entwicklungen her kommen, muß man auch größere Bögen schlagen.
Andererseits ist die abnehmende Bereitschaft der Menschen, alles, was ihnen vorgesetzt wird, klaglos zu akzeptieren, zu begrüßen. Die Menschen sind heute aufgeklärter als noch vor zwanzig Jahren, und die "Obrigkeitsgläubigkeit" hat Gott-sei-Dank rapide abgenommen. Die Folge ist eine zunehmende Bereitschaft zur Reklamation bis hin zur juristischen Klage. Das merken viele Branchen, und sogar Ärzte und Krankenhäuser, früher über jeden Zweifel erhaben, sind davon nicht ausgenommen.
In vielen Branchen hat das Qualitätsbewußtsein allerdings auch erschreckend abgenommen, und auch die Reisebranche gibt hier kein gutes Bild ab. Wenn man in den Medien hört, liest und sieht, was vielen Reisenden, fast ausschließlich bei Pauschalreisen, zugemutet wird, dann stehen einem glatt die Haare zu Berge. Es ist kein Wunder, daß die Bereitschaft, sich dagegen zu wehren, allgemein gestiegen ist.
Ich meine, die Reiseunternehmen, und vor allem auch die Standesverbände, sollten sich, bevor sie solche fragwürdigen Blacklists über mißliebige, klagefreudige Kunden erstellen, erst einmal kritisch hinterfragen, ob bei ihnen selber nicht das eine oder andere schief läuft. Vielleicht sollte man sich u.a. auch endlich einmal wieder darauf besinnen, zu verhindern, daß mit falschen oder irreführenden Beschreibungen in den Katalogen, garniert mit effektheischenden mit Weitwinkel aufgenommenen Fotos, den Kunden etwas vorgegaukelt wird, was in natura oft gar nicht da ist. Denn auch da liegt der "Nörgelhase" oft im Pfeffer.
Die Blacklist ist in meinen Augen eine höchst fragwürdige Sache. Einmal ganz abgesehen von den datenschutzrechtlichen Bedenken halte ich sie in der Praxis für nicht administrabel. Das ist das Hirngespinst von Verbandsfunktionären, die von der Praxis so viel Ahnung haben wie die Kuh vom Sonntag. Denn in der Praxis siegen wird immer der Druck der Einzelunternehmen, Umsatz machen zu müssen, im Zweifel auch mit einem "Blacklist"-Kunden.
(Umsatz)geilheit siegt fast immer über Ratio!