doc3366:
Es mag ja sein, daß das Urteil grundsätzlich diese Ausrichtung vorweist, vielleicht ist es ja genau deshalb so vage gehalten, daß sich nicht jeder Richter veranlasst sieht, sich an den Mist halten zu müssen
Genau: :rofl:
Das wäre ja eine geradezu strategische Entscheidung zu Gunsten der richterlichen Kreativität, die der Kammer ungefähr so vertraut ist wie einem Känguruh das Schlittschuhlaufen.
Der Tenor ist nicht die Zumutbarkeit, der Tenor ist die Planungssicherheit.
Hieraus resultiert ein Spielraum für den Reisenden, innerhalb dessen er seine Gründe für einen Rücktritt darlegen kann. Dem Amtsrichter obliegt es nicht, diese Gründe nach Mist oder kein Mist zu spezifizieren, vielmehr entscheidet er, ob der Vertrag als erfüllt zu betrachten ist oder nicht. Amtsrichter haben wenig Zeit, demnach werden sie wohl nicht unbedingt selten feststellen, er sei nicht erfüllt und der Rücktritt demnach rechtens.
Die Frage ist letztlich die nach dem realistischen Aufkommen streitig herbeizuführender Einigungen gem. deinen Beispielen:
Glaubst du, dass sich tatsächlich viele Reisende wegen einer Stunde oder gar weniger zu einer Kündigung entschließen? Soviele, dass es "den Markt ordentlich aufwirbeln" würde?
Ich nicht ...
Vermutlich werden es eher mehr als 3h sein, die der persönlichen Organisation massive Schwierigkeiten aufbürden und die Aufgabe des Vorhabens bedingen. Genau diese >3h betrachtet ja auch der EuGH als "große Verspätung".
Zudem ist die Aufgabe der Planung einer Urlaubsreise nicht die populärste Option und wird vermutlich eher die ultima ration sein - mit entsprechend noch einmal seltenerem Gebrauch.
In seinem grundsätzlichen Tenor stellt der Spruch auf die Vermeidung willkürlicher Verlegung von Reisezeiten ab, mittels der Festlegung eines Anspruchs auf plausible Begründung + resultierender Maßnahmen. So ja auch die Klage der Verbraucher.
Aus meiner unmaßgeblichen Sicht hat dies immerhin zu etwas verschärfter Disziplin seitens der Veranstalter geführt. Sie können nun eben nicht mehr beliebig ihre Kontingente verschieben, unerhärtet raushauen, ein Flug X finde nicht statt und der Kunde müsse daher mit dem Flug Y klarkommen - ohne die geringste Handhabe.
Ohne dieses Motiv müsste man voraussetzen, die Kammer habe gar nicht die Absicht gehabt, der Entscheidung eine Seele zu geben.
Ich betrachte jedoch genau diese zähneknirschende Entscheidung des Rücktritts als die "letzte Ausfahrt", die einem Pauschalreisenden dann auch offenstehen sollte.
Zudem gibt es in der Peripherie mehr und mehr Entscheidungen, die der Unart des munteren Verschiebens entgegentreten - beispielsweise erfolgreiche Einreden gegen eine Stornogebühr bei durchaus realistischen Möglichkeiten, die Reise im Falle der Rückgabe anderweitig zu veräußern.
Zwar zeichnet sich keinesfalls die "ganz große Freiheit" auf den Spuren der VO(EG)261/04 ab, aber gewisse Methoden werden dank ihrer durch aktuelle Rechtsauffassung anhängender Risiken seltener - immerhin!