Der “Rote Blitz”
Alle (zumindest die Deutschen) wissen dass der Zug nach Soller der “Rote Blitz” genannt wird …… aber niemand – auch nicht die jetzigen Besitzer dieses Zuges - wissen wo dieser Ausdruck herkommt (*). Komischerweise wird er nur auf deutsch benutzt, in keiner anderen Sprache bedeutet der “Rote Blitz” etwas, geschweigedenn bringt man ihn mit dem Zug nach Soller in Verbindung (manchmal nennt man den Zug auch “Orange Express” ).
Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Soller zu einer wirtschaftlich bedeutenden Stadt, reich an Zitrusfrüchten, Mandeln, Oliven und Stoffprodukten. Soller war vom Rest der Insel von den fast unüberwindbaren Bergen der “Sierra de Alfabia”/Tramuntanagebirge, getrennt. Der Weg in die Hauptstadt – hier waren die Abnehmer der Produkte beziehungsweise der Hafen – war ein enger Bergpfad über den man mit von Pferden oder Maulesel gezogenen Karren die Produkte nach Palma bringen musste. Dieser Weg war nicht nur schwierig sondern auch gefährlich. Und nicht nur weil man den Wetterbedingungen ausgesetzt war (im Winter war dieser Weg oft verschneit), sondern auch den Wegelagerern und Banditen. Oft kam die Fracht gar nicht in Palma an.
So setzten sich die Unternehmer Sollers zusammen um zu beraten wie man diese Probleme lösen könne. Man sprach von einem Zug über Deia nach Palma, aber diese Idee wurde aus Kostengründen schnell verworfen. Etwa 10 Jahre später setzte man sich wieder zusammen, und diesmal sprach man über eine direkte Strecke Soller – Palma mit Tunneln durch die Berge. Dieses ehrgeizige Projekt wurde den Bügern Sollers vorgestellt, man gründete eine Stiftung und verkaufte Aktien a 500.-. Pesetas/Aktie. FERROCARRIL DE SOLLER (so der offizielle Name) wurde von fast 800 Gesellschaftern gegründet.
Der Bau der Linie begann in 1907 gleichzeitig von beiden Seiten der Berge aus. Der Bau dauerte nur 4 Jahre und in 1911 fuhr die Dampflok “María Luisa” zum ersten Mal durch den Tunnel. Am 16. April 1912 eröffnete man den Linendienst für den öffentlichen Verkehr. Am 4. Oktober 1913 eröffnete man die ‘Verlängerung’ der Strecke zwischen Soller und dem Hafen von Sóller mittels einer Strassenbahn, hauptsächlich - aber nicht nur – für den Personenverkehr. Im Gegensatz zum Zug wurde die Strassenbahn mit Strom angetrieben, der von einem eigenen 65 KW starken Generator der Firma SIEMENS-SCHUCKERT erzeugt wurde. Im Jahr 1929 wurde dann auch die Zugtrecke elektrifiziert, ebenfalls von SIEMENS-SCHUCKERT.
Die Zugstrecke ist insgesamt 27,3 Km lang, die Strassenbahnstrecke zusätzliche 4,9 Km. Der Zug fährt durch 13 Tunnel die zwischen 33 und 2.876 M lang sind und bewältigt einen Höhenunterschied von 199 M auf nur 7 Km Strecke. Der Zug hat eine Spurbreite von einem englischen Yard (914 MM).
Mit dem Ausbau der Strasse über den “Coll de Soller”(Sollerpass) Mitte letzten Jahrhunderts und dem relativ neuen Strassentunnel (1997) verlor der Zug von Soller nach und nach seinen ursprünglichen Sinn und wurde immer mehr zur touristischen Attraktion. Die Einführung der sogenannten “Inselrundfahrt” – Kombination Bus, Zug, Strassenbahn und Schiff nach LaCalibra (der heute noch meistgebuchte Ausflug der – “falsche Bescheidenheitbeiseite” – im Jahr 1972 von mir ‘erfunden’ wurde) bedeutete die Krönung der touristischen Nutzung des “Roten Blitz”.
Das Management konnte sich den modernen Zeiten nicht anpassen. Das Geschäft wurde quasi wie eine Behörde geführt. Im Jahr 2002 stand der Zug nach Soller kurz vor dem finanziellen ‘Aus’. Neue Ideen und ‘frische Luft’ waren notwendig. Alle Gesellschafter wollten verkaufen (die in 1911 für100 Jahre erteilte Konzession zum betreiben des Linienverkehrs lief in 2011 aus), keiner wollte ihnen abkaufen. Die Landesregierung der Balearen wollte den Zug auch nicht übernehmen. Aber es gab 2 Unternehmer aus Soller für die das ‘Aus’ des “Roten Blitz” auch das ‘Aus’ ihrer Firmen bedeutete: die Eigner der “Blauen Schiffe” (BARCOS AZULES, die den Verkehr Puerto Soller – la Calobra bedienen) und den Eigner so gut wie aller Restaurants in La Calobra (zusätzlich zum grössten Restaurant in Puerto Soller das sich im Gebäude der Endstation der Strassenbahn befindet). Ohne Zug keine “Inselrundfahrt”, ohne “Inselrundfahrt” keine Geschäft für die Schiffe bzw. die Restaurants in La Calobra. Schnell kam man zum Schluss dass man sich in den “Roten Blitz” einkaufen musste um selbst zu überleben …. und man übernahm - quasi gezwungenermassen - kurzfristig die Kontrollmehrheit der Zugaktien.
Mit einer neuen, aggressiven Geschäftspolitik und aufeinanderfolgenden Preiserhöhungen wurde der “Rote Blitz” nicht nur finanziell gerettet, sondern die neuen Gesellschafter und Geschäftsführer konnten im Jahr 2005 mit der Balearenregierung eine Verlängerung der Betriebskonzession für zusätzliche 50 Jahre aushandeln (nunmehr bis 2055), allerdings mit strengen Auflagen: es müssen – über einige Jahre - runde 14 Millionen Euros in die Erneuerung der Gleise, der Elektrifizierung der Strecke und in zusätzliche Instandhaltungsmassnahmen investiert werden. Obwohl die Zugmaschinen und die Wagons noch die gleichen von vor über 100 Jahren sind erfüllen sie die aktuellen Sicherheitsbestimmungen- und Auflagen für den öffentlichen Personenverkehr (automatische Bremssyteme, GPS, Sicherheitsüberwachung, elektronische Kontrollzentrale, etc, etc.). Die gesamte Technik und Instandhaltung des rollenden Materials muss in der firmeneigenen Werkstatt in Soller ‘in Handarbeit' durchgeführt werden.
Der “Rote Blitz” befördert jährlich über 900.000 Gäste, die Strassenbahn gut über 1 Million. Die Firmengruppe hat ein eigenes Reisebüro gegründet und bietet inzwischen 2 verschieden Versionen der “Inselrundfahrt” im Direktverkauf übers Internet an (siehe VALL SOLLER SERVICES). Der “Rote Blitz” hat sich zur Touristenattraktion Nr 1 der Insel gemausert.
(*) Vor ein paar Jahren habe ich versucht den Ursprung des Ausdrucks "Roter Blitz" (für den Zug von Soller) ausfindig zu machen. Das einzige was ich fand war folgender Text in einem Buch (über den Friedhof von Soller der sich etwas überhalb des Bahnhofs befindet): "Das Zwitschern der Vögel umgibt den Ort. Unter den Füßen knirscht der Kies. Fernab hört man das Pfeifen vom "Roten Blitz". Es ist ein Ort, der Würde ausstrahlt und im wahrsten Sinne des Wortes erhaben ist".