Die dominikanische Republik im Licht und Schatten
Mit der Karibik verbindet der europäische Tourist die dominikanische Republik wie kaum ein anderes Land: Weiße Strände, Palmenhaine, türkisblaues Meer und paradiesische Harmonie.
Dieses Bild versuchen die Hotels und Behörden auch aufrecht zu erhalten.
Leider oft auf Kosten der Einheimischen.
Anfang Mai 2014 war ich selbst in Punta Cana.
Ich buchte ein Mittelklassehotel „All Inclusive“ mit unmittelbarer Strandlage circa zwei Kilometer nördlich von der Kleinstadt Bavaro.
Doch anders als der größte Teil der Hotelgäste, wollte ich nicht nur die paradiesische Scheinwelt genießen, sondern auch wissen, wie es den Leuten im Land selbst geht, was sie bewegt, was sie am Leben hält und wie sie zum wachsenden Massentourismus stehen.
Bevor die Erkundungstouren begannen, legte mir meine Reiseleitung nahe, nicht mit dem Rucksack im Landesinneren zu trampen und mich unter die Dominikaner zu mischen.
Davon nicht beeindruckt, begann ich meinen ersten Trip zu Fuß vom Hotel in Richtung Bavaro.
Nicht einmal 100 Meter von der Hoteleinfahrt türmen sich Plastikmüllberge hinter Hecken und Sträuchern, die den vorbeifahrenden Touristen täuschen sollen.
Auf dem Weg nach Bavaro finden sich verlassene Appartements und Müllberge, mal kleiner, mal größer. In Bavaro selbst wird man alle fünf Meter von Prostituierten, Taxifahrern und Händlern aufgehalten und bequatscht.
Viele versuchen sich mit solchen Jobs über Wasser zu halten, und leben am Rande des Existenzminimums.
So mancher westlicher Tourist nimmt es dankend an.
Als ich am anderen Ende von Bavaro über eine verlassene Hotelanlage zurück zum Strand gelangte, fiel mir ein kleiner Tisch mit selbstgeflochtenen Körben auf.
Auf den ersten Blick war weit und breit kein Mensch zu sehen.
Dann bemerkte ich einen älteren Mann unter einer Palme an der ehemaligen Hotelmauer sitzen.
Neben ihm lagen ein altes kaputtes Kajak und ein paar Dosen Cola.
Ich ging auf Ihn zu und fragte Ihn, was er hier tue.
Überraschenderweise erklärte er mir in gutem Deutsch, dass er hier Körbe für Touristen anfertigt und einen kleinen Obstgarten bewirtschaftet.
Im Laufe des Gesprächs erfuhr ich, dass „Fausto“ einst in dem verlassenen Hotel gearbeitet hatte, bis es pleite ging. Er fand keinen Job mehr, und musste seine Wohnung aufgeben.
Nun lebt er unter der Palme, das Kajak als Dach bei Regen, und der mickrige Obstgarten als Nahrungsquelle und 10USD pro Woche für etwas „Luxus“.
Seine Klamotten waren verschlissen und mit Löchern übersäht, er sah müde aus.
In der darauffolgenden Woche traf ich mich mit einer Dominikanerin, die 14 Jahre in Deutschland gelebt hatte, und die Kontraste kannte, wie kaum eine andere.
Sie war für diesen ereignisreichen Tag meine Führerin.
Wir fuhren nach Higüey, einer Großstadt mit 150.000 Einwohnern, um dort die positiven und negativen Seiten zu durchleuchten.
Zu Beginn der Tour besuchten wir den hiesigen Marktplatz.
Die Formulierung „sich selbst ordnendes Chaos“ traf dort voll und ganz zu.
Bananen auf dem Boden, Motorräder fuhren zwischen den Verkaufsständen auf und ab, Fleisch und Fisch lag bei tropischen Temperaturen in der prallen Sonne, laute Musik dröhnte aus allen Ecken, und eine nicht zu beschreibende Masse Menschen schlängelte sich durch die Marktgänge.
Jeder Lebensmittelkontrolleur, der EU-Maßstäbe gewohnt ist, wäre hier wohl dem Herzinfarkt nahe.
Dieser Markt ist nicht nur ein Verkaufspunkt, sondern auch ein Treffpunkt.
Man tauscht sich aus, man verabredet sich, man spielt mitten auf der Straße Brettspiele.
Dieses Treiben ist significant für das Leben in einer lateinamerikanischen Innenstadt.
Anschließend fuhren wir zur Basilika, dem Wahrzeichen von Higüey.
Eine gewaltige Kathedrale erstreckte sich mir ihrer Spitze in den karibischen Himmel.
Schnell wurde uns bewusst, was die Leute hier zusammenhält: Ihr Glaube.
Meine Führerin erklärte mir, dass der Glaube in der dominikanischen Republik eine entscheidende Rolle spielt und viele Menschen daraus ihre Hoffung schöpfen, dass alles besser wird.
Wir fuhren raus aus der Stadt, in die angrenzenden Zuckerrohrfelder, wo die sogenannten „Haitianerviertel“ aufgebaut waren.
Mitten im nirgendwo sahen wir ein paar notdürftig zusammengemauerte Häuser, nicht größer als eine Gartenlaube.
In solchen Häusern leben zehnkköpfige Familien unter schlimmsten Bedingungen.
Überall lag Dreck und Müll.
Die Erwachsenen saßen fast lethargisch auf dem Boden und starrten uns an.
Kinder, mit nichts als ein paar Fetzen bekleidet, spielten „Schiffchen“ mit Plastikdeckeln von Flaschen in einem Graben, wo sich Urin mit Regenwasser ansammelte.
Sanitäranlagen gibt es nicht, so können Keime und Dreck nicht abgewaschen werden und Krankheiten breiten sich aus.
Der negative Höhepunkt war eine Familie, die Fisch auf einem Aluminiumgefäß grillte.
Als kulinarisches Schmankerl lag eine Plastikfolie auf dem Fisch.
Wir erfuhren, dass aufgrund mangelnder Bildung derartiges der Normalfall ist.
Man benutzt das Plastik um das Essen knuspriger zu machen.
In der Stadt zurück, fuhren wir in ein Villenviertel, ein krasser Kontrast.
Aus Angst vor Diebstählen und Randalen bauten die Reichen um ihr Haus Gitter auf.
Es wirkte fast wie ein goldener Käfig.
Uns wurde jetzt erst deutlich wie extrem die Schere Arm und Reich hier trennt.
Als nächstes stand eine Besichtigung des Ökosystems der Stadt an.
Wir sahen einen vermüllten Fluss, den Rio Yuma.
An sämtlichen Uferstellen lagen Berge von Plastikmüll.
Tierisches Leben hat hier keine Chance.
Das Ökosystem steht kurz vor dem Kollaps.
Unsere Führerin erklärte uns, dass es im Landesinneren eine Giftmülldeponie gab.
Nachdem flussabwärts die Wasserwerte immer schlechter wurden, und Leute erkrankten, gingen amerikanische Wissenschaftler dem Mysterium nach.
Man hatte den Müll unmittelbar in Nähe einer Quelle platziert.
Gifte gelangten so problemlos in den Fluss und so auch ins Meer.
Anschließend fuhren wir in eine Schule.
Ich wollte unbedingt erfahren, wie die Kinder hier unterrichtet werden.
Die Kinder lächelten und freuten sich, westlichen Besuch zu bekommen.
In einer Klasse saßen 30-50 Kinder pro Lehrer.
Alle Kinder trugen eine Schuluniform.
Die momentane Regierung besteht darauf, dass jedes Kind lesen, schreiben und rechnen lernt.
Allerdings fehlt das Geld an allen Ecken und Enden, vom Lehrermangel ganz zu schweigen.
Die meisten Kinder landen nach der Schule wieder auf der Straße und werden zu Hungerlöhnern oder Prostituierten.
Die Klassenzimmer selbst erinnerten an eine Scheune.
Ziemlich eng war es dort, und Ordnung war aufgrund des Platzmangels kaum möglich.
Als wir den Pausenhof sahen, waren wir alle schockiert.
Müllberge türmten sich darauf und Scherben lagen überall verteilt.
Die Kinder spielten davon unbeindruckt barfuß Baseball auf dem Areal.
Zum Abschluss des Tages besuchten wir eine kleine Kakaoplantage.
Ein älteres Ehepaar und Ihr Sohn bewirtschafteten die gesamte Fläche alleine.
Neben dem Tourismus ist die Agrarwirtschaft eine entscheidende Einnahmequelle der Dominikaner.
Auf dem Heimweg erfuhren wir Schreckliches über den Bau der Hotelanlagen.
Bevor der Tourismus um Punta Cana florierte, lebten überwiegend Bauern mit Ihren Kokosplantagen am Strand.
Sie wurden aufgefordert ihr Land zu verkaufen.
Ein guter Freund der Mutter unserer Führerin wollte dies nicht.
Einige Wochen nach der Aufforderung wurde er zerstückelt in einem Sack vor dem Haus der Familie vorgefunden.
Aus Angst verkaufte die Familie Ihr Hab und Gut.
Solche Ereignisse sind hundertfach vorgefallen.
Zuletzt interessierte mich, was die Hotels mit all dem Essen anstellen, die bei der Versorgungsart „all inclusive“ übrig bleiben.
Uns wurde erklärt, dass das Essen an Bauern nochmals als Tierfutter verkauft wird.
Das heißt, dass das Essen, das ich als Tourist bereits bezahlt habe, nochmals an Tiere verkauft wird, während Menschen z.B. in den Haitianervierteln verhungern.
Man trifft also in der Karibik nicht nur auf die heile Welt, sondern auch auf große Armut, ökologisches Desaster, Arbeitslosigkeit, Hunger und Korruption.
Wieso sollte man da noch hin ?
Ganz einfach: Solche Ungerechtigkeiten und Zustände gibt es fast in sämtlichen Ländern
der Dritten Welt, mit dem Unterschied, dass der westliche Tourist dieses Land besonders häufig aufsucht.
Neben diesen negativen Aufzählungen gibt es viel Schönes, wie zum Beispiel die Lebensfreude der Dominikaner oder die wunderschöne Natur im Norden des Landes und an den Küsten.
Die Leute freuen sich trotz widriger Umstände auf jeden Tag und beziehen ihre Kraft aus dem Christentum.
Obwohl die Zustände erschreckend sind, wird mittlerweile nachgedacht und gehandelt.
Zum Beispiel hat Donald Trump mit einigen anderen Investoren einen Teil der Küste gekauft und dort einen Nationalpark ins Leben gerufen.
Süßwasserlagunen, Dschungel und Strände werden hier gepflegt.
Korallen werden im Meer nachgezüchtet, wie sonst nirgends auf der Welt.
Kleine Gruppen können dies besichtigen.
Mit den Eintrittsgeldern wird das Projekt unterstützt.
Jeder einzelne Tourist kann etwas für die Umwelt und die Menschen dort tun.
Nicht durch Spenden oder materielle Beiträge, sondern einfach durch eine Reise in das Land.
Viele Leute dort leben von Uns, den Touristen, aber bisher eben nur an der Küste.
Wird nämlich der Regierung der Dominikanischen Republik, sowie den Reiseagenturen bewusst, dass nicht nur zwei Wochen reiner Strandurlaub gefragt sind, sondern auch Ausflüge ins Landesinnere zu Flüssen, Wasserfällen, Städten, Plantagen und Dörfern, wird das Geld vielleicht nicht nur in Hotelburgen und Luxusressorts gesteckt.
Ich finde es wichtig, als Tourist etwas vom Land, das man bereist, mitzunehmen.
Denn wird man gefragt, wie man sich die Dominikanische Republik vorstellen kann, wäre die Antwort „Strand und Palmen, schönes Meer“ nur die halbe Wahrheit.
So entstehen auch diese ganzen Klischees.
Die Dominikanische Republik ist ein vielseitiges Land, mit interessanten Menschen und wunderschönen Orten.
Ich werde auf jeden Fall wieder hingehen.