Bulgarienfan hat geschrieben:...Und geradezu widerlich finde ich es, wenn einige (nicht unbedingt hier bei HC) den Geberländern in erster Linie populistische Motive unterstellen.
Den Geberländern ausschließlich humanitäre Motive zu zubilligen, wäre reichlich naiv.
Die USA, die Deutschen, die EU und die UNO - die größte humanitäre Aktion aller Zeiten, die Spendenrallye über alle Kontinente hinweg, sie ist auch ein Spiel um Macht und Einfluß in der wichtigen Region Südasien und abseits dieser Bühne. Die politische Konkurrenz spornt die Hilfe an, doch der inzwischen mancherorts schon etwas protzig zur Schau getragene Wettstreit um einen Platz im Medaillenspiegel der Barmherzigkeit hat eine realpolitische Komponente, die oft verschwiegen wird.
Es geht um Geltung in einer Region, in der sich die USA, Japan und China drängeln, um großes Format statt kleinem Karo auf der Weltbühne und auch darum, in der Heimat als reaktionsstark und krisenfest zu punkten.
Angesichts dieses Motivbündels jenseits reinen Gutmenschentums befürchten Entwicklungshelfer, daß bei weitem nicht alle Zusagen eingehalten werden. Singapurs Ministerpräsident Hsien Loong warnt, daß dem "kollektiven Kurzzeitgedächtnis" schnell entfallen könnte, daß die Region vor bis zu zehnjähriger Aufbauarbeit steht.
Der Einsatz von Katastrophenhilfe zur Mehrung politischen Einflusses ist nicht neu. Den Deutschen ist als Paradebeispiel der Marshall-Plan in Erinnerung, mit dem die Amerikaner nicht nur den zerbombten Gegner wiederaufbauen, sondern auch einem Ausbreiten kommunistischer Ideen jede Grundlage entziehen wollten.
Politisches Kalkül jenseits herzlicher Hilfsbereitschaft gibt es auch bei der jüngsten Katastrophe - auf allen Seiten. Wenn die Deutschen einen Spendenrekord aufstellen, demonstrieren sie, daß sie das Zeug zur Großmacht haben wollen - und untermauern ihren Anspruch auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UNO. "Die Frage, ob jemand ein Global Player ist, bemißt sich auch danach", sagte ein UN-Diplomat in New York. "Das wird hier genau beobachtet." Die japanische Regierung spendet fast ebensoviel - auch sie will einen Sitz im Weltgremium. Indien, das im Paket mit Deutschland in den Aufsichtsrat der Weltgemeinschaft strebt, ist selbst von der Katastrophe betroffen - und lehnt jede Hilfe ab. Ein Bettlerimage würde sich nicht mit dem Streben nach Weltgeltung vertragen.
Entwicklungshelfer sehen den Wettlauf um Geld und Macht nicht nur mit Freude. "Das Geld muß irgendwo herkommen. Es besteht die Gefahr, daß es aus Investitionen für langfristige Projekte zur Armutsreduzierung abgezogen wird", sagt Joachim von Braun, Chef eines entwicklungspolitischen Instituts in Washington. Auch stehe der kritische Punkt noch bevor: der Umstieg von der Linderung akuter Not zur langfristigen Unterstützung. (siehe BAM!!)
Soweit Ausschnitte aus dem Artikel "Rekordspenden aus Eigennutz und Barmherzigkeit" von Peter Müller in der "Welt am Sonntag" von heute.
Es drängt sich einem die Frage auf, warum es anläßlich des Genozids in Ruanda, als zwischen April und Juli '94 ca. 800.000 Menschen ums Leben kamen und anläßlich der noch laufenden Katastrophe im Sudan, bei der zwischen 100.000 und 200.000 Menschen ums Leben kamen und 1,7 Mio. Menschen obdachlos wurden, nicht eine ähnliche Spendenbereitschaft der Regierungen zu beobachten war bzw. ist.
Mit Sicherheit darum, weil dort keine geostrategischen Interessen zu verfolgen waren!!!
Eine scheinheilige Welt, in der wir leben!