Die Takeoffkalkulation (Berechung des Abfluges)
Hier entscheidet sich nämlich: Darf ich überhaupt starten ?
Ein Exkurs zum Thema Vorschriften und Sicherheit:
Wenn am Ende der Rechnung steht: Es geht sich nicht aus - oder auch nur: knapp nicht aus..... dann darf man nicht starten. So einfach ist es.
Wenn das ein Piloten nachweislich missachtet, dann darf er seine Fluglizenz abgeben.
Es gibt natürlich Toleranzen, aber die sind sehr eng und durch einen "schlechteren Tag" schnell aufgebraucht.
Eine Denkweise: "Wird sich schon ausgehen ...die paar Meter" hat im Cockpit eben nichts verloren. Die Werte sind errechnet und erflogen, das ist eben kein oder nur geringer Spielraum - es ist einfach Physik. Und die Naturgesetze kann auch der beste Pilot nicht zu seinen Gunsten ändern.
Aber gehen wir weiter, und wir werden sehen:
Als Beispiel nehme ich gleich mal Schätzwerte für unsern 4.Tages Kreuzflug am
Donnerstag morgen. Mein Freund hat sich eine B737-800 ausgeborgt und wir haben ca 150 Leute gefunden, die uns begleiten. (Etwas wenig zwar, aber
was solls, wir alle freuen uns auf diesen außergewöhnlichen Flug, da legt man gerne etwas drauf).
Also Do morgen, wir haben vor, von Wien aus Nach Nizza zu fliegen.
Wir erwarten die übliche Startbahn "29" (two-nine gesprochen) Sie heißt so, weil sie Ausrichtung von 294 Grad hat also gegen Westen (Dagegen heißt sie "one-one" als "11" - eben - oder + 180 Grad.
Die Außentemperatur nehme ich mit 15 Grad an (es ist früh morgens)
Unser Flugzeug bringt gesamt 70t auf die Waage. Flaps 5 sind eingestellt.
Die Startbahn ist trocken und griffig (das wird immer wieder mit speziellen Messfahrzeugen gemessen und sagt einem, wie gut die Bremswirkung ist).
Wir stehen ganz am Beginn der Startbahn und haben also die volle Länge von
3500m zur Verfügung.
Die Takoffkalkulation sagt mir dazu jetzt folgendes:
Unser Flugzeug könnte maximal 78t Masse "hinausbringen" ...das ist schon mal beruhigend wir sind ja viel leichter!
V1: 143kn Vr:145 V2: 151
Also bis zu einer Geschwindigkeit von V1 können wir den Start jederzeit abbrechen. bei Vr wird unser Pilot das Flugzeug abheben und unter Beibehaltung von min. V2 auf 1500ft AGL (Höhe über Flugplatz) steigen. Er wird auf der sicheren Seite bleiben wollen und wohl mit 155-165 kn steigen.
Hurra! in ca. 1:45 werden wir in Nizza gelandet sein....
Und jetzt zwei worst case (der schlimmste Fall) Szenarien, die uns passieren könnten:
1. Fall:
Das Flugzeug beschleunigt bis _nahe_ V1 - es gibt einen Knall und ein Triebwerk verabschiedet sich (es muß dabei aber auch nicht knallen...) .
Kein Grund zur Panik -die Takeoffberechnung hat uns nämlich vorher schon gezeigt: Wenn wir den Start abbrechen müssen, dann gibt es automatisch eine Vollbremsung.
Aber: Wir haben bei Stillstand nach Vollbremsung vor uns noch 1565m Piste. Also wird der Kapitän recht schnell selber dosierter bremsen wollen, es geht sich locker aus. Wozu sollte man die Bremsen so stark strapazieren?
2. Fall:
Das Flugzeug beschleunigt wie es soll, V1 ist erreicht..... und dann fällt ein Triebwerk aus. Jetzt darf man aber nicht mehr abbrechen. Das verbleibende Triebwerk reicht aus damit wir sicher abheben können, was es auch brav machen wird.
Natürlich werden wir nicht mit einem Triebwerk von der "Homebase" weg nach Nizza weiterfliegen wollen.... und vor allem wir wollen ja am Abend nach Olbia ...und via Neapel wieder heimfliegen. Ob wir in Nizza so schnell ein passendes Triebwerk bekommen ... würde ich nicht wetten wollen. Also werden wir wohl oder übel in Wien Rücklanden .... Wenn man es nicht reparieren kann (was aber meist ist), hat man binnen 3-4 Stunden ein neuer Triebwerk (ich hoffe es ist eines auf Lager) es wird aber dann wohl so sein, wir bekommen eine andere Maschine.
Jetzt betrachten wir die Triebwerksleistung:
Wir erinnern uns: Die Startstrecke ist für unser Flugzeug sehr angenehm lang - fast schon zu lang. Warum soll man jetzt das Triebwerk durch Maximalschub
so belasten ? Es ist auch so, dass ein voll belasteter Motor dabei eher ausfällt, als man schont ihn etwas.
Wie sagt man aber dem Triebwerkssteuerungscomputer, dass es den maximalen Schub zurücknehmen soll ?
Das ist einfach: Wir täuschen vor, dass wir bei viel höherer Außentemperatur starten wollen.
Der Computer weiß: Hohe Außentemperatur - im Triebwerk wird es zu heiß, also muss er den maximal möglichen Startschub (den man übrigens 10 Minuten beibehalten darf - und nicht länger) nach unter regeln.
Und auch dass sagt mir die Takeoffkalkulation:
Und zwar wie sieht es aus bei 46 Grad OAT (Outside Air Temperature), bei 48 und bei 50 Grad aus?
Wenn ich dem Triebwerk eine AOT von 50 Grad (statt unserer 15 Grad) vorgebe, wird der Schub eben nicht mehr so stark sein. Wir brauchen also eine längere Startstrecke bis wir unser V1, Vr und V2 erreichen.
Und die Rechnung der Stopwege zeigt uns eines: nach Startabbruch bei V1 und
Vollbremsung bleiben uns auch noch komfortable 976m über.
Wir erinnern uns: Vollschub bei 15Grad und Vollbremsung: Stopstrecke verbleibend: 1565m, bei reduziertem Starschub: 976m
Ich denke mal, das wird man ohne Bedenken machen
Wie sieht es aber aus, wenn es regnen sollte?
Also Regennasse Piste:
Wir rechnen also nochmals: (mit 50 Grad OAT um die Triebwerke zu schonen):
Wir haben nach Startabbruch noch immer 845m.
Immerhin: man sieht: Die Nässe, bewirkt, dass man weniger stark bremsen kann.
Sie kostet uns hier 131m !
Und jetzt haben wir die Info bekommen: Die Landebahn ist rutschig mit besonders geringer Reibungsbeiwerten. Dann sagt mir das Programm:
Nur maximum Schub erlaubt. Damit man noch möglichst viel Bremsweg zur Verfügung hat. Es sind auch nur mehr 1000m über.
Zum Glück sind solche schlechten Bedingungen nicht zu erwarten.
Das ganze war jetzt ein lange Piste mit einem mäßig beladenem Flugzeug -da ist das Starten und Startabbruch kaum ein Problem.
Solange alle Triebwerk laufen sowieso nicht - weil an sich reicht ja nach erreiche von V1 eines aus.
Man ist also bei einem "Twinjet" (zwei Triebwerke) also normalerweise 50% übermotorisiert.
Was sieht es aus, wenn wir am Sonntag mit unseren 70t von Olbia (Sardinien) aus starten wollen (wir werden aber wohl etwas leichter sein, weil wir für den kurzen Flug weniger Treibstoff tanken müssen - soll aber jetzt egal sein.)
Die Startpiste 24 hat eine verfügbare Länge von 2446m. (aber sie hat ein Problem: in Flugrichtung gibt es Hindernisse, die uns beschränken - sollte man
ein Triebwerk verlieren)
Also eine um 1000m kürzere Piste als in Wien.
Die Takeoffberechnung zeigt jetzt folgendes:
Unser Flugzeug dürfte maximal 77t haben damit man noch starten darf.
V1: 141kn, Vr 144kn V2: 152knt
Bei Startabbruch bleiben und nach Vollbremsung noch immer komfortable 554m Rest über.
An reduzierten Startschub bietet sich nur noch als Maximum eine: AOT von 41 Grad an. Da bleiben dann nach Startabbruch noch 224m über. WÜrde also auch noch funktionieren.
Bei Nässe reduziert sich das dann noch auf 154m.
Also eigentlich noch alles völlig Problemlos. War auch nicht anders zu erwarten:
Nicht voll besetzt, wenig Treibstoff nötig und 2,5km sind viele Landebahnen.....
Man kann aber schon erkennen: Worum es geht geht:
Ist ein Flugzeug leicht, die Piste lang, die Luft kalt: Kommt man so gut wie überall einfach weg.
Anders sieht es aus, wenn das Flugzeug schwer beladen ist (nahe MTOW): Wenn dann noch die Landbahn kurz ist, kommt man sehr schnell in ein Limit:
Die große Masse benötigt eine hohe Abhebengeschwindigkeit, das Beschleunnigen
benötigt entsprechend lange und damit verbraucht man viel von der Startbahn.
Und auch wenn es selten ist: Man muß mit einem worst case rechnen: Ein Triebwerk fällt vor V1 aus. Dann hat man nicht mehr genügen Piste vor sich, um das Flugzeug abzubremsen.
Man kann jetzt Vr senken, indem man mehr Flaps setzt z.b. 15. Aber:
Man hat mehr Luftwiderstand, was den Startlauf bremst.
Leider hat ein Flugzeug durch aber auch nach abheben eine bedeutend geringere
Steigrate.
Solange die Flugplatzumgebeung eben ist, geht das auch. Aber muss man nach dem Start über höhere Hügel/Berge kommen, dann kann es sein, dass die Steigrate nicht mehr reicht.
Nicht vergessen: Man muss immer annehmen, dass ein Triebwerk ausfällt -
fällt keines aus, dann kommt man da locker drüber.
Nochmals zur Verdeutlichung:
Zeigt die Takeoffberechnung an, dass man nicht "rauskommt", dann darf man nicht starten.
Würde jetzt, und da schließt sich der Kreis mit dem oben gesschriebenen, eine Crew den Start wagen, "weil schon nicht das Triebwerk versagen wird" oder er nicht den Startlauf abbrechen muss, dann wird das im Fehlerfall zu einem Unglück führen.
In Fall eines Startabbruches wo ja der Bremsweg nicht reicht und das Flugzeug am Pistenenende mit sagen wir mal 50 Sachen überschießt, Die Folge kann das sein, was vor ein paar Jahren dem A340 Airbus in Toronto passierte: Alle Passagiere gerettet, aber Flugzeug Totalschaden und nachher ausgebrannt....
(Kosten: Ein solches Flugzeug kostet die 120 Mio Euro.
Im anderen Fall: Nach V1 fällt ein Treiber aus..... der Computer hat vorher darauf aufmerksam gemacht: Der verbleibbende Schub reicht einfach nicht, dass man sicher über das Terrain kommt.
Mit 160-170kn in einen Berg zu Krachen, da hat man einfach schlechte Karten.
Das verlockende ist natürlich: Triebwerke sind heute so zuverlässig, dass es viele Piloten gibt, denen ist im echtem Flugbetrieb noch nie ein Triebwerk ausgefallen.
Aber heut zu Tage startet mehr als ein Flugzeug pro Sekunde
Würden da einige Piloten systematisch riskieren, dass sich ein simpler Triebwerksausfall zur Katastrophe entwickeln kann, dann würden wir rein statistisch jede Woche mehrer Katastrophen zu beklagen haben.
Wie man leider am AF Unglück sieht, es gibt trotz alles Regeln und Vorschriften ( leider auch oft als Konsequenz nach Unfallanalysen entstanden) man kann die generelle Sicherheit noch immer verbessern!
Und sie muß weiter verbessert werden, weil immer mehr Flugzeuge fliegen werden.
Blieben die Standarts stehen und wir haben eine größer Anzahl von Flugzeugen, würden sich rein statistisch die Unfälle häufen.
Ich hoffe es wahr alles einigermaßen verständlich bis jetzt.
Ich verabschiede mich für längere Zeit, weil ich natürlich jetzt meine Errechneten Werte in der Praxis sehen will
Es ist aber auch leicht: Wie es im Cockpit im Flug zugeht, und vieles als mittlerweile bekannte Wiederholung gibt es diese Bildberichte aus dem Cockpit:
Sehr spektakulär ist mein B777 Trip Wien-Korfu-Wien (VIE-CFU und CFU-VIE).
Zeigt es doch eindrücklich, dass man auch mit einem absolut großem Flugzeug auf einer 2000m langen Piste landen kann, sondern auch was viel wichtiger ist:
sicher wieder weg kommt