Hallo Baloo,
Ihr habt vor, eine vorgebuchte Mietwagenrundreise zu buchen, richtig?
Die klar definierten Übernachtungen an den einzelnen Orten lassen darauf schließen.
Auch wenn es unpopulär und old-school sein mag und evtl. den Eindruck macht, ich hätte keinen Bock, Empfehlungen zu geben, kann ich mir den möglicherweise gebetsmühlenhaft daherkommenden Hinweis, daß bei den Kosten einer solchen Reise doch die Anschaffung von zwei, drei Reiseführern zu wuppen sein sollte, nicht verkneifen. Und weil ich tatsächlich total hartnäckig old-school-mäßig drauf bin , bin ich denknotwendigerweise auch der Auffassung, daß man diese Werke ruhig lesen kann.
Ich gebe zu, daß ich manchmal rat- bis hilflos davor stehe, wenn danach gefragt wird, was man unterwegs sehen sollte. Da beiße ich fast in die Maus. Das unterliegt doch total subjektiver Einschätzung! Man wühle ein paar Reiseführer durch und zack! ist man in die Lage versetzt zu entscheiden, ob etwas einen anmacht oder eben nicht. Wenn nicht, kann man ja als letzte Maßnahme die fraglichen Seiten rausreißen, das macht das Werk dann auch übersichtlicher. Wenn doch, kann man Eselsohren reinmachen. Oder drin rummarkern. Oder rausschreiben. Was auch immer, in jedem Fall eine Spitzen-Sache!
Da Du ja noch im "fast gebucht"-Stadium bist, ein paar Informationen zur Einreise:
Nein, derzeit muß man vorab nix anderes tun als im Flieger die Zollerklärung auszufüllen. Kanada hat zwar auf dem Zettel, analog zum US-Esta ein Eta einzuführen. Sollte ursprünglich im April losgehen, ist aber auf November verschoben worden.
Die Bären-Sache: Tja. Ich sag's mal so: Wir traben gerne durch die Lüneburger Heide, da ist faunatechnisch außer Piepmätzen und Heidschnucken wenig zu befürchten und das finden wir unseren persönlichen Präferenzen sehr entgegenkommend.
Wenn man im Kanada lostigert, kommt es auch erheblich darauf an, wo. Auf irgendwelchen Hotspot-Trails wird der gemeine Bär eher selten den Weg kreuzen. Natürlich kann immer irgendein Pferd vor der Apotheke kotzen, aber grundsätzlich ist auf Mainstream-Strecken wenig zu befürchten, da die Bären schon mitkriegen, daß da dauernd Leute sind und sich verkrümeln.
Daß die Bärenglöckchen nix bringen sollten, höre ich jetzt zum ersten Mal. Bären haben ein ausgezeichnetes Gehör - ich denke nicht, daß die als Halligalli-Feature verkauft werden. Okay, meine Frau hat ein Bärenglöckchen als Schlüsselanhänger zur Ortung und findet das als bekennende Schlüssel-Schlampe eine großartige Lösung.
... nicht jeder mag stundenlang singen, evtl. brechen nach einer gewissen Dauer der Wanderung auch die Zwangs-Gesprächsthemen um der Bärenvertreibung willen weg und man mag nicht ununterbrochen rumplappern - da hilft so ein vor sich hin bimmelndes Bärenglöckchen durchaus.
Ein Fazit ziehend kann man daher eigentlich nur sagen: Take it or leave it - geht mit einer gewissen Grundausrüstung los oder vertagt Wanderungen auf die Zeit, wenn Ihr wieder zuhause seid, sollte Euch insgesamt beim Gedanken an eine Bärenbegegnung schwiemelig werden - was ich gut verstehen kann, siehe oben: Lüneburger Heide. Das "kontrollierte Risiko", also eine menschenfreundliche Melange à la Hagenbeck oder Serengeti-Park gibt es nicht - die Bären sind da zuhause, wo die Wanderwege sind - die waren zuerst da, die haben "Hausrecht".
Hinsichtlich der Menengitis-Impfung: Die ist für Kanadier obligatorisch, was meiner Meinung nach unmittelbar mit der allgemeinen Bakterien-Hysterie in Nordamerika zu tun hat. Stichwort: Wischtüchelchen für Supermarktkarrengriffe. Wer sich von Babybeinen an konsequent ein Zelt der Sterilität überstülpt, bildet natürlich keine Antikörper und wird von jedem Fliegensch.... umgehustet. Für Touristen wird sie nur bei Langzeitaufenthalten von Jugendlichen/Schülern/Studenten empfohlen. Hier denke ich, daß man angesichts des Langzeitaufenthaltes in super-sterilem Ambiente auf einen drastischen Verlust des körpereigenen Wissens um die Bildung von Antikörpern schließt. Die Menengitis-Sache würde ich also nicht zu hoch hängen. Niemand ist gerade in diesem höchst infrastrukturiertem Reisegebiet Kanadas gezwungen, aus nem Abwasserbach zu schlappen. Für den Fall, daß man tatsächliche arge Sorge hat: Impfen und gut.
Was Cathedral Grove angeht:
Man kommt auf dem Weg nach Tofino unweigerlich dran vorbei. Das als Provincial Park ausgewiesene Gebiet ist - aus europäischer Sicht - gar nicht so klein, die angelegten Wege aber kurz. Man sollte schon anhalten und die Baumgiganten bestaunen. Das kann je nach Tageszeit und damit einhergehender Touristenfrequenz zur Hauptsaison allerdings schwierig bis unmöglich werden, da die Parkplätze links und rechts der Straße arg begrenzt sind. Selbst wenn man von den wirklich eindrucksvollen Baumriesen so geflasht ist, daß man sich eine halbe Stunde hinsetzen möchte (Bänke gibt es dafür übrigens keine.... der Flash muß also stehend bewältigt werden), sollte man dort in maximal - also wirklich als äußerste Grenze, es sei denn, man schläft unterwegs ein - in zwei Stunden durch sein.
Wenn Ihr dort sein solltet: Die wirklich lobenswerte Sache, dieses Gebiet erhalten zu haben, hat das Gesmäckle, nach einem Holzabbau-Giganten benannt worden zu sein. Der war nämlich so überaus großzügig, dieses Areal nicht abzuholzen. Dafür wurde das Gebiet drumrum vor ungefähr 6 Jahren eifrig von einem anderen Unternehmen kahlgehackt, bis Proteste dem Geschehen ein Ende machten. Insofern ist das Besondere an Cathedral Cove eigentlich, daß es ein Restbild dessen zeichnet, wie so ziemlich alle Wälder an der Regenküste mal ausgesehen haben und daß man sich hier im Angesicht der Giants trefflich seine Gedanken darüber machen kann, daß in Kanada mitnichten alles gut ist - sondern die Holzindustrie eine echte Zecke im Pelz der tollen Natur darstellt.
Vor Tofino gibt es einen schönen Regenwald-Trail, der allerdings auch nur so umme 1,5 km hat - aber in seiner Naturbelassenheit als Teil des Pacific Rim NP eine schöne Ergänzung zu Cathedral Grove bildet.
Einen Tipp kann ich loswerden - zwar keine Bären, sondern Lachse.
Wobei.... so wie Eure Routentaktung aussieht, jagt man Euch in einem Rutsch von Whistler nach Tofino. Sagt also im Zweifel im Hotel in Tofino Bescheid, daß Ihr nicht zur Kaffeezeit auflaufen werdet:
Nordwestlich von Port Alberni gibt es den Stamp River Provincial Park. Dort ist Lachswanderung - geht allerdings erst im späten August los. Dort kann man sie springen sehen.... großes Kino.
Unverzichtbar bei zwei Nächten Victoria: Das Royal BC Museum. Auch wenn draußen die Sonne scheinen sollte - auch großes Kino.
Banff: Ausflug zu den Spiral Tunnels. Ganz großes Kino. Aber nicht ungeduldig werden und wirklich warten, bis ein Zug kommt.
Wenn keiner da ist, ist das Kino sozusagen geschlossen, dann guckt man nur auf den Wald und fragt sich: Was soll das, was mach ich hier??
Zu guter Letzt: Bevor Ihr aus der fast-Buchung eine tatsächliche macht, solltet Ihr die geplanten Hotels auf einem amerikanisch-lastigen Portal wie TA unter die Lupe nehmen - in aller Regel werden einem bei solchen Touren die allerletzten Raffelbuden untergejubelt.
Und wenn das Ergebnis schockierend sein sollte, was ich fast annehme, dann gibt es immer noch die wunderbare Möglichkeit, schlicht und ergreifend selbst einen Mietwagen zu buchen und die Unterkünfte nach eigenem Geschmack auszusuchen.
Harry