Wir hatten letzten Sommer auch ein Erlebnis der "besonderen" Art:
Es war auf einem Zeltplatz in Dartmoor, das Wetter war so, wie man es sich für England vorstellt: weniger als 20 °C, windig und regnerisch. Wir waren gerade dabei, unser Zelt aufzubauen, als eine einzelne Rucksacktouristin eintraf und begann, neben uns Quartier zu beziehen. Es dauerte nicht lange, da fragte sie uns, ob wir eine bestimmte Sorte Batterien hätten, damit sie ihr Airbett elektrisch aufblasen könnte. Diese Batterien hatten wir leider nicht, und auch eine Umfrage bei den anderen Campern verlief wohl ergebnislos, denn nach einer Weile kam sie wieder und fragte nach einem Adapter für die Steckdose im Sanitärtrackt. Na ja, hatten wir auch nicht, da wir beim Camping immer ohne Strom auskommen. Als hilfsbereiter Mitmensch hat mein Mann ihr dann die Luftmatratze mit seiner Lungenkraft aufgeblasen. Währenddessen erzählte uns die Dame, dass sie schon ein paar Tage mit Freunden unterwegs sei, diese aber unglücklicherweise irgendwie verloren hätte, und nun allein sei. Im übrigen wäre sie Lehrerin.
Na gut, bis hierhin haben wir ihr noch geglaubt. Es dauerte aber nicht lange, da fragte sie uns, ob wir ihr beim Zeltaufbau behilflich sein könnten. Auch das wäre für uns noch in Ordnung gewesen, denn so manches Zelt geht wahrlich allein schlecht zu errichten. Sie bestätigte uns auch, dass sie wüsste, wie das Zelt aufgebaut werden müsste. Als wir das gute Stück jedoch aus der Hülle nahmen, sahen wir, dass es noch niegelnagelneu war - noch nicht ein einziges Mal aufgebaut. Aber hatte sie nicht gesagt, sie wäre schon ein paar Tage unterwegs? Erste Zweifel an ihrer Geschichte meldeten sich, und als ich einen Blick auf ihre Schuhe warf, erhärteten sich diese Zweifel: Sie trug Pumps mit einer ganz dünnen Plastiksohle, mit denen man vielleicht einen Stadtspaziergang machen konnte, aber nicht mehrere Tage mit Rucksack über Land wandern. Nichtsdestotrotz haben wir ihr das Zelt aufgebaut, was hätten wir auch sonst tun sollen. Allerdings waren wir der Auffassung, damit jetzt wirklich genug für sie getan zu haben, zumal sie uns offenbar Märchen über sich auftischte, um sich unserer Hilfe zu versichern.
Das war der Anlass, warum wir beim Abendessen schon über ihre Unorganisiertheit gelästert und die Kinder bedauert haben, die mit ihr auf Klassenfahrt gehen müssten, wenn das mit der Lehrerin tatsächlich stimmte. Kaum hatte ich den Gedanken ausgesprochen, was sie denn wohl als nächstes benötigen würde, kam sie auch schon an, entschuldigte sich vielmals und fragte, ob wir ihr einen Löffel borgen könnten; sie wolle sich eine Tütensuppe kochen. Ok, einen Löffel konnten wir vorübergehend gerade noch entbehren, aber so langsam fühlten wir uns ausgenutzt. Doch das war noch nicht alles. Als wir zu später Stunde schon im Zelt verschwunden waren, rief sie erneut nach uns und fragte doch allen Ernstes, ob wir ihr einen Schlafsack übrig hätten! Wegen der Absurdität dieser Idee (wer schleppt denn überflüssige Schlafsäcke mit sich rum?) und ihrer Dreistigkeit haben wir sie daraufhin mit einem ziemlich unhöflichen "NO!" abblitzen lassen.
Noch heute gibt uns diese Episode Anlass zur Heiterkeit, aber beim nächsten Mal werden wir uns die Leute, die uns um Hilfe bitten, von Anfang an genauer unter die Lupe nehmen.
Minerva