Hier die Antworten, allerdings bezogen auf den A320:
Zunächst die Eingangsfrage – Schwimmwesten / Notwasserung:
Die Schwimmwesten müssen lt. Gesetz vorgeführt werden, wenn der Start oder die Landung über Wasser führt, oder der Flug an irgendeinem Punkt mehr als 90 km von der Küste entfernt ist.
Die Chancen zu überleben sind situationsabhängig. Es gibt hier keine allgemein gültigen Erkenntnisse, aber meines Wissens hat es bei jeder Notwasserung immer Überlebende gegeben.
Triebwerkausfall:
Bei Triebwerkausfällen im Reiseflug muss es schon einen sehr triftigen Grund geben, um es wieder zu starten. Schließlich hat es einen Grund gegeben, warum es ausgegangen ist, der nicht immer unbedingt ersichtlich ist. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Neustart den Schaden noch zu verschlimmern, ist groß, während die Wahrscheinlichkeit, dass der Neustart erfolgreich ist, eher gering ist. Schließlich gehen Triebwerke heutzutage eigentlich nur noch bei sehr großen Schäden aus.
Insofern ist es eigentlich gelebte Praxis, sich auf sein Simulatortraining zu verlassen, und den Flieger mit einem Triebwerk so schnell wie möglich zu landen. Ausgenommen sind offensichtliche Ursachen, wie z.B. Treibstoffmissmanagement.
Triebwerkbrand:
Wenn ein Triebwerk im Reiseflug brennen würde, kann man zwei Feuerlöschflaschen auf den Brandherd abschießen, gleichzeitig wird der Treibstofffluss abgestellt, wodurch dem Feuer die Nahrung entzogen wird. Insofern ist es wahrscheinlich, dass der Brand ausgehen wird, wobei das Triebwerk danach nicht mehr gestartet werden kann.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Triebwerkbrand oder Triebwerkausfall kommt, ist bei etablierten Fluggesellschaften äußerst gering.
Kann man starten und landen ohne Klappen:
START:
Der A320 hat drei erlaubte Positionen für die Klappen beim Start, nämlich Klappen 1 bis 3. Diese drei Klappen sind vom Flugzeughersteller erprobt und zugelassen worden. Das bedeutet, wir dürfen keine anderen verwenden (nämlich Klappen full oder gar nicht ausgefahren).
Ob der Flieger trotzdem starten würde – mit ziemlicher Sicherheit JA, aber es DARF NICHT ohne Klappen gestartet werden. Dies ist eine hersteller- und typenbezogene Vorschrift (!) und es gibt auch keine Performancedaten für andere Klappenstellungen – d.h. in dem Moment, wo wir es doch machen würden, würden wir zu Testpiloten.
Bei unserer Airline ist vorgegebener Standard, mit Klappenstellung 1 zu starten. Es gibt andere Airlines, die als Standard mit Klappenstellung 2 starten sollen und nur in Ausnahmefällen davon abweichen.
Je kürzer die Bahn, desto höher ist die Klappenstellung, mit der man startet. Z.B. berechnet der Computer in Bremen (sehr kurze Startbahn !) eine Klappenstellung 2 als die optimale Klappenstellung, da man so früher abhebt.
Je weiter die Klappen gesetzt sind, desto schlechter ist der erreichte Steigwinkel !
Das bedeutet, mit Klappen 1 habe ich einen besseren Steigwinkel, als mit Klappen 2. Das bedeutet, wenn sich z.B. hinter einer Startbahn ein Berg befindet, hebe ich mit Klappen 2 zwar früher von der Startbahn ab, aber ob ich den Berg überfliegen kann, steht auf einem anderen Blatt.
Ob ein A300 ohne Klappen starten darf, ist nicht bekannt.
LANDUNG:
Erlaubt beim A320 sind Klappenstellung 3 und full. Alle anderen Klappenstellungen dürfen im normalen Betrieb nicht genutzt werden.
Im Simulator wird simuliert, dass die Klappen nicht ausfahren. Es wird immer wieder geübt, sowohl mit geringeren Klappenstellungen (1 oder 2) als auch ganz ohne Klappen zu landen.
Je geringer die Klappenstellung, umso höher ist die Landegeschwindigkeit. Das setzt eine lange Landebahn voraus.
Außerdem wird die Nase des Flugzeugs bei diesem Anflug so hoch sein, dass man zum Landen den Winkel kaum noch erhöhen kann, ohne Gefahr zu laufen, dass hinten das Heck aufsetzt - darf also in der Praxis nicht gemacht werden und wird auch nicht gemacht.
Die normale Landegeschwindigkeit beträgt ca. 200 km/h, bei einer simulierten Landung ohne Klappen beträgt die Landegeschwindigkeit ca. 300 km/h (alles Daumenwerte).
Kurven fliegen mit Klappen:
Im Prinzip ändert sich nichts gegenüber dem Fliegen ohne Klappen. Es gibt eine Manövriergeschwindigkeit für Fliegen ohne Klappen genauso wie für Fliegen mit den verschiedenen Klappenstellungen. Wird man langsamer als diese Geschwindigkeit, grenzt das in der Tat den Schräglagewinkel (Kurvenwinkel), weil man sonst Gefahr läuft, nicht mehr genug Auftrieb zu haben. Das ist aber eigentlich nicht relevant, da man gewöhnlich über den Manövriergeschwindigkeiten fliegt.
Startprozedur:
Beim Start wird naturgemäß am meisten Gas gegeben, aber hier muss auch nicht immer Vollgas gegeben werden. Wenn die Bahn lang genug ist und keine Hindernisse im Flugweg liegen, wäre das nur Treibstoffverschwendung und setzt das Triebwerk unnötigem Stress aus. Darum reduziert man wenn immer möglich den Startschub. Wie weit er reduziert wird, wird für jeden Start entsprechend der Umweltbedingungen und dem Startgewicht neu berechnet.
Der Schub, mit dem man letztendlich gestartet ist, ist immer sehr hoch und ist für den Steigflug und den Reiseflug größer als nötig. Daher reduziert man, wenn man einmal weit genug vom Boden weg ist (zwischen 500 und 1.000 Meter Höhe) den Schub auf einen vorher festgelegten Wert, der einen guten Kompromiss darstellt zwischen Treibstoffaufwand und Steigleistung.
Alle diese Themen sind sehr komplex und können eigentlich nicht mit wenigen Sätzen abschließend behandelt werden. Um jedes einzelne Thema richtig und tiefgehend zu erläutern, würde jedes Thema für sich alleine sehr aufwändig behandelt werden müssen – dafür ist hier die Plattform nicht gegeben, es würde jeden Rahmen sprengen.
Mein Sohn hofft trotzdem, mit diesen wenigen Sätzen etwas zur den verschiedenen Thema beigetragen zu haben.
Gruß, Hardy