Jambo!
Vielleicht wirkt es auf den zweiten Blick ein wenig enttäuschend. Denn so wie ich das alles erlebt habe, dreht sich hier alles nur um Geld. Jeder hoffte, etwas abzubekommen.
Aber wenn man genauer drüber nachdenkt, ist es doch bei uns auch nicht viel anders.
Warum sollte es woanders leichter sein, "echte" Freunde zu finden, als bei uns?
Fakt ist halt, daß ich noch nirgendwo erlebt habe, daß sich Menschen so viel Mühe gegeben haben, einem eine Freude zu machen. Auf unserem Kontinent kannst Du noch viel mehr Geld zahlen und findest trotzdem nicht so nette Leute.
Das ganze macht es natürlich schwierig, die Leute zu unterscheiden, die alleine am Menschen interessiert sind und nicht am Geld. Aber ist das in einem der ärmsten Länder der Welt ein Wunder, wenn diese auf Menschen der reichsten Länder der Welt treffen? Ich glaube nicht. Die meisten Menschen dort haben noch nie auch nur ein anderes Land gesehen, sie sind einfach nur glücklich, wenn sie es schaffen sich und ihre Familie zu ernähren.
Ich frage mich, wie man es schaffen kann, hier z. B. einen Partner fürs Leben zu finden, wovon man so oft hört?! Sind diese total blauäugig oder verzweifelt? Oder hatten diese Glück?
Ein einziges Mal hatte ich für mehrere Stunden das Gefühl, einen Menschen gefunden zu haben, der mehr als Geld wollte. Es war eine nette junge Dame, die ich am Anfang meines Urlaubs in einem Safaribüro traf. Erst am Ende meines Urlaubs traf ich sie wieder in meinem Hotel, sie kam, um eine Freundin zu begleiten, die einen anderen Gast sehen wollte, um ihn zu verabschieden, da er am nächsten Tag abreiste und sie angeblich so sehr in ihn verliebt war. Plötzlich wunk sie mich also zu ihr an den Tisch. Ich erkannte sie nicht mehr wieder, aber sie sagte mir, daß ich bei ihr im Büro war wegen der Safari. Wir plauderten über Gott und die Welt. Obwohl sie ein wenig deutsch konnte, sprachen wir auf Englisch, da das für uns beide besser klappte. Sie wirkte so modern und aufgeschlossen, daß ich das Gefühl hatte, einem Europäer gegenüber zu sitzen. Ihr Essen und die Getränke, die sie einnahm, hatte sie gerade bezahlt, als ich zu ihr kam. Das wunderte mich, denn ich habe bisher keinen einzigen Menschen aus Kenia getroffen, der sich sowas leisten konnte (10 EUR!). Bis um 3 Uhr saßen wir an der Bar und sie erzählte mir, wie sehr sie sich für Ihre Geschlechtsgenossinnen schämte, die am ersten Abend mit einem Mann ins Bett gehen. Sie erzählte von ihrer Schwester, die mit einem Deutschen glücklich verheiratet ist. Ich war fasziniert. Da die Bar nun schloss, bot sie mir an, mal mit ihr nachhause zu kommen um weiterzureden. Ich fand alles so interessant, war jedoch auch etwas ängstlich. Schließlich ging ich mit ihr. Ihre Freundin, die von dem anderen Gast im Hotel sitzen gelassen wurde, kam mit, da sie angeblich zusammen wohnten. Wieder war ich erschrocken: Wir kamen an einem riesigen Haus an. An der Tür hing ein Schild "G4S Securicor", was für mich darauf schließen ließ, daß diese "Villa" wohl nicht gerade von armen Leuten bewohnt wird. Ehe ich mich versah, hatte sie schon den Taxifahrer bezahlt. Nun kam etwas dazu, was mich wirklich stutzig machte: Sie hatte angeblich ihre Schlüssel vergessen. Also klopfte sie so lange an das Eisentor, bis ein junger Mann rauskam und ohne zu Murren die Türen und Tore öffnete. Um halb vier nachts. Ich folgte ihr also in ihr Zimmer, während ihre Freundin in ein anderes Zimmer ging. Das ganze Haus schien nur aus einzelnen bewohnten Zimmern zu bestehen. Und wieder traf mich der Schlag: Fernseher, DVD-Player, Stereoanlage, der Schrank voll mit den schönsten Klamotten, Schuhe in einer Auswahl wie bei einer deutschen Frau und im offenen Schrank stand noch ein Koffer, an dem noch ein "Bundesgrenzschutz"-Label hing. In der Ecke eine Stehlampe, ein riesiger Standventilator und in der anderen Ecke ein riesiges und wunderschönes Eisenbett, das auch nicht gerade billig aussah, mit einem Moskitonetz darüber. Als ich auf die Toilette neben an ging, kamen wieder afrikanische Verhältnisse zum Vorschein. Die Klobrille war nicht vorhanden und alles war sehr dreckig. Bevor ich ging, sagte sie mir, ich sollte meine Schuhe anziehen. Und das war auch gut so. Denn der komplette Boden in der Toilette stand unter Wasser! Keine Ahnung, wo das herkam. Direkt neben der Toilette lag eine Boxershort im Wasser auf dem Boden. Ich fragte mich, wo diese wohl herkam. Ich dachte, sicher von einem anderen Bewohner des Hauses. Ich beschloss also, heute mal im Stehen zu pinkeln und ging danach wieder in ihr Zimmer. Sie hatte sich schon umgezogen, hatte nun einen weißen Bademantel an. Auf dem Tisch neben ihrem Bett stand plötzlich eine Dose mit Gleitgel. Ich fühlte mich nicht besonders gut, aber wir redeten weiter. Sie fing an, mir zu erzählen, daß, als ich ihr Büro damals verlassen hatte, sie mich beobachtete, wie ich mit dem anderen Ehepaar, mit dem ich unterwegs war, dastand und mich beriet und wie süß sie das fand. Sie dachte, es wären meine Eltern gewesen. Sie würde auf große Männer stehen (ich bin 2m groß) und ich würde sie an ihren Ex-Freund erinnern. Sie kam näher und flüsterte mir schmutzige Sachen ins Ohr. Ich erschrak, da sie mir Stunden vorher ja erzählt hatte, daß es für sie keine Liebe auf den ersten Blick und so schnell auch keinen Sex gibt. Sie behauptete, noch nie so einen charmanten und süßen Mann wie mich getroffen zu haben. Sie würde davon träumen, mit einem Mann wie mir verheiratet zu sein. Sie stelle sich gerade vor, wie hübsch unsere 2 Kinder wohl aussehen würden. Es schmeichelte mit zwar und sie wirkte sehr authentisch, dennoch sagte mir mein Gefühl (vielleicht auch meine grundsätzliche Angst oder Vorsicht nach über 10 Tagen in diesem Land), daß das nicht wahr ist, da ich mir auch in keiner Weise Mühe gegeben habe, irgendwie romantisch oder besonders charmant zu wirken. Ich sagte ihr, daß ich nun gehen wollte. Schließlich hatte ich eine Freundin zu hause. Ich erklärte, daß mir meine Beziehung viel Wert ist und Treue für mich sehr wichtig ist. Und nun der nächste Hammer: Sie verstand das auch noch! Die erste Frau in Kenia, die ich traf, die das verstand!! Alle anderen die ich bisher kennenlernte sagten nur - "Deine Freundin ist doch in Deutschland und nicht hier!". Sie brachte mich nun also zur Tür und sagte, es wird alles so geschehen, wie Gott es will. Man könne nichts erzwingen. Sie würde mich gerne am nächsten Tag wiedersehen. Ich lehnte ab, weil mir die Sache zu heiß wurde. Kein Problem. Gab ihr noch meine E-Mail-Adresse. Ich fragte, ob ich ihr wenigstens Geld für das Taxi geben dürfe, das sie bezahlt hatte. Ich wollte ihr 2000 Schilling geben, aber sie lehnte es ab, behielt lediglich 500, ein wenig mehr, als das Taxi tatsächlich gekostet hat. Instinktiv hatte ich irgendwie das Gefühl, daß sie trotz ihres Lebensstandards eine sehr arme Frau war, wie alle, die hier leben. Ich hatte das Gefühl, daß sie sich verkaufte, auch wenn sie das wohl so gut sie konnte zu verbergen versuchte. Deswegen wollte ich ihr soviel Geld geben, aber sie nahm es nicht. Sie zeigte mir kurz den Weg zum Narkumat, wo ich Taxis finden würde. Dort angekommen war leider keins. Also bin ich die 20 Minuten zu meinem Hotel zurück gelaufen. Die Dämmerung begann schon wieder und es war nicht mehr sehr dunkel. Trotzdem fühlte ich mich nicht ganz wohl, aber stehenbleiben, ein Taxi anrufen und warten wollte ich auch nicht. Schließlich kam ich glücklicherweise wohlbehalten im Hotel an. (Bitte nicht nachmachen, alleine bei Nacht ist wirklich gefährlich. Würde schließlich auch nicht alleine bei Nacht durch Frankfurt laufen!)
Ich war noch total aufgedreht und konnte nicht schlafen, weil tausend Fragen durch meinen Kopf gingen:
- Kann diese Frau ihren Lebensstandard wirklich durch ihren Job im Safaribüro finanzieren?
- Hat sie und ihre Freundin wirklich dort gewohnt?
- War vielleicht das ganze Haus ein einziger **** oder ein Stundenhotel?
- Ist das eine Masche, mit der sie sich Dutzende europäische Männer hält, die von dortaus ihr Leben finanzieren?
- Sucht sie wahllos einen Mann zum Heiraten, um nach Europa zu kommen?
Ich überlegte, aber fand keine klaren Antworten auf diese Fragen. 3-4 Stunden später ging ich zum Frühstück, fast ohne Schlaf. Ich war bedrückt. Verbrachte den Rest des Tages am Pool. Ich wollte an diesem Tag nichts mehr sehen oder hören von diesem Land und musste ersteinmal alle Eindrücke, die auf mich eingeströmt sind, verarbeiten.
Meine letzte Nacht hier war gekommen.
Beim Abendessen im Hotel setzte sich eine wunderschöne junge Dame neben mich, fing an mit mir zu reden und aß. Obwohl ich nicht besonders gesprächig war, sie nicht eingeladen hatte und sogar noch sagte, daß der Tisch zu klein ist weil noch 2 unserer Leute kommen würden, ging sie nicht. Wir mussten also noch einen Stuhl ranholen. Sie verbreitete am ganzen Tisch recht gute Laune, war eigentlich dann doch ganz lustig. Der Kellner legte mir kommentarlos die Rechnung für ihr Essen zum unterschreiben hin. Ich war etwas perplex aber tat es schließlich. Trifft ja sicher keinen Reichen, dachte ich. Sie folgte uns später an die Bar, beobachtete mit uns die Abendaufführung von ein paar Athleten und trank noch 2 Gläser Wein auf meine Rechnung. Danach wollte sie mit mir aufs Zimmer. Lehnte ab. Sie wirkte sehr geknickt und wollte nun gehen. Gab ihr noch 200 Schilling für ein Taxi und verbrachte die Zeit bis ca. 0 Uhr noch mit meinen deutschen Freunden an der Bar.
Am nächsten Tag also dann der Abflug mit gemischten Gefühlen. Einerseits war ich traurig, wieder ins kalte Deutschland zu kommen, andererseits war ich froh, wieder in vertraute Umgebung zu kommen. Alles was ich erlebte, hat mich seelisch ein wenig belastet und auf eine gewisse Weise war ich froh, daß es nun ein Ende hatte, was aber mit Sicherheit nicht heißt, daß das mein letzter Urlaub hier war. Keine der Erfahrungen möchte ich missen. Mir hat der komplette Urlaub ganz neue Sichtweisen auf unser Leben ermöglicht.
Ich habe überall mehr Geld ausgegeben, als ich eigentlich wollte. Mir taten viele Menschen so leid. Jeder hat eine andere Geschichte und jeder ist arm. Oft kann man einfach nicht anders, als ihnen etwas Geld zu geben, auch wenn das nicht immer der richtige Weg ist und mit Sicherheit immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele Leute denken, daß bei uns das Geld auf den Bäumen wächst. Viele wissen nicht, wie hart wir für unser Geld den ganzen Tag arbeiten. Bei ihnen geht schließlich alles PolePole. Und trotzdem muss man sagen, daß wir tatsächlich ja auch reich sind. Sonst könnten wir uns - genau wie diese Menschen - so einen Urlaub schließlich nicht leisten!
Naja.
Als ich gestern ankam, hatte ich auch schon prompt eine E-Mail von der Dame, von der ich oben schrieb, die mich heiraten wollte.... zusammen mit einem Bild schreibt sie nochmal, wie schön die Zeit mir mir war und wie gut ich ihr gefallen hätte.
Thorsten