19. Tag: 23.10.09, Phnom Penh
Heute steht ein weiterer ereignisreicher Tag auf dem Programm: die Erkundung der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Den Anfang macht der Königspalast inmitten der Stadt. Die Besuchszeiten sind streng reglementiert und pro Tag auf die Zeit zwischen 10.00 und 14.00 Uhr beschränkt, dementsprechend viel ist natürlich los. Kaum sind wir im inneren Bereich angekommen, schon ziehen uns die pastellfarbenen, gelben Gebäude in ihren Bann. Die Giebel der verschiedenen königlichen Bauten sind kunstvoll geschwungen und die Fassaden sind mit vielen filigranen Figuren verziert. Der vordere Teil des königlichen Areals ist für alle zugänglich und es können unter anderem die Thronhalle sowie verschiedene Gebäude der königlichen Angestellten besichtigt werden. Auch das Theater ist offen für alle Besucher.
Im hinteren Bereich befindet sich der königliche Palast, der vom aktuellen König auch heute noch bewohnt wird und nur der Familie offen steht. Das einzige befremdlich wirkende Gebäude ist ein Geschenk Gustaf Eiffels zu Ehren des damaligen Königs, die sogenannte Villa. Sie steht vor der Banketthalle und wirkt mit seiner Metallkonstruktion á la Eifelturm in dieser Umgebung einfach deplaziert. Heutzutage wird sie als Verwaltungsgebäude verwendet.
In der Thronhalle kann man den goldenen Thron des Königs bewundern, auf dem er auch immernoch seine Audienzen abhält. Der hier ausgestellte Prunk verschlägt einem den Atem. Leider herrscht hier Fotografierverbot, denn mit Worten lassen sich die Eindrücke nur schwer beschreiben. Die nächsten 30 Minuten schlendern wir auf dem Gelände herum und versuchen die Schönheit der Anlage in Pixel festzuhalten. Wir sehen unter anderem gut erhaltene königliche Gewänder aus vergangenen Zeiten und auch einen Teil des Schmucks, der zu gewissen Zeremonien angelegt wird.
Im Anschluss gehen wir, vorbei an abenteuerlich aussehenden Baugerüsten, auf denen die Arbeiter herumturnen, zur Silberpagode. Den Namen trägt sie zu Recht, da sie im Inneren komplett mit Silber verkleidet ist. Der Boden besteht aus Silberplatten und die Besucher laufen auf Teppichen, um ihn nicht zu beschädigen. In der Pagode selbst stehen viele verschiedene Buddha-Statuen von kleinen, nur wenige Zentimeter großen Figuren, bis hin zu der großen Skulptur, die gut 2 Meter misst. In Glasvitrinen sind unterschiedliche Statuen zu sehen, die Buddha in diversen Stellungen darstellen: sitzend, liegend, unter einem Baum, beschützt von der Naga Schlange etc. Jede Handstellung Buddhas hat eine bestimmte Bedeutung und steht z.B. für Glück, Harmonie oder Weisheit. An den Wänden wird dessen Leben in Bildern erzählt, damit alle, egal welche Bildung oder welche Sprache, etwas damit anfangen können.
Das Areal rund um die Silberpagode wird von einer Mauer umschlossen, die in Fresken die hinduistische Schöpfungsgeschichte erzählt. Die Mauer erstreckt sich insgesamt über fast 400 Meter, bietet also reichlich Platz für die Geschichte über den Kampf der Götter Brahma, Vishnu, Krishna etc. Überragt wird die Anlage vom weißen Turm „Phnom Mondap“, der die Form einer geschlossenen Lotusblüte hat.
Mit vielen verschiedenen Eindrücken verlassen wir den königlichen Palast und laufen die kurze Strecke zum Nationalmuseum. Hier sind diverse Skulpturen der verschiedenen Hindugottheiten ausgestellt, die im Einflussbereich der Khmer verehrt und bei Ausgrabungen wieder gefunden wurden. Einige der hier ausgestellten Fresken sind Originale aus Angkor Wat, die dort als Nachbildungen ausgestellt werden. Wir schlendern durch die Hallen und genießen den Schatten, den der schöne Innenhof spendet. Hier ist auch die Figur des Lepra-Buddhas ausgestellt, der in der Nähe der Elefanten-Terrasse in Angkor zu finden ist. Die entstellte Figur wird zwar als Lepra-Buddha verehrt, aber tatsächlich sind deren Entstellungen durch den Krieg und Umwelteinflüsse entstanden.
Anschließend schlendern wir am Ufer des Tonle Sap entlang, der als Transportweg stark genutzt wird. Von hier aus kann man auch per Speedboot quer über den Tonle Sap See nach Siem Reap fahren. Leider sieht man dabei nichts von der Landschaft, weil man unter Deck bleiben muss. Da dieser Transport aber sehr teuer ist, wird immer öfter der länger dauernde Landweg genutzt. So werden auch wir morgen mit dem Bus den Weg nach Siem Reap zurücklegen. Aber das ist noch Zukunftsmusik und wir lassen uns erstmal in einem Café nieder, und flößen uns einen guten Kaffee ein und beobachten das Treiben um uns herum. In unserem Reiseführer finden wir einen kleinen Markt, der gleich ums Eck ist und beschließen, diesen umgehend zu besuchen. Über mehrere kleine Gassen erstreckt sich der kleine Markt, der trotz der geringen Größe alles zu bieten hat, was das Herz begehrt. Auch eine kleine Bäckerei ist in der Gegend und die wird gleich mal unsicher gemacht.
Wenn man durch die Straßen Phnom Penhs zieht, sieht man teilweise krasse Gegensätze. Einige Straßenzüge erstrahlen hell und freundlich und machen einen aufgeräumten Eindruck, gerade in den Bereichen, die die Touristen eher besuchen. Etwas abseits der Touristenströme starren dann die Straßen vor Dreck und es riecht stellenweise abstoßend nach Kloake.
Ein paar dieser eher schlechteren Straßen durchqueren wir auf dem Weg zum Wat Phnom, dem kleinen Hügel inmitten Phnom Penhs, mit seiner Pagode Preah Chan. Der Hügel ist als Park angelegt, in dem Affen wild durch die Bäume springen und sich von den Touristen und Einheimischen füttern und fotografieren lassen. Mit einem Elefanten kann man zur Spitze des Hügels reiten oder man nimmt den „beschwerlichen“ Pfad über ein paar Stufen in Kauf, was wir dann machen. Auf dem Weg hinauf kommen wir an einem kleinen Schrein vorbei, vor dem Kinder kleine Vögel für einen Dollar verkaufen. Diese Vögel soll man dann frei lassen und das wiederum bringe Glück. Die armen Tiere werden wahrscheinlich kurz nach dem Freilassen wieder eingefangen und an die nächsten Touris verkauft.
Oben angekommen, besichtigen wir nun die Pagode Preah Chan. Er ist recht schön gestaltet und im Innenraum ist wieder die Lebensgeschichte Buddhas mit Bildern an der Wand dargestellt.
Mit einem Tuk Tuk geht es nun zum schrecklichsten Ort der Hauptstadt, dem berüchtigten Foltergefängnis der Roten Khmer, Tuel Sleng. Der Weg dorthin führt wieder durch teilweise verwahrloste Straßen. Vor dem Foltermuseum wird man von ein paar übel zugerichteten und verstümmelten Bettlern empfangen, die einen kleinen Obolus abbekommen möchten. Alleine dieser Empfang ist schon beklemmend. Im Innenbereich kann man auf den ersten Blick nichts Sonderbares erkennen, außer dass die Gebäudefronten mit ihren Balkonbrüstungen mit Stacheldraht verkleidet sind. An ein paar Tonnen vorbei, erreichen wir das erste Gebäude. Aus der mitgegebenen Broschüre lesen wir heraus, dass dieses Foltergefängnis vor dem Terrorregime von Pol Pot als Grundschule genutzt wurde. Das ehemalige Schaukelgestänge wurde schnell zu einem Galgen und Folterinstrument umfunktioniert. Richtig Beklemmung macht sich dann breit, als wir die ersten Räume in Gebäude Nummer 1 besichtigen. Diese Zimmer wurden zum Foltern der Gefangenen genutzt. In den gekachelten Räumen steht nur ein Metallbett mit Fesseln, mehr nicht. Dort wurden die Gefangenen angekettet und dann auf alle erdenklichen Weisen gefügig gemacht. Über jedem der Betten hängt ein Bild, auf dem man in etwas erkennen kann, wie die Befreier die Räume vorgefunden haben. In jedem Bett war ein Gefangener noch bestialisch gefoltert worden und dann liegen gelassen worden. Unvorstellbar, was da vor sich gegangen sein muss.
In den weiteren Räumen sieht man noch verschiedene Arten von Zellen, sowie eine Ausstellung von Fotos aus der Zeit der Roten Khmer.
In Gebäude Nummer 2 sind viele Fotos der Gefangenen zu sehen, die wie im Dritten Reich bei der Einlieferung fotografiert und dokumentiert wurden. Ein Gefangener war als Maler angestellt und musste Pol Pot zeichnen. Jener Maler überlebte als einer von Dreien diese Massaker, denen insgesamt alleine in Tuel Sleng über 15000 Menschen zum Opfer fielen. Im gesamten Land kamen zu dieser Zeit über 2 Millionen Menschen ums Leben, über 10% der Gesamtbevölkerung. Besagter Maler hat nach seiner Befreiung einige Bilder gemalt, die das Leben in der Gefangenschaft und die verschiedenen Folterungen zeigen. Erschreckend, zu was Menschen fähig sind. Auch erfahren wir bei der Führung: Der Stacheldraht vor den Fensteröffnungen und den Balkonen sollte verhindern, dass die Gefangenen sich aus dem Fenster stürzen.
In Gebäude Nummer 3 befinden sich nochmals Räume, in denen Fotos aus der Zeit Pol Pots ausgestellt sind. Im obersten Stockwerk wird zweimal am Tag ein Film gezeigt, der das Leben aus der Sicht eines Kambodschaners zeigt, der während des Regimes gelebt hat. Gleich nebenan ist ein Kiosk in dem man verschiedene DVDs und Bücher über Kambodscha, die Roten Khmer und Pol Pot kaufen kann. Irgendwie ist dieser Verkaufsstand vollkommen fehl am Platz und passt nicht wirklich in diese beklemmende Umgebung.
Auf dem Rückweg zum Hotel kommen wir an einem Supermarkt vorbei und decken uns dort mit Getränken für die nächsten Tage ein. Hier fällt mir zum wiederholten Male das Getränk „Bird´s Nest“ auf und ich kaufe mir eine Dose davon. Es beinhaltet einen Extrakt, der aus Schwalbennestern gewonnen wird, sowie kleine Stücke eines weißen Pilzes. Sehr gewöhnungsbedürftig und auch unglaublich süß. Wird definitiv nicht mein Lieblingsgetränk, aber ich hab schon Schlimmeres getrunken. Am Abend gehen wir gemeinsam Essen und wollen wieder so richtig schlemmen. Aber nachdem wir die Portionen serviert bekommen, sehen wir recht schnell ein, dass in diesem Restaurant das Sattwerden relativ teuer wird. Dafür ist das Essen aber geschmacklich eine wirkliche Offenbarung. „Khmer Amok“, eine kambodschanische Curry Variation, kann man wirklich weiterempfehlen.
Nun herrscht aber schon langsam die Vorfreude auf den wahren Höhepunkt der Reise vor, die Tempel von Angkor Wat. Morgen noch die lange Fahrt über Land und dann steht übermorgen der erste Besuch auf dem Programm.