Über die Vielfalt der Insel habe ich ja schon so einiges geschrieben und da gehört für mich auch der Regenbogen zu. Damit meine ich nicht das Naturphänomen, sondern das Zeichen der Gay-Szene. Seit vielen Jahren ist Gran Canaria ein beliebtes Ziel für Homosexuelle. So gibt es Hotels, die sich auf diese Zielgruppe spezialisiert haben, aber auch zahlreiche Bars und andere Lokale, die dieses Publikum anziehen. Die meisten befinden sich im Yumbo-Center in Playa del Ingles. Hinzu kommt das tolle Klima, das die Insel zu einem ganzjährigen Urlaubsziel macht. Die Menschen hier sind gastfreundlich und tolerant. Herrliche Strände, gute Einkaufsmöglichkeiten und viele Sehenswürdigkeiten machen das Ganze perfekt. Als ich neulich abends mit meinen Nachbarn, einem männlichen Ehepaar, zusammengesessen habe, kam uns mal die Frage, warum ausgerechnet Gran Canaria bei Schwulen so beliebt ist. So kam ich dann auf die Idee zu diesem Text.
Schauen wir doch einfach mal zurück in die Vergangenheit. Die Geschichte der LGBT-Bewegung reicht bis in die Zeit des Franco-Regimes zurück. Aber auch davor gab es Einflüsse, die sich schon aus der Entfernung zum Festland ergaben. Dort herrschte eine konservative Klasse und der Einfluss der katholischen Kirche war enorm. Die Kanaren wurden von der Zentralregierung genutzt, um Menschen, die in ihrer Denkweise unbequem waren, ins Exil zu schicken, wie beispielsweise den spanischen Schriftsteller Unamuno, der immer wieder Kritik an der Monarchie übte. So konnten diese „Unruhestifter“ auf dem Festland keinen Einfluss mehr nehmen, aber auf die Kanaren kamen immer mehr neue Menschen mit neuen Ideen.
Es kam die Diktatur Francos, dieser beauftragte Mattias Vega Guerra mit der Leitung der Insel Gran Canaria. Dabei handelte es sich um einen Loyalisten und Freimaurer. Obwohl das erste nicht erlaubt und das zweite verpönt war, war es ihm – auch auf Grund der Entfernung zu Madrid – möglich, die diskrete Homosexualität der Inselelite zu ignorieren. Während des Franco-Regimes war die Homosexualität in Spanien verboten und wurde streng verfolgt. Franco sah eine Möglichkeit der Kontrolle, denn er wusste sicherlich, was dort in aller Heimlichkeit geschah. So war es, dass die Insel liberaler war als die meisten anderen Orte Spaniens. Mattias Vega Guerra war zwischen 1945 und 1960 Präsident des Cabildo von Gran Canaria, also vor dem Aufschwung des Tourismus.
Prägend war aber auch die Kunstszene der Insel. Ein gutes Beispiel dafür ist der Maler Néstor Martín-Fernández de la Torre aus Las Palmas. Als Vertreter des Jugendstils war er der bedeutendste Maler der Kanaren. Er war homosexuell, dies spiegelten auch viele seiner Kunstwerke wieder. Das Museum Nestor wurde am 18. Juli 1956 in Las Palmas eröffnet. Nestor hat auch das Pueblo Canario – das kanarische Dorf – entworfen, das im Jahre 1938 eröffnet wurde. Erbaut wurde es von seinem Bruder Miguel, einem Architekten. Nestor war außerdem der Erste, der für die Kanarischen Inseln ein Touristenplakat entwarf. All dies geschah in einer Zeit, als der größte Teil Spaniens noch sehr konservativ war.
Nach dem Tod Francos und dem Ende der Diktatur in den 1970er Jahren hat sich in Spanien sehr viel verändert hinsichtlich Toleranz und Liberalität. Im Jahre 1978 wurde die Homosexualität in Spanien legalisiert. Seitdem hat die LGBT-Community erheblich zum Aufbau einer vielfältigen Gesellschaft auf der Insel beigetragen. 2005 wurde Spanien eines der ersten Länder, das die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare einführte.
Der Ursprung, dass sich Gran Canaria zu einem der größten und bedeutendsten Ziele des LGBT-Tourismus entwickelt hat, liegt also in der Geschichte.