Ich möchte die Anregung von Hardy1 aufgreifen, daß einmal jemand, der etwas von der Materie versteht, einen gesamten Flugablauf vom Briefing bis zum Andocken an den Finger des Zielflughafens aus der Sicht eines Flugkapitäns schildern möge.
Schilderung eines kompletten Flugablaufs
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geschrieben 1244234119000Suaviter in modo, fortiter in re.
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geschrieben 1244236290000
Ich kann dir meine anbieten:
Flugberichte aus dem Cockpit
Ich hätte ja noch viele Flüge, allein mir fehlt etwas die Zeit, weil ich unter anderem zwischendurch immer wieder auf Reisen bin und zu arbeiten gibt es auch viel...
Vor allem in letzter Zeit, da wir wieder öfter eine B738 ausborgen ist es stressig
Als nächstes werde ich jedenfalls meinen AusFLUG nach Cairo aufarbeiten von neulich...
Siegfried, "Wenn die Klügeren immer nachgeben, siegt die Dummheit" -
geschrieben 1244253831000
Zunächst mal, was so vor dem Flug passiert und der der Passagier nicht mitbekommt.
Je nach Regeln der Fluglinie können natürlich die Zeiten etwas abweichen:
Ca: 60-90 Minuten vor Abflug - Capitän trifft sich mit Ersten Offizier (CoPilot)
im Dispatch.
Der Dispatcher hat schon vorbereitet die Flugrouten (incl.eventuelle Alternativen)
Das Wetter/Winde entlang der Strecke, eventuelle spezielle Dinge entlang der Strecke wie Sperrzonen etc.
Der CoPilot hat sich dann meist auch schon das Technische Logbuch des Flugzeuges angesehen, ob irgend etwas auffällig geworden ist, etwas zur Reparatur ansteht etc.
Dazu muss man wissen, dass es da im Zweifelsfall die MEL (Minimum Equipment List) gibt. Bei der B737 ist diese in etwa 800-900 Seiten lang.... Da steht verzeichnet, bei welchen Fehlfunktionen man unter welche Bedingungen fliegen darf - oder eben nicht mehr. z.b. Wenn die Kaffeemaschinen nicht gehen, wird man kaum fliegen - wenn die APU keine Bleedair (Pressluft - für Klimaanlage und Triebwerksstart) liefert normalerweise schon. Klingt für den Unbedarften alles ein bisserl paradox
Inzwischen gibt es bei den Flugbegleitern mit der "Senior" ebenfalls ein Briefing - zu dem nachher der Cpt kurz dazukommt.
Man weis dann auch schon ziemlich genau wie viele Paxe (Passagiere) kommen, wie viele Kinder, 1stClass etc. Durch Schätzwerte weis man so ziemlich genau, wie viel Gewicht das Flugzeug haben wird (ZFW -zero fuel wight)
Aufgrund der Flugdauer weiß man dann wie viel Treibstoff man braucht.
Aufgrund des Wetters des Zielflughafens und Ausweichflughäfen wird dann noch die Treibstoffreserve die der Kapitän mitnehmen will festgelegt.
Minimum sind da ca. 45 Min Flugzeit mehr. Bei der B737 sind das so zwischen 2-3,8t extra, Bei B777 um die 10t herum.
Zu viel kann man sich auch nicht erlauben, denn mit einer voll besetzten Flugzeug liegt man dann meist schon an der maximal zulässigem Landemasse.
Also weiß ca 45min vor Abflug der Tankwagenfahrer, wie viel Treibstoff getankt werden muss.
Ca 30 Min vor Abflug: Crew trifft am Flugzeug ein. Der Kapitän trifft auf den Techniker, der meist schon (am Heimatflughafen) den letzten Check an der Maschine gemacht hat und bespricht noch eventuelle Vorkommnisse. Trotzdem wird der Kapitän immer vor _jedem_ Flug einen "outsidecheck" machen: Er geht ums Flugzeug und kontrolliert nochmals die wichtigsten Dinge.
Der Vermittler zwischen Abfertiger/Flughafen und Crew ist der Rampagent: Er sorgt für die richtige Beladung. Ein sehr wichtiger Teil !
Aufgrund der Verteilung der Ladung ergibt sich ein CG "center of Gravity / Schwerpunktlage der Ladung" wert. der dann für die Trimmung des Flugzeuges bei Tackeoff eingestellt wird.
Ist die Cabine fertig zum boarden und man weis, wann es in etwas los geht, beginnt das boarden.
Zwischenzeitlich wurde der Flieger hochgefahren, der CoPilot macht nochmals Systemchecks und gibt den Flugplan und die bisher bekannten Daten in den FMC ein (Flugmanagement Computer).
Spricht mit dem Lotsen (da gibt es je nach Größe entsprechende Zuständigkeiten) und holt nochmals die Flugplangenehmigung (meist durch die Firma bereist eingereicht) ein. Anhand der aktuellen Wetterwerte vor Ort (ATIS)
gibt es auch die Information, welche Piste zum starten verwendet wird.
Man erfährt auch, ob und wann man einen Slot hat zum Abfliegen.
So ergibt sich der Terminplan, wann man dann (nachdem "Boarding complet" ist)
die Triebwerke starten darf.
Dann erfolgt das, was jeder mitbekommt: eventuelle mit einem Traktor das Flugzeug zurückstoßen, Triebwerke anlassen, hinausrollen über den vorgegebenen Taxiway.
Starten darf man erst, wenn man im Cockpit von der Passagierkabine ein
"Cabin ready" bekommen hat.
Als Passgir bekommt man vielleicht immer wieder standardisierte Durchsagen für die Crew mit.
Es ist alles ein ausgeklügeltes System, dass sicherstellt, dass Flüchtigkeitsfehler vermieden werden und ein standardisiertes Zusammenarbeit der Crew ermöglicht.
Man muss sich darauf verlassen können, dass jeder seinen Teil macht - so wie vorgegeben und nicht irgend wie und irgend wann, damit in zeitkritischen Situationen alles so erfolgt wie es notwendig ist.
Wenn solche Vorgangsweisen in der Medizin auch eingeführt werden würden, gäbe es weniger Fehler. Leider halten sich viele "Götter in weis" für Unfehlbar und auch in Stresssituationen.......
Das ganze ist ein sehr wichtiger Part beim Fliegen und wird unter dem Begriff "CRM" (Crew resource management) zusammengefasst.
Im Cockpit ermöglicht es z.B. auch, dass der CoPilot den Kapitän, wenn er einen Fehler macht korrigieren kann. Es ist Teamwork !
Und solange das funktioniert gepaart mit dem hohen Trainingsstand muß schon sehr viel schiefgehen, dass etwas schlimmes passiert.
Siegfried, "Wenn die Klügeren immer nachgeben, siegt die Dummheit" -
geschrieben 1244281340000
Auf einem kurzen Videobeitrag das ein Fernsehteam vorigen Monat gemacht hat,
sieht man auch ein wenig aus dem Cockpit inklusive Landung
Unter Austria9 Filmbeträge: Teil 1
Siegfried, "Wenn die Klügeren immer nachgeben, siegt die Dummheit" -
geschrieben 1244296856000
Das hört sich alles sehr zeitaufwändig an.... wird das bei ALLEN Flügen so gemacht oder nur bei Mittel- und Langstrecke?
Wenn ich da z.B. an die Flüge von Bangkok Airlines zwischen Koh Samui und Bangkok, Flugdauer nichtmal eine Stunde denke, die heben ja fast im Viertelstundentakt ab.
Bei Kurzstrecken muss man ja denke ich auch nicht irgendwelche Großwetterlagen beachten.
Und im TV sieht man ja hin und wieder auch solche Reportagen wie es z.B. Billigflieger schaffen ihre Preise zu halten, z.B. durch sehr kurze Standzeiten von vielleicht 25 Minuten (statt sonst z.B. 45). Ist das alles in so kurzer Zeit zu schaffen?
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geschrieben 1244301604000
iamsiggi,
tolle Infos und genau so tolles Filmmaterial, das Du uns zur Verfügung stellst.
Ganz herzlichen Dank dafür!
Suaviter in modo, fortiter in re. -
geschrieben 1244304460000
Egypt,
selbst wenn es so wäre. Hast Du irgendwelche Ungereimtheiten entdeckt?
Oder warum wertest Du so?
Suaviter in modo, fortiter in re. -
geschrieben 1244316718000
Hallo Siegfried
wir sind Laien und was Du bis jetzt geschrieben hast,
war für uns NEU und sehr interessant.
Bitte fahre weiter mit Deinem Bericht.
Gruss von ALICE
Allure of the seas -
geschrieben 1244321857000
Siegfried,
der Bitte von Alice kann ich mich nur anschließen. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr von Dir käme.
Gruß Wolfgang
Suaviter in modo, fortiter in re. -
geschrieben 1244328058000
@Egypt sagte:
Ich würde mal werten ... Laie für Laie ....
Es nützt nicht viel, wenn ich unverständlich für die Zielgruppe schreibe.
Aber Du kannst Dich ja gerne einbringen.
Wenn Du Fehler findest, steht es Dir frei, sie zu korrigieren, aber bedenke auch, dass es am Sinn hier vorbeigeht sich in Details zu verlieren.
Aus diesen Gründen bleibe ich bewust recht Oberflächlich.
Aber im Prinzip stimmt es natürlich: Ich bin Laie.
Ich habe nur 4-5 Std "Flugerfahrung" im FFSim auf B737 (neben mir aber einen erfahrenen "CoPiloten") und um die 180 Std. im Cockpit verbringen dürfen....
Vielleicht das wichtigste: Aus diesen Erfahrungen weis ich aber auch, dass ich selbst auf mich alleine gestellt nicht in die Lage kommen möchte, ein solches Flugzeug zu steuern - im Gegensatz zu vielen Flugsimulanten
BTW: Heute habe ich in LOWF einen lowpass eines A320 "clean" mit 240knt in 100ft Höhe miterlebt
Soetwas gibt es nicht nur in Budapest im Vorprogramm zum Airrace jedes Jahr
Siegfried, "Wenn die Klügeren immer nachgeben, siegt die Dummheit"