Moin zusammen,
nun ja, ein Focus-Artikel, also ich nenne es mal BILD-Zeitung, verkleidet als Nachrichtenmagazin *g*
Was soll man sagen: der Billigwahn und Megageiz fordert seinen Tribut. Es ist eben nicht möglich ein Produkt immer und immer günstiger zu machen. Wie soll denn das gehen, wenn man für einen Flug von X nach Y vor 15 Jahren noch 250 EUR bezahlte, dass solche Strecken heute für 49 EUR oder noch billiger angeboten werden? Dazu die Einkomensentwickelung eingerechnet, dann hat man prozentual einen aberwitzigen Preisverfall zu betrachten und kann sich gern freuen, wie billig man heute fliegen kann - theoretisch. Irgend jemand zahlt immer die Zeche und meistens ist es das Personal.
Aufgrund der vielen Billigflieger steigt der Druck auf alle etablierten Markencarrier von Lufthansa bis British Airways, es denen gleich zu tun und inzwischen haben sie alle ihre Billigtöchter gegründet. Die Billigtickets bringen einen exzessiven Vielfliegertourismus hervor. Wie hört ich erst kürzlich jemanden faseln... "Ich fliege ganz gern mal ab und zu für's Wochenende mit meiner Tochter nach Toronto." Na, dann, wohl bekomm's. Befeuert vom Facebook-Instagram-Selfie-Wahn muss sich jeder coole Großstadthipster mindestens an jedem zweiten Wochenende seinen Holzfällerbart vor Akropolis, Tower Bridge oder den Portweinkähnen von Porto zeigen, sonst riskiert er Sprüche wie "Ey, bis du tod Man...?" (in exakt dieser "Recht"schreibung natürlich.
Also wächst das Geschäft exzessiv und dazu noch asymmetrisch, nämlich zwischen Mai und Oktober sehr stark und in der kalten Jahreshälfte eher kaum. Wie soll man bei einer solchen unbalancierten Nachfrage eine Flugzeugflotte managen, die für den Sommer groß genug ist, im Winter aber nicht ungenutzt und geldverschlingend herumsteht? Klare Antwort: optimal geht's nicht, es wird ein Kompromiss bleiben und daher ist es im Sommer - wie bei Focus zu lesen - auf "Kante genäht". Die gesamte Infrastruktur wächst nicht schnell genug mit, siehe BER und jeder weiß, was es bedeutet, wenn man eine zusätzliche Start- und Landebahn errichten will. Das sind Projekte, die sich mal 10 oder 15 Jahre hinziehen können, und wenn so ein Ding erst mal umgesetzt ist, dann sind die Flugbewegungen schon wieder so weit angeschwollen, dass die neuen Bauwerke wieder zu klein sind - man hinkt also auf ewig hinterher, anders natürlich als in der Türkei, Golfstaaten oder China, aber da gibt's ja auch keine Planfeststellungsverfahren und man enteignet mal eben alle Kleinbauen, wenn es opportun erscheint.
Personal bei Airlines, in der Luft und am Boden, Betonung auf "qualifiziert" - schwer zu finden, vor allem bei einem ausufernden Bildungsnotstand. Oft genug muss ich meinen neuen Kollegen korrektes Sprechen und Schreiben beibringen... Busfahrer, Schlepperfahrer, Catering, Check-In, Technik, ATC (Luftraumkontrolle), Tankdienste.... hier muss ein komplexes Räderwerk perfekt laufen, wenn aber alles per Outcourcing in Billigbranchen zerfällt, welcher angelernte Billiglöhner hat denn Lust sich Mühe zu geben? Der ineffiziente EU-Luftraum kommt noch dazu - der US-Luftraum ist wegen "Single-Sky-Systematik" doppelt so leistungsfähig für Verkehrsaufnahme, und und und...
Was soll man raten? Geduld haben und sich mehr Mühe bei der Flugbuchung zu geben. Soll es eine Umsteigeverbindung z.B. über FRA oder MUC werden, dann prüfen, ob man nicht einen früheren Zubringerflug oder gar -zug nehmen könnte nach FRA oder MUC. Wäre es so schlimm, auf eigene Rechnung einen Tag früher anzureisen und sich im Stadtzentrum von Frankfurt ein Zimmer zu nehmen, die oft nur 39 oder 49 EUR kosten, um dann ganz entspannt zum Abflug zu schlendern? Umsteigerisiko mit Chaos im Transit hätte man so schon vermieden. Man muss einfach versuchen, den Reiseweg katastrophensicher zu machen, so gut es geht. Denn eines ist sicher: Reisen hatte immer ein Verspätungs- und Chaos-Risiko und wird es immer haben. Das englische Wort "travel" kommt vom französichen "travail", was "Arbeit" bedeutet und niemand hat jemals versprochen, dass das Zurücklegen großer Strecken die reinste Freude sei. Das war vielleicht 1960 so, aber diese Zeiten sind längst vorbei...