Ich möchte jetzt ausdrücklich vorweg schicken, dass ich keine Fluglinie in irgendeiner Form in Schutz nehmen möchte.
Aber seit es die Fluggastverordnung gibt, drehen sich viele Forderungen immer (nur) um Geld. Sicherheit wird scheinbar erst später gereiht. Pünktlichkeitswünsche sind verständlich, aber aus meiner Sicht eine Forderung, die trotz moderner Technik nicht immer erfüllt werden können.
Nicht die Überbuchung ist mein Thema, sondern Verspätungen oder Verspätungen aufgrund von technischen Problemen.
Der Flugverkehr wird immer dichter, die notwendigen Begleitmaßnahmen wie beispielsweise Fluglotsen oder Lande/Startmöglichkeiten auf Flughäfen (wie quälend doch die Verfahren für neue Startbahnen in Frankfurt und Berlin...), können oft diesem rasanten Anwachsen nicht nachkommen (Geldmangel, Ausbildungslücken u.a.).
Flugzeuge sind Technikwerke wie ein Automobil, ein Autobus, eine Lokomotive oder ein Schiff. Alles menschliche Werke mit Fehlermöglichkeiten. Natürlich kann man durch korrekte Wartungen die Fehlerquelle minimieren, aber ausschalten wird man sie nie können. Da zu erwarten, dass Flugzeuge 100 % klaglos funktionieren, die rund um den Erdball fliegen, den verschiedensten Temperatur- und Klimaunterschieden binnen weniger Stunden ausgesetzt sind, ist wohl eine wohlgemeinte Forderung. Aber unrealistisch.
Ich hatte letztes Jahr eine größere Veranstaltung mit Transportlogistik zu betreuen. Da wurde ich immer wieder festgenagelt: wie lange fährt ein Bus von A nach B? Sagte ich: normalerweise 30 min, kam die Rückfrage, ob ich das garantieren kann. Natürlich nicht, denn was ist, wenn ein Unfall die Straße blockiert, wenn dichter Verkehr bremst, wenn - ein Defekt? - auftritt... Das war aber meinen Auftraggebern niemals Antwort genug: schafft er es in 30 min: ja oder nein? Sagte ich ja und er schaffte es nicht, gab es Telefonterror - kein Verkehr, kein Unfall wurde akzeptiert - meine Aussage 30 min war in Stein zementiert. Sagte ich nein, in 30 min wird es nicht klappen, hieß es: es MUSS aber in 30 min klappen! usw. usw.
Oft ging es, manchmal auch nicht - es ist eben nicht möglich, alles vorhersagen zu können, alles einplanen zu können.
Ich verstehe es nicht, weshalb es so viele Menschen gibt, die hier nicht eine gewisse Toleranz zulassen, Argumente versuchen zu verstehen, den bezahlten Preis ins Verhältnis zur Strecke zu stellen und einfach ganz allgemein das Reisen als Abenteuer sehen und annehmen.
Ja es ist ein Abenteuer und wird es auch bleiben. Zerbrechen werden diejenigen, die von Frankfurt am Main nach Sydney in Australien fliegen und einen technischen Defekt, eine Verspätung von einer Stunde als inakzeptable finden, Anwälte und Gerichte damit plagen werden und letztendlich vielleicht obsiegen, mit € 600.-- in der Tasche. Die dann im nächsten Jahr bei der Preiserhöhung der Flüge wieder umgelegt werden, ohne dass Defekte oder Verspätungen ausgeschalten sein werden können.
Würden alle Fluglinien auf allen ihren angeflogenen Flughäfen alle möglichen Ersatzteile für alle von ihnen zum Einsatz kommenden Maschinen lagern wollen, um Wartezeiten für Einflug von Ersatzteilen zu verhindern, wäre das unfinanzierbar.
Sicherlich, es gibt auch einen Bereich, der sehr wohl im Bereich der Fluglinie selbst liegt. Aber diese Fälle, so bin ich persönlich überzeugt, machen vielleicht 10 Prozent aller Verspätungen oder Absagen aus, wenn überhaupt - 90 Prozent liegen nicht im Einflussbereich der jeweiligen Fluglinien. Und dafür wurden sie mit der Fluggastverordnung "bestraft".
Die Bahn hat nur eine Softversion von "Bahngastverordnung", obwohl es dort mindestens so oft vorkommt wie im Flugwesen.
Bei Buslinien gibt es das überhaupt nicht. Wer hat da schon mal auf Einhaltung des Fahrplans geklagt? Und dann auch noch Recht bekommen?
Bei Schiffverbindungen gibt es das auch nicht. Wenn die Fähre Island einen halben Tag später erreichen würde, was geschähe?
Die Menschen geben sich selbst immer weniger Zeit, immer weniger Reisezeit. Alles muss geplant, ausgetüfelt bis zur letzten Minute sein. Als vor einigen Jahren in einer Nacht in halb Europa das Stromnetz zusammen gebrochen war, befand ich mich als Reiseleiter in Italien. Da wurde Unverständnis laut. Man hätte doch... Notstromaggreate für über 50 Mio Italiener und Urlauber planen und instandhalten können, ...den Ausfall durch Computerprogramme verhindern können (die ihn aber just herbei geführt hatten) und niemand verstand, weshalb man nicht noch einen Gasher im Hotel hat, damit es einen Kaffee und Spiegeleier gäbe.
Ein paar Stunden später gab es wieder Strom und die Welt war wieder heil. Aber davor war fast Panik, weil der Mensch aus seiner Gewohnheitswelt grob gestoßen wurde. Kein Strom. Peng. Da muss es Schuldige geben und der Reiseveranstalter muss Entschädigung leisten!
Was, wenn jeder Bäcker, jeder Gastwirt, jeder Zahnarzt, jeder Bergführer so seine "...gastverordnung" schlucken müsste? Dann wären doch auch all jene Betroffene, die jetzt über einen Triebwerkschaden in Bangkok lamentieren? Dann müssten sie von den erhaltenen € 600.-- eine Semmelentschädigung, eine Warte-auf-das-Essen-Entschädigung, eine Behandlung-hat-zu-lange-gedauert-Entschädigung, eine habe-zu-lange-auf-den-Berg-gebracuht-Entschädigung bezahlen. Dann wären SIE es, die abwiegeln versuchen, Ausreden erfinden, es als "normal" versuchen hinzustellen, um nicht zahlen zu müssen. Betrachten wir also menschliche oder technische Fehler auch einmal aus einem anderen Winkel, um die Masse der "so ist das Leben" von jenen, durchaus ernst zu nehmenden und auch den gesetzlichen Vorschriften nachzuverfolgenden Fällen zu trennen...
grübelt
Peter