Folgender Bericht stand heute im Generalanzeiger Bonn:
MNG-Urlauber schwebten in großer Gefahr
Türkische Fluglinie gibt inzwischen technische Probleme auf dem Flug von Antalya nach Köln/Bonn zu - Der älteste Airbus der Gesellschaft ist schon 30 Jahre alt - Und der jüngste Vorfall kein Einzelfall
Von Klaus Elsen
Bonn. Der Horror-Flug, den am vergangenen Samstag vor einer Woche 257 Passagiere an Bord einer Maschine der privaten türkischen Fluggesellschaft MNG Airlines erlebt haben, scheint kein Einzelfall gewesen zu sein: Vor einem Jahr musste eine MNG-Passagiermaschine in Rumänien notlanden. Weihnachten 2004 war ein Flug von Alanya nach Hamburg vorzeitig zu Ende, weil es in der Kabine einen Druckabfall gegeben hatte. Statt in der Hansestadt landete die 22 Jahre alte MD 82 in Istanbul. Zudem schildern MNG-Passagiere im Internet Sicherheitsmängel, Startabbrüche und technische Defekte.
Wie berichtet, hatte sich am 8. Oktober für 257 überwiegend deutsche Urlauber der Heimflug mit einem MNG-Airbus von Alanya nach Köln/Bonn zum Alptraum entwickelt. "Wir haben alle gebetet. Viele hatten schon mit ihrem Leben abgeschlossen", hatte Wolfgang Schmitz-Vianden aus Alfter, der mit Frau und zwei Kindern an Bord war, dem General-Anzeiger berichtet.
Kurz nach dem Start war die Maschine ins Schlingern geraten und machte unkontrollierte Schaukelbewegungen. Möglicherweise durch die dabei ausgelösten heftigen Vibrationen sprang die hintere Kabinentür auf. Nur mit Mühe konnten Crew-Mitglieder die Tür wieder schließen. Das gelang offenbar nicht vollständig, denn Passagiere berichteten, es sei in der Maschine immer kälter geworden. Schließlich landete der Pilot außerplanmäßig in Istanbul. Erst 13 Stunden später konnten die Passagiere mit einer Ersatz-Maschine nach Köln/Bonn fliegen.
Zunächst hatte eine MNG-Sprecherin bestritten, dass es technische Probleme an Bord gegeben habe. Die Notlandung in Istanbul sei geplant gewesen und die Maschine "aus kaufmännischen Gründen" gewechselt worden. Jetzt hat MNG auf Anfrage des General-Anzeigers diese Behauptungen dementiert: Tatsächlich hatte es schwerwiegende technische Probleme gegeben. Laut MNG war der so genannte Yaw Damper ausgefallen.
Diese Trimm- oder Gier-Einrichtung sorgt dafür, dass Flugzeuge ruhig und mit der richtigen Neigung in der Luft liegen. Ohne Gierdämpfung schlingert ein Flugzeug - der so genannte Dutch-Roll-Effekt. Das kann vor allem in großer Höhe - in der sich Verkehrsmaschinen bewegen - bei abnehmendem Luftwiderstand gefährlich werden und im schlimmsten Fall dazu führen, dass der Pilot die Kontrolle über die Maschine verliert.
Offensichtlich haben sich die Passagiere des MNG-Fluges 297 zumindest zeitweise in großer Gefahr befunden. In offiziellen Untersuchungsberichten zu Unglücken im Luftverkehr spielen Probleme mit dem Yaw Damper und dem dann einsetzenden Dutch-Roll-Effekt eine große Rolle.
Auch dem Luftfahrtbundesamt (LBA) in Braunschweig sind die Vorfälle um MNG nicht verborgen geblieben. "Wir nehmen die Berichte in den Medien und die Beschwerden der Fluggäste sehr ernst", sagte Udo Dening vom LBA. Der Vorfall werde untersucht. Dening: "Wir werden jetzt sehr genau prüfen, ob es sich um ein Einzelereignis handelte oder ob bei der Fluggesellschaft systematische Versäumnisse vorliegen."
Das LBA ließ durchblicken, dass MNG künftig mit verstärkten Kontrollen rechnen müsse. Die türkische Fluggesellschaft teilte dem General-Anzeiger mit, dass der havarierte Airbus in Istanbul repariert wurde und wieder startbereit gewesen sei. Allerdings weigerten sich die Passagiere, erneut in diese Maschine zu steigen. Erst nach 13 Stunden war eine Ersatzmaschine beschafft, mit der die 257 Passagiere den Heimflug antreten konnten.
Offenbar kein Einzelfall: Am 26. August vergangenen Jahres endete der MNG-Flug von Antalya nach Wien bereits auf der Startbahn: Trotz vorhergehender Reparaturen brach der Pilot den Start wegen technischer Probleme mitten auf der Rollbahn mit einer Vollbremsung ab.
Die Fluggesellschaft MNG wurde 1996 als reiner Frachtcarrier gegründet. Erst 2001 stieg MNG in das lukrative Chartergeschäft mit Urlaubsflügen von zahlreichen europäischen Ländern in die Türkei ein. Die Flotte der Airline besteht durchweg aus betagten Fliegern: Der älteste MNG-Airbus ist schon 30 Jahre alt, der jüngste wurde 1984 in Dienst gestellt. Teilweise haben die überwiegend geleasten Maschinen bis zu sechs Vorbesitzer. Am Flughafen Köln/Bonn hat es bislang keine Probleme mit MNG gegeben. "Im Passagierflug wird MNG vor allem an Wochenenden von Reiseveranstaltern eingesetzt", sagte Flughafen-Sprecherin Astrid Endriß.
Für das Frachtunternehmen UPS fliegt die Airline regelmäßig die Strecke Köln-Istanbul-Tel Aviv. Luftverkehrs-Experten warnen schon lange vor Risiken im lukrativen Türkei-Tourismus.
So erteilten im Mai gleich mehrere EU-Staaten, darunter die Bundesrepublik, der türkischen Gesellschaft Onur Air wegen erheblicher Sicherheitsmängel vorübergehend Startverbot. Zwischenfälle gab es nicht nur bei MNG, sondern auch bei der türkischen Fly Air: Auf dem Stuttgarter Flughafen kippte jüngst eine Fly-Air-Maschine auf ihr Heck, weil die Ladung im Frachtraum nicht gesichert war.
Wenig später musste ein betagter Fly-Air-Airbus mit Triebwerksproblemen in Budapest notlanden. "Gerade im Türkei-Geschäft gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die unseriös arbeiten", sagte Carsten Burgmann, Touristik-Chef der Lufthansa City Center, unlängst im Fachblatt "fvw".
(18.10.2005)