Nun ist es also vollbracht! Dem Kanzler ist es gelungen, das Vertrauen zu verlieren!
Diese unwürdige Politinszenierung war nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der Politik, vor allem auch seitens der jungen Leute, zu verbessern. Es wäre ehrlicher gewesen, wenn Schröder das Scheitern seiner Politik eingestanden hätte und zurückgetreten wäre. Wenn Politik zu reinem taktischen Kalkül und zu Machtgeschacher degeneriert, dann muß sich niemand der Protagonisten in den etablierten Parteien darüber wundern, daß Wähler nach rechts oder links außen ausweichen.
Hallo Bulgarienfan, Du sprichst gleich zu Beginn Deines Beitrags einen Punkt an, der den größten Denkfehler bei der Realisierung von Hartz IV darstellt. Indem man Arbeitnehmer, die dreißig und mehr Jahre ununterbrochen gearbeitet und eingezahlt haben, mit Berufsanfängern, die kaum einmal einen Schraubenzieher oder ähnliches in der Hand hielten, bei der Behandlung gleich stellte, hat man nicht nur die Arbeitslosen selber, sondern Millionen Arbeitnehmer, die noch in Lohn und Brot sind, verunsichert. Man stelle sich einmal vor: Ein 53jähriger Alleinverdiener, der meinetwegen 30 Jahre gearbeitet hat, sollte genau so nach 12 Monaten AlG I ins Armenhaus AlG II geschickt werden wie ein "Dink" von 20 Jahren. Die Folgen sind bekannt, diese massive Existenzbedrohung, vor allem älterer Arbeitnehmer, lassen die Menschen nicht mit sich machen.
Bei dem zweiten Punkt, den Du ansprichst, gebe ich Dir Recht. Die Unterschiede der sozialen Absicherung zwischen Groß- und Kleinbetrieben stellen tatsächlich ein Zweiklassenrecht dar. Hier muß etwas geändert werden!
Bei der Beurteilung, ob Geld genug für die soziale Absicherung von Arbeitnehmern da ist oder nicht, gehen unsere Meinungen auseinander. Es kann nicht sein, daß der Staat einerseits zig Milliarden Euro Steuergelder unsachgemäß verplempert, dann behauptet, für die soziale Absicherung von Arbeitnehmern sei kein Geld mehr da, und andererseits die Arbeitnehmer die Zeche zahlen läßt. Ich muß in meinem privaten Bereich auch bestimmte Ausgaben umschichten, wenn ich beispielsweise merke, daß mir zu wenig Geld für Lebensmittel bleibt oder ich keinen Urlaub mehr machen kann, weil es vorne und hinten nicht reicht, dann muß ich überlegen, ob es nicht besser wäre, ein kleineres Auto zu fahren oder bei der Kleidung einzusparen. So einfach, wie unser Staat es sich macht, geht es nicht! Wenn er sparen muß, kann das unmöglich einseitig zu Lasten der kleinen Arbeitnehmer geschehen! Man behauptet immer, nach dem Fordern käme das Fördern! Was geschieht? So gut wie Nichts! Am vorigen Sonntag bei Christiansen berichteten Betroffene, wie sie bei der "Agentur für Arbeit" behandelt wurden. Eine einzige Katastrophe! Herr Beck (SPD) und Herr Biedenopf (CDU) bezeichneten die Schilderungen als bedauerliche Einzelfälle und beendeten die Diskussion sofort.
Wie sehr man sich in diesen Hartz IV-Irrsinn verstrickt hat, zeigt ein Interview, das einer der Mitglieder des Hartz IV-Ombudsrates, eben jener Kurt Biedenkopf, vor ein paar Tagen dem Kölner Stadt-Anzeiger gab. Er bezeichnete es als positiven Aspekt, daß Hartz IV "eine veränderte Einstellung der Bevölkerung" bewirkt habe, immerhin könne man "den Arbeitslosen nicht mehr vorwerfen, nicht genug Eigeninitiative zu entfalten, wenn die Bevölkerung als Ganzes eine Gegenleistung nicht anfordert. Der Bewußtseinswechsel ist wichtige Voraussetzung für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen."
Hier wird die Illusion vermittelt, daß es genug Arbeitsplätze gebe und daß für jeden ein Arbeitsplatz da sei, wenn er sich nur bemühe.
Auf die Frage: "Warum ist trotz dieser veränderten Einstellung die Vermittlung nach wie vor so erfolglos?" antwortete Biedenkopf: "Weil wir den Arbeitsmarkt für einfache Tätigkeiten weitgehend beseitigt haben durch hohe Löhne und hohe Lohnnebenkosten. Diesen Arbeitsmarkt müssen wir wieder aufbauen."
Herr Biedenkopf ist offenbar der irrigen Meinung, daß die Arbeitslosen sich ausschließlich aus Minderqualifizierten rekrutiert, von dem riesigen Heer arbeitsloser Akademiker hat er offenbar noch nichts gehört, ebenso nicht von den vielen hochqualifizierten älteren Arbeitnehmern, die auf dem Arbeitsmarkt chancenlos sind.
Seis drum! Wie er diesen Arbeitsmarkt wieder aufbauen will, sagt Biedenkopf nicht, es ist aber ganz klar, daß er die Anpassung der hiesigen Löhne an das osteuropäische oder ostasiatische Niveau meint.
Wenn ein Mann wie Biedenkopf eine derartige Realitätsferne offenbart, dann gibt das sehr zu denken. Immerhin haben Leute wie Biedenkopf unsere Bundesregierung meinungsbildend beeinflußt.
Manfred, Du hast geäußert, daß Du Angst vor der Zukunft hast, weil Du fürchtest, daß Links- bzw. Rechtsradikale das Ruder übernehmen. Ich sage Dir, auch ich habe Angst vor der Zukunft, aber zunächst mal nicht vor Rechts oder Links, sondern vor den Vorläufern, nämlich bestimmten revolutionären Tendenzen, denn für mich steht fest, daß man seitens der Menschen eine Anpassung des
Lebenstandards an Dritte-Welt-Länder nicht ohne Gegenwehr hinnehmen wird.
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende!
GRuß salvamor